© Keystone/AP/Damian Dovarganes

Wundermittel Meerwasser-Entsalzung

Trinkwasser aus dem Meer macht nur mit Sonnenenergie Sinn
VON: Patrik Berlinger - 14. Februar 2025
© Keystone/AP/Damian Dovarganes

Im Meerwasser liegen viele Hoffnungen. Es soll helfen, den zunehmenden Wassermangel zu beheben. Doch der Preis ist aufgrund des hohen Energieverbrauchs und negativer Umweltauswirkungen hoch. Das muss aber nicht sein, wenn Entsalzungsanlagen mit erneuerbarer Energie betrieben und das aufbereitete Wasser nicht für eine exportorientierte Landwirtschaft eingesetzt werden. Zudem brauchen auch ärmere Länder Zugang zu entsalztem Wasser.  

Wasser ist Leben. Gleichzeitig bringt Wasser Gefahren und Zerstörung. Steigende Temperaturen lassen Polkappen und Gletscher schmelzen und die Meeresspiegel ansteigen. Überall auf der Welt verändern sich derzeit die Niederschlagsmuster. Extreme Wetter wie zerstörerische Fluten und lebensbedrohliche Trockenheit und Dürren nehmen zu und werden mit jedem Zehntel Grad Klimaerwärmung noch wahrscheinlicher

Schon heute leiden 25 Länder, Heimat für ein Viertel der Weltbevölkerung, unter extrem hohem «Wasserstress»: In vielen Regionen verschlechtert sich aufgrund steigender Temperaturen und sich ändernder Niederschlagsmuster die Verfügbarkeit von Süsswasser. Ein zu hoher Wasserverbrauch für die Industrie und die grossflächige Landwirtschaft lassen Grundwasser, Bäche und Flüsse austrocknen. Zudem verschmutzen Pestizide und Industrieabfälle wichtige Süsswasserquellen, was ebenfalls zu Wasserknappheit beiträgt. 

Zentral für die Menschen überall ist ein gerechter und nachhaltiger Umgang mit Wasser. So wird künftig eine Nahrungsmittelproduktion nach agrarökologischen Ansätzen, die Wasser sparsam einsetzt und die Böden und das Klima schont, immer wichtiger. Und weil 153 Länder Wasser mit einem anderen Staat teilen, müssen grenzüberschreitende Vereinbarungen getroffen werden, damit die gemeinsamen Wasserreserven massvoll und zum gegenseitigen Vorteil genutzt werden. Drohen Konflikte um Wasser, sind Dialogplattformen und «Wasserdiplomatie», z.B. die Schweizer «Blue Peace Initiative», gefragt, um die verschiedenen Anrainerländer an einen Tisch zu bringen und nach Lösungen zu suchen. So kann Wasser zu einem Instrument des Friedens werden.  

Der Bedarf an sauberem und verfügbarem Wasser steigt 

Ein weiterer Lösungsansatz ist die Entsalzung von Meerwasser, um zusätzliches Süsswasser zu gewinnen: Ozeane bedecken 71 Prozent der Erdoberfläche. Nur bei gerade mal 2,5 Prozent handelt es sich um Süsswasser – mehr als zwei Drittel davon gebunden in Form von Eis, Gletschern oder Schnee. Weniger als ein Prozent ist letztlich als Trinkwasser nutzbar. Könnte der steigende Durst der Weltbevölkerung mit verarbeitetem Salzwasser gestillt werden, wäre dies wahrlich ein «game-changer». 

Wenig erstaunlich hat sich die Entsalzungstechnik in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Rund 300 Millionen Menschen weltweit nutzen schon heute entsalztes Meerwasser – Tendenz stark steigend. Es gibt etwa 20’000 Entsalzungsanalagen, die meisten auf der Arabischen Halbinsel und in den USA. In Europa ist Spanien mit 770 Anlagen führend. Die grössten Produzenten von entsalztem Wasser pro Person sind Länder wie Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Kuwait, Israel, Oman und Saudi-Arabien. 

Im Jahr 2023 wurde der globale Markt für Entsalzungsanlagen und -technologie auf rund 16 Milliarden US-Dollar geschätzt. Expert:innen gehen von jährlichen Wachstumsraten von über 9 Prozent aus. Dominierten bis in die 1960er Jahre thermische Verfahren, bei denen das Salzwasser erhitzt wird und zu Süsswasser kondensiert, hat sich heute die Umkehrosmose durchgesetzt. Dabei wird gereinigtes Meerwasser unter hohem Druck durch Rohre gepresst, in denen sich semipermeable Membranen befinden. Durch diese gelangen nur die Wassermoleküle. Salz und andere Mineralien werden zurückgehalten.  

