Photovoltaik, Windkraft und Elektromobilität sind für die Klimawende unabdingbar. Doch sie benötigen kritische Rohstoffe wie Kupfer, Kobalt und Lithium. Ihr Abbau führt im Globalen Süden zu massiven sozialen und ökologischen Problemen. Um Ausbeutung von Mensch und Natur zu verhindern, braucht es griffige internationale Regeln für eine nachhaltige Ausgestaltung der gesamten Wertschöpfungskette.
Ohne den schnellen klimaneutralen Umbau von Wirtschaft und Energiesystemen, ohne Dekarbonisierung, Digitalisierung und eine rasche Verkehrswende, ist die Klimaerwärmung nicht zu bremsen. Zentrale Bausteine dieser Transformation sind grüne Technologien wie Photovoltaik, Windkraft und Elektromobilität. Diese sind auf eine Vielzahl kritischer Rohstoffe angewiesen und setzen insbesondere die Verfügbarkeit von Seltenen Erden, Kupfer, Lithium und Kobalt voraus. Als «kritisch» gelten diese Rohstoffe nicht nur wegen steigender Preise, drohender Verknappung, Lieferunterbrüchen und geopolitischer Abhängigkeiten, sondern vor allem auch, weil ihr Abbau häufig mit schwerwiegenden sozialen und ökologischen Problemen einhergeht. Zudem sind sie kaum durch andere Materialien zu ersetzen.
Astronomische Preise seit 2020
Seit 2020 sind die Preise für kritische Rohstoffe rapide angestiegen und halten sich seit Ende 2022 auf hohem Niveau. So beim Kupfer, dessen Abbau wegen der damit verbundenen sozialen Konflikte und umweltschädlichen Folgen häufig in der Kritik steht. Sein Preis verdoppelte sich zwischen Frühjahr 2020 und 2022 auf das Allzeithoch von umgerechnet knapp CHF 10’000 pro Tonne und liegt aktuell bei etwa CHF 8'300. Es wird angenommen, dass der Preis in den kommenden Jahren erneut ansteigen wird.
Der Abbau von Lithium aus Salzseen in Argentinien, Chile und Bolivien, wo die weltgrössten Vorkommen lagern, benötigt enorme Wassermengen und zerstört die jeweiligen Ökosysteme: Unterirdische Salzseen werden abgepumpt, in der Folge fliesst das Grundwasser aus umliegenden Gegenden nach, und der Grundwasserspiegel sinkt ab. Betroffen ist die indigene Bevölkerung, die vor allem von Viehzucht lebt. Doch die Nachfrage nach Lithium für die Elektromobilität wächst und treibt den Preis nach oben. Kostete eine Tonne Lithiumcarbonat Mitte 2021 umgerechnet weniger als CHF 9'000, belief sich der Preis 18 Monate später auf CHF 78’000. Seither sank er wieder auf aktuell rund CHF 65'000. Für das laufende Jahr wird ein Preis von rund CHF 55'000 erwartet.
Die Förderung von Kobalt, dem «schwarzen Gold» der Demokratischen Republik Kongo, ist gezeichnet von mangelnder Arbeitssicherheit, rechtlichen Grauzonen, mangelnder Transparenz und oft auch von Kinderarbeit. Doch das Geschäft ist lukrativ, kostete doch eine Tonne Kobalt, die im Sommer 2020 für umgerechnet CHF 27'000 zu haben war, Anfang dieses Jahres an der Londoner Metallbörse (LME) CHF 44'000. Vor Jahresfrist hatte der Preis sogar bei rund CHF 64'000 gelegen. Ob die Preise wieder ansteigen, bleibt abzuwarten. Zwar dürfte die Nachfrage im laufenden Jahr verglichen mit 2022 um etwa 17'000 auf rund 194'000 Tonnen steigen, doch wird sich auch das Angebot ausweiten: Nach 182’000 Tonnen im vergangenen Jahr dürften 2023 rund 209’000 Tonnen auf den Markt kommen.
