Weltweit und in der Schweiz gibt es immer mehr Superreiche. Viele umgehen Steuern und haben einen riesigen Klimafussabdruck. Gleichzeitig nimmt weltweit der Hunger zu, und die Klimakrise fordert ungebremst ihren Tribut – für die Bekämpfung ihrer Folgen fehlt Geld in den Staatskassen. Es ist an der Zeit, Menschen mit ultrahohen Vermögen mit koordinierten Steuererhöhungen zu belegen.
Seit 2014 steigt die Armut in der Schweiz: Im Jahr 2022 waren gemäss Bundesamt für Statistik 702’000 Menschen (8,2% der Bevölkerung) armutsbetroffen. Ihr Einkommen reicht nicht, um den Lebensunterhalt zu bewältigen. Fast noch einmal so viele Personen leben nur knapp über der Armutsgrenze. Insgesamt leben also weit über eine Million Menschen in der Schweiz in sehr prekären finanziellen Verhältnissen. Meist trifft es Alleinerziehende und -stehende, Familien mit drei und mehr Kindern, wenig qualifizierte Arbeitnehmende und solche in Tieflohnbranchen und Migrantinnen und Migranten. Ein Fünftel der Bevölkerung hat keine Reserven von 2500 Franken. Diese Menschen rutschen rasch in die Armut ab, wenn eine unerwartete Ausgabe wie beispielsweise eine teure Zahnarztrechnung anfällt. Betroffen sind besonders viele Familien.
Heute aber wollen wir nicht über die Ärmsten reden. Nein, heute geht es um die Menschen, die sich am anderen Ende des Spektrums befinden – nämlich ganz «oben» auf der Wohlstandspyramide. Heute stehen Milliardäre im Fokus wie der in Genf wohnhafte Besitzer der Chanel-Gruppe Gérard Wertheimer, der mit Parfüm und Mode steinreich geworden ist (geschätztes Vermögen: 38 Milliarden Franken). Oder der im Kanton Schwyz domizilierte Deutsche Klaus-Michael Kühne (ca. 28 Mrd.) mit Beteiligungen an der deutschen Lufthansa, an der Reederei Hapag Lloyd und am Logistikkonzern Kühne+Nagel, der im Zweiten Weltkrieg eine Schlüsselrolle beim Raub jüdischen Eigentums gespielt hatte. Oder die Familie Aponte (ca. 21 Mrd.), die in Genf mit der Mediterranean Shipping Company MSC einen weltweiten Schifffahrtsgiganten erschuf, dessen Schiffe so viel CO2 ausstossen wie die ganze Schweiz.
Unsere Top-300
Es geht um die brasilianisch-schweizerische Familie Jorge Lemann (ca. 18 Mrd.), deren Beteiligungen an Kraft Heinz Company, am weltgrössten Biergiganten AB InBev (Budweiser, Beck’s) und an Burger King ihr Riesengewinne beschert; und die jüngst über den wohl grössten Bilanzbetrugsskandal in der brasilianischen Wirtschaftsgeschichte stolperte. Oder der mit Kohle und fossilem Kunstdünger reich gewordene Andrey Melnichenko (ca. 18 Mrd.) mit Haus in St. Moritz, der zwischen Dubai und Moskau hin und her jettet und in der Schweiz ein Schlupfloch nutzt, um Sanktionen zu unterlaufen; der von ihm gegründete Mineraldüngerhersteller EuroChem mit Sitz in Zug blieb davon verschont.
Und es stehen Personen im Fokus, die es zwar nicht in die Top Ten der Schweizer Milliardäre geschafft haben, die aber dennoch zu den reichsten 300 Schweizer:innen gehören. Wie die Inhaber der Genfer Privatbanken Pictet (ca. 12 Mrd.) und Odier (ca. 6 Mrd.) Oder Ivan Glasenberg (ca. 9 Mrd.), der beim Rohstoffkonzern Glencore mit Sitz in Baar ZG einst als Leiter des Bereichs Kohle seine Sporen verdiente und als CEO jahrelang und trotz absehbarer Klimakrise auf das «schwarze Gold» setzte. Oder die Familie Louis-Dreyfus (ca. 4 Mrd.), Besitzer eines der vier verschwiegenen Giganten des Weltagrarhandels. Oder die in der Westschweiz lebende Hinduja-Familie (ca. 11 Mrd.) mit ihrem weltumspannenden Firmenkonglomerat in den Sektoren Erdöl und Immobilien, die jüngst wegen gewerbsmässigen Wuchers verurteilt wurde.
Immer mehr, immer reicher
Das Wirtschaftsmagazin Bilanz spricht vom «Jahr der Milliardäre». Allein in der Schweiz leben mittlerweile 152 – so viele wie noch nie. Mit knapp 0,1 Prozent der Weltbevölkerung stellt sie knapp fünfeinhalb Prozent dieser «Finanz-Superelite». Weltweit ist die Zahl der Dollar-Milliardäre laut der UBS allein in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent auf 2’682 gestiegen. Dabei wuchs das gesamthafte Vermögen der Milliardäre zwischen 2015 und 2024 um 121 Prozent von 6,3 Billionen auf unfassbare 14 Billionen US-Dollar! Die Erben der milliardenschweren «Baby-Boomer»-Generation können sich freuen. Sie erben riesige Summen, ohne je etwas dafür getan zu haben – einzig dank dem Zufall der Geburt.