Teuer, aufwändig und umweltschädlich 

Dank effizienten Pumpen und einer besseren Transporttechnik sinken zwar die Energiekosten. Doch im Vergleich zur herkömmlichen Trinkwassergewinnung aus Quellen und Flüssen ist Entsalzung immer noch sehr teuer und aufwändig. In Barcelona, wo über ein Viertel des Trinkwassers aus dem Mittelmeer stammt, kostet die Herstellung von 1000 Litern etwa 70 Euro Cent.  

Entsalzung ist je nach Energiequelle auch ein gravierendes Problem für das Klima. Vereinzelt gibt es zwar kleinere, dezentrale Projekte, etwa auf den Kanarischen Inseln, die Trinkwasser mit Hilfe von erneuerbaren Energien erzeugen. Auf der Arabischen Halbinsel jedoch, wo die grössten Anlagen stehen, wird Strom nach wie vor überwiegend aus Gas und Öl erzeugt. Und auch in den USA stammt der grösste Anteil des Strommix’ nach wie vor aus fossilen Quellen. Werkeigene Photovoltaik- oder Windenergieanlagen bräuchten viel Platz, woran es gerade in dicht besiedelten Küstenregionen mangelt. 

Immer öfter bewässern Landwirt:innen riesige Felder und Plantagen mit entsalztem Wasser, so etwa in Spanien. Wo Trinkwasser eh schon knapp ist und angesichts der Folgen des Klimawandels ist das aber höchst problematisch. Entsalztes Wasser sollte nicht genutzt werden, um neue Agrarflächen zu erschliessen, deren Produkte exportiert werden. Besser wäre es, Konsummuster zu überdenken und davon wegzukommen, dass alle Arten von Obst und Gemüse immer und überall verfügbar sein müssen. 

Bleiben die ökologischen Probleme: Entsalzungsanlagen verursachen Salzlauge, die chemische Rückstände enthalten kann. Weltweit gültige und griffige Standards für den Umgang mit diesem Abfallprodukt fehlen. Aus Kostengründen, und weil es an industrieller Nutzung mangelt, wird das Konzentrat zurück ins Meer geschüttet, wo es die Ökosysteme unter Wasser schädigen kann. Abhilfe schafft, die Lauge mit gereinigtem Abwasser aus Kläranlagen zu vermischen, bevor sie wieder ins Meer geführt wird – allerdings nur, wenn das weit draussen im Meer geschieht. So könnten ökologische Schäden minimiert werden, doch gemacht wird das noch viel zu selten.  

Mit neuen Methoden zum Erfolg – auch in ärmeren Ländern? 

Länder mit mittlerem und hohem Einkommen sind für weit über 90 Prozent der Entsalzung verantwortlich. Dabei sind es doch gerade die ärmsten Länder, etwa in Afrika südlich der Sahara, die bis 2050 zu «Hotspots» der Wasserknappheit werden, also unter lebensbedrohlichem «Wasserstress» leiden.

Selbst wenn diese Länder das Regenwasser effizienter nutzen, ihr Abwasser aufbereiten und wiederverwenden und mehr Zisternen oder Stauseen bauen – auf die Entsalzung von Meerwasser können sie künftig kaum verzichten, um dem klimabedingten Wassermangel zu entgehen. Hoffnung macht, dass vermehrt auch kleinere solar- oder windbetriebenen und vom Stromnetz unabhängige Entsalzungsanlagen entwickelt werden. Allerdings glauben wenige, dass diese auch die marginalisierten Siedlungen und Gemeinden erreichen, die sie am dringendsten benötigen. Nichtsdestotrotz: dezentrale, kleinräumige Entsalzung von Meerwasser mit Hilfe von Solarenergie ist eine Chancen für ärmere Länder und sollte daher weiterentwickelt und gefördert werden. 

Und hoffen bleibt erlaubt: Neue Technologien, z.B. jene von Desolenator, geben vor, die weltweit erste solarthermische Entsalzungslösung zu sein, die in grossem Massstab funktioniert. Die Technologie nutzt Solar-Panels und reduziert dadurch die CO2-Emissionen gegenüber der Umkehrosmose um ein Vielfaches. Sie lässt Salzwasser verdunsten und sammelt den reinen Wasserdampf. Dabei entsteht nur wenig ungiftige Salzlauge oder gar kein Abwasser, weil gleichzeitig Salz gewonnen wird. Interessanterweise lassen sich aus diesem Salz durch sogenannte Nanofiltration Mineralien gewinnen: Kalzium, Magnesium, Natrium, Chlorid und sogar Lithium. 

Es steht ausser Frage: die Entsalzung von Meerwasser ist ein Thema, das die Menschheit noch lange beschäftigen wird. 

Patrik Berlinger | © Maurice K. Gruenig
Verantwortlicher Politische Kommunikation
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