Profite für China und für Grosskonzerne
Obwohl die meisten Abbaugebiete der kritischen Rohstoffe im Globalen Süden liegen, bedeuten diese «für die Bevölkerung an diesen Orten nicht Reichtum, sondern Umweltverschmutzung, Menschenrechtsverletzungen und Korruption», wie swissfuture festhält. Von den hohen Preisen profitiert in erster Linie eine weltweit agierende Wirtschafts- und Finanzelite, während die Förderländer kaum Nutzen daraus ziehen. So ist beispielsweise in der Demokratischen Republik Kongo, wo 70 Prozent der weltweiten Kobalterze gefördert werden, nur ein Bruchteil der Kobaltproduktion (3,5%) in den Händen des einheimischen Unternehmens Gecamines. Die grössten Kobalt-Produzenten haben ihre Sitze in China und Europa. Allein Glencore kontrolliert knapp 20 Prozent der Produktion.
Nebst Kobalt produziert und vermarktet Glencore, der weltweit führende Rohstoffkonzern mit Sitz in Baar, unter anderem Kupfer, Nickel, Zink, Eisenerz, Aluminium und Kohle und mischt im Lithiumhandel mit. Dabei nimmt das Unternehmen zwar für sich in Anspruch, Menschenrechte zu respektieren und sich für Nachhaltigkeit zu engagieren, «um mögliche nachteilige Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt zu minimieren». Gleichzeitig aber sah und sieht sich Glencore immer wieder mit Vorwürfen hinsichtlich Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen konfrontiert.
Neben den grossen Rohstoffkonzernen ist China längst zu einem der wichtigsten Akteure bei der Raffinierung und dem Verbrauch von Gütern geworden, die kritische Rohstoffe benötigen, und dominiert weite Teile des Marktes. Dies gilt für die Seltenen Erden ebenso wie für Kupfer, Lithium und Kobalt. So kontrollieren chinesische Anleger verschiedene Lithium-Bergbauunternehmen, auf die ein Drittel der weltweiten Produktion entfällt. Und bei der Kobaltproduktion kontrollieren chinesische Anteilseigner zwei Firmen, die zusammengenommen etwa 14 Prozent der Weltproduktion ausmachen.
Energiewende dank «grünem Kolonialismus»
Bei der Förderung und Weiterverarbeitung kritischer Rohstoffe sind Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen weit verbreitet. Im Interesse der grünen Technologien kommt es zu Landraub («Green Grabbing») und Zwangsumsiedlungen. Zudem bleibt die lokale Bevölkerung vom wirtschaftlichen Nutzen weitgehend ausgeschlossen; die Gewinne fliessen in die Taschen der Hersteller und Anleger im Globalen Norden einschliesslich China. Dies hat sicherlich dazu beigetragen, dass «die reichsten 1 Prozent in den letzten zwei Jahren fast doppelt so viel Vermögen angehäuft haben wie der Rest der Welt zusammengenommen», wie Oxfam in einer aktuellen Studie aufgezeigt hat. Das Vermögen dieser Superreichen wuchs dabei um USD 26 Billionen.
Doch die Rohstoffausbeutung im Globalen Süden wird mit dem Hinweis auf den Klimawandel und den dringend notwendigen grün-technologischen Umbau Mittel zum Zweck. Stillschweigend wird hin- und angenommen, dass diese Form der Rohstoff-Ausbeutung für die Ziele der nachhaltigen Entwicklung der Agenda 2030 unumgänglich ist. Mit der Folge, dass soziale Bewegungen von «grünem Kolonialismus» sprechen – eine Kritik, die auch an der Klimakonferenz COP 26 vor gut einem Jahr in Glasgow seitens der Entwicklungsländer vorgebracht wurde.
