Eine klare Antwort auf Trumps «Schocktherapie»

Stärkung der UNO und der Internationalen Zusammenarbeit
VON: Patrik Berlinger - 14. Februar 2025

Mit «America first» verfolgt Präsident Trump knallharte Eigeninteressen ohne Rücksicht auf Verluste und Menschenleben. Europa und die Schweiz sind gefordert. Nur eine gemeinsame Vorwärts-Strategie kann die regel-basierte Weltordnung und das friedenssichernde, multilaterale UN-System retten und die Vision einer klimaverträglichen und gerechten Welt am Leben erhalten. Als starkes Signal müssen Bundesrat und Parlament ihre Kürzungen bei der Internationalen Zusammenarbeit zurücknehmen. 

In der Wintersession 2024 verabschiedete das Schweizer Parlament die neue Strategie der Internationalen Zusammenarbeit (IZA) für die Jahre 2025 bis 2028. Mit Ihrer IZA unterstützt die Schweiz humanitäre Hilfe, Kleinunternehmen und menschenwürdige Arbeitsplätze, Klima- und Umweltschutz sowie die Förderung von Demokratie und Frieden. Damit ist die Internationale Zusammenarbeit DAS Instrument, mit dem die Schweiz den weltweiten Herausforderungen begegnet. Sie leistet entscheidende Beiträge zur Bewältigung der Erderwärmung, von regionalen und globalen Gesundheitskrisen und für die zivile Friedensförderung. Und sie stärkt demokratische Strukturen und die lokale Wirtschaft – und schafft dadurch für unzählige Menschen Perspektiven vor Ort. 

Im Zentrum der parlamentarischen Debatte standen allerdings nicht die thematischen Schwerpunkte und Ziele der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Vielmehr ging es der Mehrheit im Parlament vor allem darum, die IZA zugunsten der Schweizer Armee deutlich zu verschlanken. Sowohl in der parlamentarischen als auch in der medialen Debatte ging unter, dass die IZA erwiesenermassen eine tragende Stütze eines umfassenden Sicherheitsverständnisses ist und so entscheidend zu weltweiter Stabilität und zum Wohlstand (ja, auch hierzulande) beiträgt. Am Ende beschloss das Parlament nicht nur keine zusätzlichen Gelder für die dringend notwendige Ukrainehilfe, sondern darüber hinaus Millionenkürzungen beim 4-jährigen Zahlungsrahmen der IZA (-151 Millionen Franken). Aussagekräftiger ist allerdings, dass die Parlamentsmehrheit allein für das Jahr 2025 Budgetkürzungen von 110 Millionen Franken durchbrachte, um eine rasche Erhöhung der Mittel für das Militär zu ermöglichen. 

Und das Sparen geht weiter: Gemäss Finanzplan für die Jahre 2026, 2027 und 2028 sowie den Entscheiden des Bundesrates hinsichtlich der Überprüfung der Bundesaufgaben – dem sog. «Entlastungspaket 27» – ist mit nochmaligen Kürzungen von mindestens 321 Millionen bis zum Ende der laufenden IZA-Strategieperiode zu rechnen. Dies, obwohl die Bundesfinanzen einmal mehr deutlich besser als budgetiert ausfallen und alternative, «einnahmeseitige» Finanzierungsmodelle längst auf dem Tisch liegen, mit denen schmerzhafte Kürzungen bei der IZA und dem Klimaschutz vermieden werden könnten. So sorgt die bürgerliche Mehrheit in Bundesrat und Parlament dafür, dass sich die Schweiz in den kommenden Jahren noch stärker von der Zielmarke der UNO, wenigstens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung (BNE) für die Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen, entfernt. Bis 2028 rutscht die wohlhabende Schweiz (ohne Anrechnung von Asylkosten im Inland) auf unter die Hälfte des UN-Zielwerts ab. 

Kürzungen beim bilateralen Entwicklungsengagement 

Waren die Kürzungen im Dezember des vergangenen Jahres noch ein mehr oder weniger abstraktes Gedankenspiel, wird es nun konkret. Am 29. Januar 2025 informierte das Aussendepartement EDA, wie die vom Parlament beschlossenen Kürzungen umgesetzt werden: Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) lässt ihre bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Albanien, Bangladesch und Sambia auslaufen. Begründet wird der Schritt damit, dass die «Bedürfnisse vor Ort» nicht mehr so gross seien. Doch stimmt das? Albanien macht zwar Fortschritte, doch fehlende Perspektiven und weit verbreitete Korruption treiben nach wie vor zehntausende junge Leute ins Ausland. 

In Bangladesch sind Millionen Menschen durch Stürme, Überschwemmungen und das steigende Meer bedroht, während das Land eine fragile politische Transformation durchläuft. Statistisch ist das Land zwar weniger bedürftig, gleichzeitig ist es aber deutlich ungleicher geworden, sodass Millionen Menschen nach wie vor in bitterer Armut leben. Sambia wiederum leidet infolge der Erderhitzung an schlimmen und teuren Klimakatastrophen, Trockenheit und Hunger sowie an einer steigenden Staatsverschuldung – unter anderem, weil das Land immer wieder unter Steuervermeidung durch international tätige Rohstoffkonzerne leidet. 

