Vom 11. bis am 22. November findet in Baku, Aserbaidschan, die diesjährige UNO-Klimakonferenz statt. Die Zeit drängt immer mehr, tragfähige Lösungen zu finden, um der Klimaherausforderung gemeinsam, entschieden und erfolgreich entgegenzutreten.
Auf 1,5 Grad muss die globale Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt werden. 1,5 Grad ist weder eine willkürliche Zahl noch eine politische. Sie widerspiegelt eine wissenschaftlich belegte planetarische Grenze. Jedes Zehntelgrad mehr ist gefährlich. 2024 ist die Erde bereits bedrohlich nahe an der 1,5-Grad-Schwelle. Gemeinsames Handeln tut dringend Not.
Weniger Kompensation, klimafreundliche Finanzströme
Die Schweiz erwärmt sich überdurchschnittlich stark und leidet selbst unter zunehmenden Extremwetterereignissen. Unser Interesse ist daher gross, dass die Welt tragfähige Lösungen erzielt und die Klimaherausforderung erfolgreich angeht. Vor einem Jahr hat sich die Staatengemeinschaft auf den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas bis 2050 geeinigt. Ein Meilenstein. Auch für die Schweiz ist der Schritt wichtig. Als kleines Land ist sie darauf angewiesen, dass sämtliche Länder, vor allem jene mit grossem Treibhausgas-Ausstoss wie die USA, China, Indien, Brasilien, Indonesien, Saudi-Arabien oder Mexiko den Fossil-Ausstieg rasch und konsequent umsetzen.
An der diesjährigen Konferenz in Baku (COP29) müssen die international vereinbarten Klimaziele vorangetrieben werden. Die Regierungen dieser Welt haben bis am 10. Februar 2025 Zeit, bei der UNO neue und ambitioniertere nationale Klimaschutzziele, sog. Nationally Determined Contributions (NDC) einzureichen. Für die Schweiz stehen zwei Aspekte im Vordergrund: Sie muss den Klimaschutz im Inland vorantreiben, statt sich auf Kompensationen in ärmeren Ländern auszuruhen. Ausgerechnet im ersten CO2-Kompensationsprojekt überhaupt, kommt es zu Verletzungen der Arbeitsrechte. Müsste das bilaterale Kompensations-Abkommen mit der thailändischen Regierung sistiert werden, wäre das ein Rückschlag für die Schweiz, die wie kein anderes Land auf den zwischenstaatlichen Zertifikate-Handel setzt. Die durch die Schweiz geförderten E-Busse in Bangkok stellen das erste nach Artikel 6.2 des Pariser Klimaabkommens autorisierte Programm in Asien und das zweite weltweit dar.
Zweitens müssen Bundesrat und Parlament die internationalen Finanzströme aus der Schweiz heraus 1,5 Grad-kompatibel machen. Obwohl die Schweiz das Pariser Klimaabkommen ratifiziert hat, finanzieren Banken, Versicherungen und Pensionskassen weiterhin klima- und biodiversitätsschädigende Geschäfte – etwa Kohleabbau, Erdöl-Infrastrukturen, Fracking-Projekte und die Abholzung tropischer Regenwälder. Der Schweizer Finanzplatz verwaltet einen Viertel des weltweiten grenzüberschreitenden Vermögens. Folglich halten hiesige Finanzinstitute einen enorm wirksamen internationalen «Hebel» zur Eindämmung der Klima- und Biodiversitätskrise in der Hand. Ein nachhaltiger und verantwortungsvoller Finanzplatz ist der Schlüssel zur Umsetzung der Vereinbarung der COP28 vom letzten Jahr, die vorsieht, bis 2030 den Anteil erneuerbarer Energien zu verdreifachen.
Unterstützung von internationalem Klimaschutz
In ärmeren Ländern kann der Übergang zu erneuerbaren Energien nur gelingen, wenn sie bedeutend stärker unterstützt werden. Die internationale Klimapolitik legt fest, dass die Industriestaaten und «historischen Verursacher» der Klimakrise den Globalen Süden ab 2020 mit jährlich 100 Mrd. US-Dollar unterstützen müssen. Mit der «internationalen Klimafinanzierung» verfolgt die Staatengemeinschaft zwei Ziele: Einerseits die Anpassung an negative Klimafolgen, andererseits die Beschleunigung eines nachhaltigen und inklusiven Übergangs zu erneuerbaren Technologien (Just Transition).
