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Letzte Chance für die Agenda 2030

Mit einem Zukunftspakt Richtung nachhaltige Zukunft
VON: Patrik Berlinger - 11. Juni 2024
© Rick Bajornas

UNO-Generalsekretär António Guterres lädt diesen Herbst in New York zum «Summit of the Future». Mit einem Zukunftspakt will er die Agenda 2030 wiederbeleben und die Welt auf einen zukunftsfähigen Entwicklungspfad bringen. Bei den Vorberatungen des Dokuments zeigen sich Regierungen und die Zivilgesellschaft engagiert – wohlwissend, dass es die letzte Chance ist, die Nachhaltigkeitsagenda nicht komplett zu verfehlen. 

Der SDG-Summit der UNO-Generalversammlung im Herbst 2023 führte der Welt vor Augen, wie stark die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung bei Halbzeit bereits vom Kurs abgekommen ist. UNO-Generalsekretär António Guterres wählte deutliche Worte: Die Welt sei «ausser Kontrolle» geraten. Vielerorts wüteten Kriege. Die Demokratie gerate zunehmend unter Druck. Ungleichheit, Hunger und die Klimakrise verschärften sich. Und die Gräben zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd würden tiefer. Am Summit of the Future ein Jahr später, konkret diesen Herbst, will UNO-Chef Guterres nun das Steuer herumreissen. Die Staaten sollen einen Pakt für die Zukunft («Pact for the Future») beschliessen. Die Weltgemeinschaft soll dadurch wieder zusammenrücken, endlich ins Handeln kommen und die Agenda 2030 «back on track» bringen. 

Bereits Ende 2023 hatten sich die Länder auf die zentralen Themen geeinigt: Entwicklungsfinanzierung, Frieden und Sicherheit, Innovation und digitale Zusammenarbeit, Jugend sowie Erneuerung der multilateralen Gouvernanz. Der Prozess scheint vielversprechend: Im Januar 2024 veröffentlichten die Verhandlungsführenden aus Deutschland und Namibia einen Entwurf des Paktes, worauf Staaten und Staatengruppen ihre Rückmeldungen abgeben konnten. Im Rahmen der UN Civil Society Conference in Nairobi am 9./10. Mai 2024 formulierten zivilgesellschaftliche Akteure (NGOs, Community-basierte Organisationen, Jugendgruppen, Wissenschaft und Privatsektor) aus aller Welt ihre Erwartungen an den Pakt. In der Schweiz wiederum hatten Organisationen aus der Zivilgesellschaft wie Alliance Sud, die Plattform Agenda 2030 und Helvetas die Gelegenheit, ihre Anregungen direkt der schweizerischen Verhandlungsdelegation mit auf den Weg nach New York zu geben. 

Die Anliegen wurden aufgenommen. Am 15. Mai 2024 präsentierten Deutschland und Namibia eine stark überarbeitete und deutlich bessere Version des Paktes. Die Verhandlungsleitenden versicherten, bestmöglich auf die vielseitigen Erwartungen der Staaten und der Zivilgesellschaft eingegangen zu sein. Die Reaktionen der Länder, von der EU wie auch von ärmeren Ländern der G77-Koalition der Entwicklungsländer bei den Vereinten Nationen, fielen überwiegend positiv aus – mit vereinzelten Ausnahmen etwa aus Russland und Ägypten. Viele Delegationen begrüssten ausdrücklich, dass der Entwurf konzise und ausgewogen sowie ambitions- und handlungsorientiert sei. Auch die Schweizer Verhandlungsdelegation zeigte sich mit dem überarbeiteten Zukunftspakt zufrieden; man werde die weiteren Schritte rund um den Pakt weiter konstruktiv begleiten. 