Über Jahre hinweg haben die schweizerischen Programme in diesen Ländern zu Klimaanpassung und Ernährungssicherheit, zu sozialem Frieden und Stabilität beigetragen. Ihre Beendigung hat nicht nur unmittelbare und folgenschwere Auswirkungen auf die Bevölkerung vor Ort, sondern auch auf das Ansehen der Schweiz.  

Gefährliche Schwächung der UNO 

Auch bei der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit streicht die Schweiz Gelder zusammen, was sich negativ auf das «internationale Genf» mit seinen vielseitigen UNO-Organisationen auswirkt. Besonders einschneidend sind angesichts der «besorgniserregenden» Bilanz der Agenda 2030 bei Halbzeit die erneuten Beitragskürzungen für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), das sich in finanzschwachen und fragilen Ländern für Armutsbekämpfung und die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) einsetzt. 

Ebenfalls problematisch sind die Kürzungen für UN Women und UNAids – im Jahr 2023 haben sich weltweit 1,3 Millionen Menschen neu mit HIV infiziert, dreimal mehr als das für 2025 gesetzte globale Ziel – sowie für das UN-Kinderhilfswerk Unicef. Die Organisation arbeitet in über 190 Ländern und Gebieten, um das Leben von Kindern zu retten, ihre Rechte zu verteidigen und ihnen zu helfen, ihr Potenzial auszuschöpfen. Ein aktueller Bericht zeigt, dass ohne ausreichende Massnahmen Kindern 2050 eine schwierige Zukunft droht in einer Welt, die sich durch extreme Wetterereignisse, demographische Entwicklungen und technologische Ungleichheiten verändert. 

Auch der International Development Association (IDA), einer Unterorganisation der Weltbank mit Fokus auf Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern, kürzt die Schweiz ihre Zuwendungen. Die IDA ist eine der grössten Hilfsquellen für die 78 einkommensschwächsten Länder und ermöglicht den Regierungen, Gesundheit, Bildung und soziale Dienstleistungen zu verbessern. Angesichts der hohen Verschuldung ärmerer Länder ist die IDA besonders wichtig, denn sie vergibt ihre Finanzmittel grösstenteils in Form von Zuschüssen, bei denen keine Rückzahlungen anfallen. 

Nun braucht es eine entwicklungspolitische Vorwärts-Strategie 

Die Schwächung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit und des «internationalen Genf» mit den zahlreichen UN-Organisationen kommt zur Unzeit. Denn in den ersten Wochen seiner Amtszeit stellt der US-amerikanische Präsident mit seiner «America first»-Strategie die internationale Zusammenarbeit und die multilaterale Nachkriegsordnung grundsätzlich in Frage.  

Die USA entziehen dem Palästinenserhilfswerk UNRWA die Finanzierung und verlassen die WHO, den UN-Menschenrechtsrat sowie das Pariser Klimaabkommen. Für andere UN-Unterorganisationen wie UNAids und die Internationale Organisation für Migration IOM steht die Unterstützung auf der Kippe. Und während bei weiteren Organisationen die Beitragszahlungen drastisch gekürzt werden, droht der landeseigenen Entwicklungsagentur USAID, dem Pendant zur Schweizer DEZA, sogar die Auflösung. Expert:innen warnen davor, dass die Regierung gerade eine Organisation zerschlägt, die Millionen von Menschen auf der ganzen Welt mit lebenswichtiger Hilfe versorgt, und die ein Instrument der freien, Menschenrechts-basierten Welt darstellt, was Mächten wie China und Russland Tür und Tor öffnet, um an Einfluss zu gewinnen. 

Die Schweiz ist gefordert: In der Frühlingssession können die Eidgenössischen Räte ihren Sparkurs bei der Internationalen Zusammenarbeit korrigieren. Es geht jetzt darum, Menschenleben zu retten und die regel-basierte Weltordnung und das friedenssichernde, multilaterale UN-System nicht noch stärker zu schwächen. Das Signal würde bestimmt europaweit gehört und anerkannt – und bestenfalls kopiert.  

Patrik Berlinger | © Maurice K. Gruenig
Verantwortlicher Politische Kommunikation
© UNDP

Das UNO-Entwicklungsprogramm ist unverzichtbar

DEZA-Kürzungen beim UNDP schaden den Ärmsten, aber auch der Schweiz
KALIMANTAN_Coal Mine in Borneo | © Konzernverantwortung.ch

Konzernverantwortung zum Zweiten

Warum abwarten für die Schweiz keine gute Strategie ist
© Keystone/AP/Damian Dovarganes

Wundermittel Meerwasser-Entsalzung

Trinkwasser aus dem Meer macht nur mit Sonnenenergie Sinn