Seinen Beruf eine Woche in einem ganz anderen Land ausüben, bei Berufskollegen wohnen, ihren Alltag kennenlernen: Das ist das Ziel des «Perspektivenwechsels», den Geberit und Helvetas zwei schweizerischen und zwei nepalesischen Sanitärinstallateuren ermöglicht haben.
Nepal
Die Baustelle liegt etwas ausserhalb von Kathmandu. Der 22-jährige Thurgauer Armin Kellenberger staunt, als er sich in den vollen Bus zwängt. «Bei uns hat jeder Sanitär sein Fahrzeug mit allem, was er braucht – hier geht man mit dem öV auf die Baustelle.» Sein nepalesischer Berufskollege Bhu Bikram Angdembe, 26, hat die Werkzeuge einfach in einen Rucksack gesteckt. Alles dabei – Abfahrt! Aus den Lautsprechern schallt während der Fahrt fröhliche nepalesische Popmusik.
20 Minuten später hält der Bus in Kathmandus Nachbarstadt Bhaktapur. Wo früher Reis angebaut wurde, entsteht ein ganzes Quartier für die Mittelschicht. Auf der Baustelle angekommen, ist Flexibilität gefragt: Es wird erst vor Ort klar, welche Arbeiten heute ausgeführt werden können. Das ist neu für Armin Kellenberger und den 33-jährigen Adrian Brühwiler, der zuhause in Oberwangen Armins Chef bei der Brühwiler Sanitär AG ist. Ebenfalls anders: In Nepal beschafft der Bauherr selbst die Materialien, und das nicht immer rechtzeitig.
Unter der Leitung von Gastgeber Padam Sunuwar, 29, der seit eineinhalb Jahren Inhaber des Sanitärgeschäfts «Plumber's Home» in Kathmandu ist, verlegen die zwei Schweizer und ihre neuen Kollegen schliesslich die Leitungen, die frisches Wasser in den Tank auf dem Dach bringen. Da das Thermometer in der Region Kathmandu selten unter null Grad fällt, müssen die Leitungen nicht gegen Frost geschützt werden. «Deshalb ist es sehr effizient, die Leitungen einfach entlang der Aussenmauer laufen zu lassen», meint Armin. Vom Tank führen die Leitungen wieder hinunter ins Haus, zu Küche, Bad und Toiletten. Zusammengeschweisst werden die Röhren durch Erwärmung.
Adrian Brühwiler, Sanitärinstallateur
Neben der gemeinsamen Arbeit sind die Schweizer auch bei ihren Berufskollegen einquartiert. Sie wohnen bei Padam, der mit seiner Frau Ganga und der siebenjährigen Tochter Una in einer Zweizimmerwohnung lebt. Die Schweizer bekommen das Schlafzimmer mit zwei Betten. Die Familie schläft derweil im anderen Zimmer. In einer Ecke wird dort auch gekocht.
Zum Frühstück, das traditionell um neun Uhr gegessen wird, gibt es wie auch abends Dal Bhat, Linsensuppe mit Reis und Gemüsecurry. Das Essen wird zuerst den Gästen in ihrem Zimmer serviert, erst danach isst die Familie – im anderen Raum. Für Adrian und Armin gewöhnungsbedürftig, in Nepal die Art und Weise, wie man seinen Gästen Respekt erweist.
Bhu Bikram wohnt mit seiner Schwester im gleichen Haus im unteren Stock. Er kam nach Kathmandu, um Arbeit zu finden. Seit sechs Monaten lernt er von Padam die Grundlagen des Sanitärhandwerks. Padam selbst hat sein Handwerk in zwei mehrwöchigen Kursen in einem Berufsbildungszentrum gelernt, das er seinen Schweizer Kollegen am zweitletzten Tag zeigt.
Die Kurse, die dort angeboten werden, hat Helvetas im Rahmen des Programms «Employment Fund» gemeinsam mit den privaten und staatlichen Trainingsanbietern entwickelt. Mit dem von der DEZA mitfinanzierten Programm unterstützt Helvetas Arme und Benachteiligte durch praktische Berufsausbildungen. So steigen ihre Chancen auf Beschäftigung. Mit 46 Prozent ist die Arbeitslosenquote unter den jüngeren Nepalesen sehr hoch. Ziel ist, dass die Absolventinnen und Absolventen auch tatsächlich Arbeit finden, deshalb ist die Bezahlung der Trainingsanbieter an diesen Erfolg gekoppelt. Das System funktioniert: 71 Prozent der Absolventen sind auch noch drei Jahre nach Ausbildungsabschluss in einer Anstellung oder erfolgreich selbständig tätig.
