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Faktencheck: Entwicklungshilfe

Fakten statt Behauptungen zur Internationalen Zusammenarbeit
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Noch im Juni wollte der Ständerat zwei Milliarden Franken, also knapp 20 Prozent bei der Internationalen Zusammenarbeit (IZA) kürzen und die Gelder für die Aufrüstung des Militärs verwenden. Nun hat er diesen Entscheid zurückgenommen. Zu gravierend wären die Einschnitte bei der Schweizer Entwicklungshilfe gewesen. Dennoch könnten National- und Ständerat im Dezember noch Kürzungen beschliessen – und dies, obwohl bereits knapp 15 Prozent aus dem Entwicklungshilfe-Budget für die Ukrainehilfe verwendet werden sollen.

Zur Begründung von Einsparungen bei der Entwicklungszusammenarbeit werden häufig irreführende Argumente und Behauptungen ins Feld geführt. Darum präsentiert Helvetas nachfolgend Fakten, Richtigstellungen und Gegenargumente.

BEHAUPTUNG: Armut ist praktisch aus der Welt geräumt.

Der russische Angriffskrieg verschlimmert die Lage zusätzlich, weil die Lebenshaltungskosten steigen und sich die Ernährungssituation in vielen Ländern verschlechtert. Bei den derzeitigen Trends werden 2030 immer noch 574 Millionen Menschen – fast 7% der Weltbevölkerung – mit weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag überleben müssen.

BEHAUPTUNG: Die Schweiz tut schon genug für die Ärmsten.

Immer noch finanzieren unsere Grossbanken fossile Projekte im Ausland. Unser Finanzplatz fördert Gewinnverschiebungen und Steueroptimierung zum Leidwesen von Entwicklungsländern. Wir leben mit unserem grossen Klimafussabdruck auf Kosten der Ärmsten und des Planeten. Hinzu kommt: Zwar erhält die Schweiz für ihre Entwicklungszusammenarbeit regelmässig gute Noten. Sie setzt dafür aber laut der Uno und der OECD deutlich zu wenig Finanzmittel ein. Andere Staaten leisten im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft (BIP) deutlich mehr Entwicklungszusammenarbeit.

BEHAUPTUNG: Ein Grossteil der Projekte ist wirkungslos.

Seit Jahren wird die Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit im Gegensatz zu anderen Bereichen wie der Landwirtschaft oder der Armee sehr detailliert gemessen und öffentlich dokumentiert. IT- oder Beschaffungsskandale wie sie beim Militär immer wieder vorkommen, oder klima- und biodiversitätsschädigende Subventionen in der Landwirtschaft könnte sich die Entwicklungszusammenarbeit nicht leisten.

BEHAUPTUNG: Das Geld aus der Schweiz stärkt autoritäre und korrupte Regime.

Wo immer möglich arbeitet die Entwicklungszusammenarbeit nicht mit Regierungen, sondern direkt mit lokalen Behörden, lokalen NGOs, KMUs, Community-basierten Organisationen und Akteuren aus der Wissenschaft zusammen. Dies gilt ganz besonders dort, wo die Regierung intransparent und gegen ihre eigene Bevölkerung arbeitet. Je lokaler und je näher an der Bevölkerung, desto geringer das Risiko für Korruption.

BEHAUPTUNG: Der «Entwicklungshilfe» fehlt es an unternehmerischem Denken.

Ein wichtiger Fokus liegt auch auf dem Aufbau fairer und sauberer Lieferketten, von denen möglichst viele Menschen profitieren, und der fachlichen Ausbildung junger Menschen. Ist das lokale Gewerbe erfolgreich, schafft es gute Arbeitsplätze und nachhaltige Wertschöpfung vor Ort, ganz im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe.  

BEHAUPTUNG: Die Schweiz muss sich für ihre Sicherheit auf die militärische Stärke konzentrieren.