An der COP29 werden die Regierungen ein neues, höheres Ziel für die internationale Klimafinanzierung aushandeln, das sogenannte New Collective Quantified Goal (NCQG). Angesichts des steigenden Bedarfs weltweit kursiert die realistische Zahl von über einer Billion US-Dollar pro Jahr. Unterschiedlich sind dabei die Vorstellungen, ob die Gelder in Form von Krediten oder aus öffentlichen Mitteln, also à fonds perdu geleistet werden sollten. Nebst der Art und Höhe der Mittel ist deren Herkunft entscheidend. Klar ist: Zwecks Verursachergerechtigkeit und um die staatlichen Budgets zu entlasten, müssen sich Firmen, die mit ihrer Geschäftstätigkeit gegen Lösungen für die Klimakrise wirtschaften, an der öffentlichen Klimafinanzierung beteiligen.
Ein Bericht, der im Auftrag des BAFU erarbeitet wurde, zeigt zahlreiche und gangbare Wege auf, wie die Schweiz nebst Geldern aus dem Budget der Entwicklungszusammenarbeit zusätzlich notwendige Finanzmittel verursachergerecht mobilisieren kann. Die Studie schlägt z.B. vor, bestehende Steuern wie die Mineralöl- oder Autobahnsteuer zu erhöhen, oder neue Steuern einzuführen, etwa eine Gewinn- oder Umsatzabgabe auf den Handel mit Erdöl, Gas und Kohle. Vorgeschlagen werden auch neue Abgaben im Luft- und Seeverkehr sowie eine Steuer auf grosse Vermögen und Erbschaften.
Obwohl der finanzielle Spielraum im Rahmen des Entwicklungsbudgets ausgeschöpft ist und das Thema dringlich ist, lässt sich der Bundesrat Zeit. Viel Zeit. Nicht wie vorgesehen bis Ende 2023, sondern frühestens im Sommer 2025 will er sich über den Bericht beugen. Angesichts der Dringlichkeit ein Hohn. Das Vorgehen des Bundesrats grenzt an Arbeitsverweigerung, insbesondere, wenn man bedenkt, dass er für eine Reaktion auf den Gaillard Spar-Bericht gerade mal zwei Wochen Zeit brauchte, um Kürzungen auf Bundesebene von vier Milliarden Franken vorzuschlagen.
Präventive Anpassung und Schadensbekämpfung fair finanzieren
Finanzielle Unterstützung fehlt nicht nur bei der Dekarbonisierung. Geld fehlt den betroffenen Ländern auch für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Dabei würde jede Milliarde Dollar, die in Anpassung investiert wird, 14 Milliarden Dollar wirtschaftliche Schäden vermeiden, heisst es im aktuellen «Adaptation Gap Report» des UNO-Umweltprogramms UNEP. Anpassung rettet also nicht nur Existenzen und Menschenleben, sondern lohnt sich auch ökonomisch.
Hinzu kommt noch: Seit Anbeginn leisten die reichen Länder drei Viertel der «internationalen Klimafinanzierung» als Kredite. Damit verschulden sich ausgerechnet die Länder, die den Klimawandel nicht verschulden. Sie müssen für die oft lebensnotwendige Anpassung auch noch Zinsen zahlen. Schon heute wenden die Länder des globalen Südens fünfmal mehr für die Schuldentilgung auf als zur Bekämpfung der negativen Folgen der Klimakrise – ein Teufelskreis.
Heute deckt die Klimafinanzierung der Industriestaaten weniger als ein Zehntel der notwendigen Anpassungsmassnahmen im Süden. Immer grössere Schäden sind die Folge. Es ist daher ein winziger Lichtblick, dass die Regierungen nach einem Jahr harter Verhandlungen am vergangenen UNO-Klimagipfel einen Loss-and-Damage-Fonds beschlossen. Bedingungslos und pragmatisch können daraus nach einer Klimakatastrophen Betroffene für ihre Verluste entschädigt werden, wie jüngst in Malawi, wo 2700 Familien nach dem Wirbelsturm Freddy Entschädigungszahlungen auf ihr Handy überwiesen wurden.
Nach der Einigung auf der COP28 entschied der Vorstand des Fonds über die Politik der Institution; sein Vorschlag muss von den Regierungen an der COP29 genehmigt werden. Wie bei der Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung ist auch bei Loss and Damage Verursachergerechtigkeit zentral: Während die Regierungen der Industrieländer sagen, es sei kein Geld vorhanden, erzielen international tätige Konzerne Milliardengewinne aus fossilen Energien und CO2-intensiven Industrien. Es liegt auf der Hand, dass der angesprochene Privatsektor seinen Beitrag zur Wiedergutmachung der Schäden, die er verursacht, leistet.