Im Berufsbildungszentrum wird vor allem praktisch gearbeitet, es gibt voll eingerichtete Badezimmer, an denen die Lernenden die Handgriffe üben. Die Ausbildung ist praktisch und der Situation vor Ort angepasst, wie Adrian feststellt: «Die Einrichtungen sind nach unseren Standards veraltet. Angesichts der Situation auf der Baustelle sind sie jedoch adäquat.»
Adrian Brühwiler, Sanitärinstallateur
Schweiz
Ein paar Wochen später in der Schweiz. Um sieben Uhr morgens herrscht bei der Brühwiler Sanitär AG in Oberwangen bereits reges Treiben. Die Sanitärinstallateure – alles Männer – sind versammelt und Adrian verteilt die anstehenden Aufträge. Bhu Bikram und Padam sind heute mit Armin zum ersten Mal im Einsatz. Gemeinsam sollen sie am Vormittag einen alten Waschtisch in einer Wohnung aus- und einen neuen einbauen. Für Bhu Bikram sieht das Doppellavabo mit dem zugehörigen Spiegelschrank noch sehr brauchbar aus:
Bhu Bikram Angdembe, Sanitärinstallateur in Nepal
Dass der Bohrer auch Schrauben ziehen kann, bleibt Padam nicht lange verborgen, und er macht sich gleich ans Werk. Die beiden Nepalesen stellen viele interessierte Fragen zu den einzelnen Arbeitsschritten. «Die Lavabos bekommen eine Schallisolierung, damit das Händewaschen nicht im ganzen Haus zu hören ist. Das ist ganz schön clever», sagt Bhu Bikram. Zu dritt ist der Austausch schnell geschafft.
Als sie aus dem Haus kommen, fallen grosse Schneeflocken. Bhu Bikram und Padam sehen zum ersten Mal Schnee. Kathmandu liegt in der subtropischen Klimazone. Wo Bhu Bikram herkommt, im Terai, dem nepalesischen Tiefland, das an Indien grenzt, herrschen sogar tropische Temperaturen vor.
Eiskalt ist es auch ein paar Tage später auf der Schwägalp. Neben der Arbeit sollen die Gäste nämlich auch Gelegenheit haben, etwas mehr von der Schweiz kennenzulernen. Padam schaut skeptisch in die Höhe – diese dünnen Seile tragen die Kabine, die ihn auf den Säntis bringen soll? Doch die Neugierde überwiegt, und bald stehen die vier Sanitäre zwar nicht auf dem Dach der Welt, aber immerhin auf dem Dach der Ostschweiz. Blauer Himmel und viel Schnee präsentieren das Gastland von seiner besten Seite.
Wie in Nepal zeigt auch Adrian seinen Kollegen, wo er seinen Beruf erlernt hat: Am Bildungszentrum für Technik Frauenfeld. Ausbildung ist wichtig, das wissen Padam und Bhu Bikram. Sie probieren alle möglichen Werkzeuge aus. Als eine junge Frau ihr Können am Schweissgerät zeigt, sind die Nepalesen erstaunt. In Nepal ist Schweissen ein eigener Beruf – und zwar einer, der praktisch nur von Vertretern der niederen Kasten ausgeübt wird. Dass Handwerksberufe in der Schweiz ein so grosses Ansehen geniessen, ist für Padam und Bhu Bikram neu.
Zu lernen gilt es auch die Sprache. «Gschwind» ist das erste Wort, das den beiden auffällt. Zu wichtigen Phrasen werden auch «Ich brauche Arbeit» und «Ich brauche Essen». Das Schweizer Essen schmecke gut, sagen die Nepalesen. Nur der viele Käse macht den beiden etwas Bauchweh. Sie trösten sich mit Rivella darüber hinweg. Und «gschwind» ist auch die Woche in der Schweiz vorbei. «Gerne würde ich noch länger bleiben, aber mein Ticket sagt, dass ich zurück muss», sagt Bhu Bikram am Flughafen.
Padam will in seinem Geschäft die Planung verbessern. «Das macht die ganze Arbeit einfacher, da nehme ich viel mit.» Auch Berufsstolz ist mit im Gepäck. Adrian freut es, dass der Perspektivenwechsel gegenseitig war: «Dadurch haben wir auch gesehen, was wir gemeinsam haben. Der Zusammenhalt in der Familie etwa ist hier wie dort sehr wichtig.»
Geberit und Helvetas
Geberit und Helvetas sind 2010 eine Partnerschaft eingegangen, mit dem Ziel, die Trinkwasserversorgung und den Zugang zu sanitären Einrichtungen in Entwicklungsländern zu verbessern. Durch die grosszügige Unterstützung hat Geberit entscheidend dazu beigetragen, dass Helvetas in den letzten sieben Jahren fast drei Millionen Menschen Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Grundversorgung ermöglichen konnte.
Den Perspektivenwechsel auf der Website von Geberit anschauen.