Kriege, Krisen und der Klimawandel führen zu wachsender Ungleichheit und Staatsschulden. Sie verschärfen Hunger, schwächen die Menschenrechte und befeuern unfreiwillige Migration. Zivile Friedensförderung und der Schutz der Menschenrechte, humanitäre Hilfe und langfristige Bildungs-, Gesundheits- und Landwirtschaftsprogramme, Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen sowie eine starke lokale Wirtschaft in ärmeren Ländern tragen nachweislich zu weltweiter Sicherheit und Stabilität bei, was wiederum der Schweiz zugutekommt.

BEHAUPTUNG: Die Entwicklungszusammenarbeit bringt den Menschen in der Schweiz nichts.

Zum einen profitiert die Schweizer Wirtschaft: Die Entwicklungszusammenarbeit hilft Schweizer Unternehmen, neue Märkte zu erschliessen, indem in den entsprechenden Ländern politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen verbessert werden. Zum anderen nimmt sie sich globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Flucht und Vertreibung, Pandemien und Artenschwund an – das nützt auch unmittelbar der Schweiz und ihren Bewohner:innen. Weiter fördert die Entwicklungszusammenarbeit Frieden und Sicherheit – und ermöglicht mit ihrem Engagement Menschen in armen und krisengeschüttelten Ländern Alternativen zur Migration.

BEHAUPTUNG: In Bezug auf Migration verfehlt die Entwicklungszusammenarbeit ihr Ziel.

Die Schweiz trägt dazu bei, Grundbedürfnisse zu sichern, Bildung, Gesundheit und Frieden zu fördern, die Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen und die Zivilgesellschaft zu stärken. Wo das gelingt, haben Menschen keinen Grund, ihre Heimat zu verlassen. Und überall dort, wo Menschen fliehen müssen, leistet die Humanitäre Hilfe einen Beitrag zum Schutz der Menschen auf der Flucht.

BEHAUPTUNG: Die Schweiz muss sparen und darf sich nicht noch stärker verschulden.

Die Corona-Pandemie hat zu einer Zunahme der Armut geführt. Die Gewalt in der Ukraine hat eine neue Dimension erreicht. Weltweit sind Demokratien auf dem Rückzug, und die Menschenrechte geraten vielerorts unter Druck. Kriege und Klimaverwüstungen sorgen für immer mehr Armut, Hunger und Vertreibung. Doch anstatt in internationale Zusammenarbeit, weltweiten Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung zu investieren, halten bürgerliche Politiker:innen strikte an der Schuldenbremse fest. Dabei wäre die Schweiz mit einer leicht höheren Schuldenquote immer noch Weltspitze – ohne Einbussen beim Wohlstand hinnehmen zu müssen. Jetzt nicht zu handeln, kostet in Zukunft mehr.

Noch ist es nicht zu spät. Das Parlament kann dafür sorgen, dass die Entwicklungszusammenarbeit nicht gekürzt wird. Helfen Sie uns dabei und setzen Sie ein Zeichen für #MehrSolidaritätJetzt auf www.mehr-solidaritaet-jetzt.ch.

Die Mär von der fehlenden Wirksamkeit

85% der Internationalen Zusammenarbeit der Schweiz erreicht ihre gesteckten Ziele
Tresorraum einer Bank | © Keystone/Gaetan Bally

Bei den Bundesfinanzen gibt es viel Potenzial

Ideen und Vorschläge für einen mutlosen Bundesrat
Firefighters extinguish a blaze at an electricity facility after a Russian attack in Kharkiv, Ukraine, Friday March 22, 2024.  | © Keystone/AP/Yakiv Liashenko

Transition in der Ukraine

Die nachhaltige Modernisierung kann nur mit tatkräftiger Unterstützung gelingen
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Wenig weitsichtige Geldverschiebungen

Ja zur Ukraine-Unterstützung – aber nicht zulasten der Internationalen Zusammenarbeit

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