Der Begriff steht für eine grün-technologische Energiepolitik, bei der transnationale Konzerne, internationale Organisationen und westliche Regierungen Einfluss auf die Politik in den Förderländern nehmen, um die Kontrolle darüber zu gewinnen – und damit die Ausbeutung und Aneignung der Rohstoffe legitimieren. «Reiche Länder setzen darauf, ihre Klimaziele zu erreichen, ohne dass sie im eigenen Land härtere Massnahmen ergreifen müssen», sagt die Ökonomin Vijaya Ramachandran vom Breakthrough Institute. «Es ist zu verlockend für die Staats- und Regierungschefs reicher Länder – einschliesslich derer, die viel Öl und Gas produzieren – anderen Einschränkungen aufzuerlegen. Die Verfolgung von Klimazielen auf dem Rücken der Ärmsten ist nicht nur heuchlerisch, sondern auch unmoralisch, ungerecht und grüner Kolonialismus in seiner schlimmsten Form.»
Der steinige Weg zur Nachhaltigkeit
Fakt ist: Das Erreichen der Pariser Klimaziele setzt den weiteren Ausbau grüner Technologien voraus. Eine kohlenstoffarme Zukunft ist mineralintensiv, benötigen saubere Technologien doch deutlich mehr (kritische) Rohstoffe als die auf fossilen Brennstoffen beruhenden Technologien. Allerdings ist auch deren Gewinnung mit Treibhausgasemissionen verbunden. Um diese Emissionen möglichst zu reduzieren, wird dem Recycling der Rohstoffe und der Wiederverwendung von Komponenten grüner Technologien wie Lithium-Ionen-Batterien in Zukunft eine Schlüsselrolle zukommen. Doch wird das nicht genügen. Der Bergbau wird weiterhin benötigt, um die erforderlichen Mineralien in genügendem Ausmass zu liefern, zumal das Recyclingpotenzial von kritischen Rohstoffen aufgrund hoher Kosten und technischer Probleme sehr unterschiedlich ist.
Die Weltbank hat daher 2020 die «Initiative für klimafreundlichen Bergbau» (Climate-Smart Mining Initiative) lanciert, mit der sie sicherstellen will, dass kritische Rohstoffe auf nachhaltige und umweltfreundliche Weise gewonnen werden. Sie will mit Regierungen, Entwicklungsakteuren, Industrie und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um die bei der Klimawende, speziell bei der Herstellung grüner Technologien entstehenden Emissionen zu minimieren. Zugleich will sie auf ressourcenreiche Entwicklungsländer zugehen, damit diese die Mineralien für saubere Energietechnologien verantwortungsvoll und möglichst klimaneutral abbauen und liefern.
Die Initiative der Weltbank ist begrüssenswert, aber sie wird nicht genügen. Sie liefert eher ungewollt globalen Playern und Grosskonzernen ein Feigenblatt, um Rohstoffe weiterhin ungebremst abzubauen. Zielführender wäre es, verstärkt in die Recycling-Forschung zu investieren, um nur so viel abzubauen, wie für die klimaneutrale Transformation tatsächlich benötigt wird. Gleichzeitig müssten Unternehmen auf der Grundlage der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht entlang der Wertschöpfungskette und gesellschaftlichen Verantwortung in den Abbaugebieten gerecht werden. Da Freiwilligkeit zu oft zu leeren Versprechen führt, braucht es dringend staatliche Regulierungen, wie sie in der Schweiz die Petition «Für ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz» verlangt, die im Dezember 2022 mit über 217'000 Unterschriften eingereicht wurde.
Oder Regulierungen wie in der EU, wo die EU-Kommission vor einem Jahr eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen angenommen hat, um «ein nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in allen globalen Wertschöpfungsketten zu fördern». Trotz gegenteiliger Beteuerungen der früheren Justizministerin Karin Keller-Sutter im Jahr 2020, «international abgestimmt» vorzugehen und sich an den Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten der EU zu orientieren, wartet die Schweiz ab. Der Bundesrat hat jüngst beschlossen, bis Ende 2023 die Auswirkungen der EU-Richtlinie zu den neu geplanten Sorgfaltspflichten vertieft zu analysieren. Eine erste Vernehmlassung für eine angepasste Nachhaltigkeitsberichterstattung ist frühestens für 2024 geplant. Die Regierung spielt auf Zeit.