Übrigens: Auch Millionäre gibt es immer mehr. Gemäss Schätzungen der UBS wird die Zahl der Millionäre weltweit bis 2027 auf über 85 Millionen ansteigen – 26 Millionen mehr als noch 2022. Im Segment der «Superreichen» (Ultra-High Net Worth Individuals, UHNWI), zu denen die Schweizer Bank Personen mit einem Vermögen von über 50 Millionen US-Dollar zählt, werden es rund 372'000 sein, was einer Zunahme von 129’000 entspräche.
Im Millionärsvergleich mischt die Schweiz – wen überrascht es – ganz vorne mit: Bis 2027 könnten hierzulande laut der UBS 1,5 Millionen Millionäre leben – beinahe 40 Prozent mehr als 2022. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 gab es in der Schweiz «erst» 195'000 Millionäre. Wie ist das möglich? Viele Millionen werden an Kinder weitervererbt. Gleichzeitig verlegen immer häufiger Multimillionäre ihren Wohnsitz in die Schweiz, wovon der hiesige Finanzsektor stark profitiert. Seit Langem wirbt die Schweiz damit, ein geeignetes Zuhause für die Reichsten der Welt zu sein: Das Land bietet eine stabile Regierung und idyllische Landschaften, Rechtssicherheit und die Möglichkeit, anonym zu leben – und natürlich vorzügliche Steuerbedingungen: Nach wie vor können Anwält:innen hierzulande unbehelligt Offshore-Firmenkonstrukte erstellen und massgeschneiderte Finanzlösungen anbieten, um Steuern zu umgehen, illegale Aktivitäten zu verschleiern, Geld zu waschen oder der Justiz zu entgehen.
Wäre eine neue Steuer legitim?
Während weltweit die extreme Armut seit 2020 zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder zunimmt, steigt der extreme Wohlstand für einige wenige seit Beginn der Covid-Pandemie dramatisch. Den Superreichen gelingt es oft, ihr Vermögen vor den Steuerbehörden abzuschirmen, indem sie Briefkastenfirmen in Ländern mit niedrigen oder gar keinen Steuern gründen, oder Trusts oder Stiftungen erstellen, die von Steuervergünstigungen profitieren. Das internationale Netzwerk für Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network) hat berechnet, dass so jedes Jahr eine geschätzte Summe von rund 145 Milliarden US-Dollar an reiche Menschen «verloren» geht.
Bei den Vereinten Nationen (UNO) und in der Politik ist das Problem längst angekommen. Am vergangen G20 Gipfel in Brasilien berieten die Regierungen darüber, Individuen mit ultrahohen Vermögen mit koordinierten Steuererhöhungen zu belegen. Begründet wird dies mit (internationaler) Steuergerechtigkeit, aber auch mit Verursachergerechtigkeit, also damit, dass ultrareiche Menschen einen sehr grossen Klimafussabdruck haben, und damit auf Kosten der grossen Allgemeinheit leben. Die zusätzlichen Steuereinnahmen könnten zur Bewältigung globaler Herausforderungen beitragen – etwa um die weit über 800 Millionen Hungernden dieser Welt zu unterstützen oder um gemeinsam gegen die Biodiversitäts- und Klimakrise vorzugehen.
Der Ökonom Gabriel Zucman schätzt, dass die obersten 0,01 Prozent der Weltbevölkerung derzeit einen effektiven Steuersatz von nur 0,3 Prozent ihres Vermögens zahlen. Bereits eine zweiprozentige Abgabe der 2’682 Milliardäre (auf das Jahreseinkommen, auf Immobilienvermögen und Unternehmensbeteiligungen) könnte weltweit bis zu 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr einbringen. Belegte man Multimillionäre ebenfalls mit einer geringen, globalen Abgabe auf ihre Vermögen, kämen weitere wertvolle Milliarden hinzu. Vielversprechend ist der gegenwärtige Prozess rund um eine Steuerkonvention im Rahmen der UNO: Anders als im Rahmen der OECD verfügen dort auch die ärmsten Länder über eine Stimme, die garantiert, dass ihre spezifischen Bedingungen und Anliegen im internationalen Verteilkampf um Steuersubstrat der Allerreichsten angemessen berücksichtigt werden.
Fairer Beitrag zur Bewältigung globaler Krisen
Ärmere Länder im Süden, die übermässig und zunehmend unter der Erderhitzung leiden, fordern seit Jahren höhere Finanzmittel, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels auszugleichen. Vielversprechend sind Projekte des Grünen Klimafonds im nachhaltigen Energie- und Mobilitätsbereich. Aber auch die Globale Umweltfazilität (GEF) mit Fokus auf Gewässerschutz, Desertifikation und Klimaschutz sowie der Amazonas-Fonds, der auf die Reduzierung der Entwaldung im Amazonas, am Mekong, in Kongo-Brazzaville, in der Demokratischen Republik Kongo und auf Borneo abzielt.
Allerdings wären viel grössere Anstrengungen nötig. Erneut deutlich wurde dies an der UNO-Klimakonferenz COP29 in Baku: Zwar vereinbarten die Regierungen erstmalig seit über 15 Jahren ein höheres Ziel für die internationale Klimafinanzierung: Entwicklungsländer sollen ab 2035 mit 300 Milliarden US-Dollar jährlich bei der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung unterstützt werden. Gleichzeitig anerkannten die Länder aber auch, dass eigentlich mindestens 1,3 Billionen US-Dollar jährlich erforderlich wären, um die Klimakrise bewältigen zu können. Die angedachte «Super-Reichen-Steuer» wäre definitiv ein wichtiger, legitimer und fairer Beitrag, um diese Lücke zu schliessen.