Kompass bleiben die Menschenrechte 

Mit dem Zukunftspakt will die Weltgemeinschaft die Relevanz und Notwendigkeit der Nachhaltigkeitsagenda aus dem Jahr 2015 unterstreichen. Der Pakt stellt klar, dass die Menschenrechte im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen, die Armut zu beseitigen, Ungleichheiten zu bekämpfen und «niemanden zurückzulassen». Bekräftigt wird der Grundsatz der Gleichberechtigung und der Selbstbestimmung der Völker sowie die Verpflichtung, die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates zu respektieren und von Gewaltandrohung oder -anwendung abzusehen. Handlungsleitend bleiben völkerrechtliche Verpflichtungen wie das humanitäre Völkerrecht und die internationale Flüchtlingskonvention. Unter anderem will die Staatengemeinschaft mit dem Pakt 

  • nachhaltige Lebensformen und die Kreislaufwirtschaft als Weg zu nachhaltigen Konsum- und Produktionsmustern fördern; 

  • Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass der Privatsektor zur Nachhaltigkeit und zum Schutz unseres Planeten beiträgt, u. a. durch die Stärkung von Rechenschaftspflicht und glaubwürdigen Berichterstattungsverfahren; 

  • illegale Finanzströme verhindern und Korruption, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung bekämpfen sowie die Zusammenarbeit bei der internationalen Steuerpolitik auf UNO-Ebene ausbauen; 

  • das globale Ernährungssystem umgestalten, damit Jede und Jeder Zugang zu sicheren und erschwinglichen, umweltverträglichen und nahrhaften Lebensmitteln hat;  

  • die positiven Beiträge einer sicheren, geordneten und regulären Migration maximieren und den Schutz aller Menschen unterwegs verbessern und gewährleisten; 

  • sich den Risiken für die Stabilität und den Zusammenhalt unserer Gesellschaften annehmen, die von Desinformation ausgehen, wobei das Recht auf freie Meinungsäusserung zu achten ist; 

  • dem wachsenden Ungleichgewicht zwischen Militärausgaben und Investitionen in nachhaltige Entwicklung und die Erhaltung des Friedens begegnen; 

  • am 0,7 Prozent-Ziel für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit festhalten und die Unterstützung der Entwicklungsländer im gemeinsamen Kampf gegen die Klimaveränderung ausbauen

  • sehr reiche Menschen (mit überdurchschnittlich grossem Klimafussabdruck) mittels einer globalen Minimalsteuer stärker in die Verantwortung nehmen. 

Junge Menschen und die nächste Generation im Fokus  

Kaum je wurde in einem offiziellen UNO-Dokument jungen Menschen eine derart wichtige Rolle zugesprochen. Der Pakt mahnt ausdrücklich, dass unser heutiges Handeln Auswirkungen auf das Wohl und die Möglichkeiten zukünftiger Generationen hat. In der aktuellen Fassung steht: «Die heutige Generation junger Menschen ist die grösste in der Geschichte, wobei die meisten von ihnen in Entwicklungsländern leben. [...] Wir sind uns bewusst, dass sie und künftige Generationen mit den Folgen unseres Handelns [...] leben müssen. Wir verpflichten uns zu transformativen Investitionen in junge Menschen und deren Engagement auf nationaler und internationaler Ebene, um eine bessere Zukunft für alle zu sichern.» 

Bleibt zu hoffen, dass die Erklärung bis im September nicht abgeschwächt und der Zukunftsgipfel in New York ein Erfolg wird. Danach muss sichergestellt werden, dass das Dokument nicht toter Buchstabe bleibt, sondern für Regierungen tatsächlich handlungsleitend wird. 

Zurzeit richtet sich die Aufmerksamkeit stark auf die Kriege in Gaza und der Ukraine. Globale Herausforderungen wie der wachsende Hunger, vergessene Krisen und Ungerechtigkeiten, Artensterben und das Klima geraten leicht in Vergessenheit. Es ist jedoch wichtig, «das grosse Ganze» und die «längerfristige Vision» einer lebenswerten, zukunftsfähigen und gerechten Entwicklung nicht aus den Augen zu verlieren. Dafür sollte der Pakt für die Zukunft den Regierungen und uns allen ein Kompass sein. Der Zukunftspakt verdient eine Zukunft.

Patrik Berlinger | © Maurice K. Gruenig
Verantwortlicher Politische Kommunikation
© OECD

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