Die jungen Gesellschaften Subsahara-Afrikas verfügen über ein beträchtliches Entwicklungspotenzial. Doch dies verlangt eine gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Transformation. Voraussetzung dafür sind eine verantwortungsvolle Regierungsführung, eine verbesserte Infrastruktur, Investitionen in Schulbildung und Berufsbildung und gute Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten. Fünf Handlungsfelder weisen den Weg.
Die verschiedenen, teilweise widersprüchlichen Entwicklungen in Subsahara-Afrika ziehen die politische und mediale Aufmerksamkeit auf sich. Die Menge an Analysen, Strategiepapieren und Aktionsplänen internationaler Institutionen, Organisationen und Think Tanks ist unüberschaubar geworden. Diese spiegeln die ganze Spannbreite von grossem Optimismus bis hin zu düsteren Zukunftsprognosen: Je nach Standpunkt rücken autokratische Regimes oder demokratische Fortschritte, Armut und Rohstoffausbeutung oder kreatives und innovatives Unternehmertum, ungebremstes Bevölkerungswachstum oder das Potenzial einer jungen Bevölkerung in den Fokus.
Die Agenda 2063 der Afrikanischen Union
Auffallend ist, dass dabei kaum auf die «Agenda 2063: The Africa We Want» der Afrikanischen Union Bezug genommen wird. 2013 verabschiedet, zielt sie auf eine umfassende Transformation Afrikas mittels «inklusiver sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung, kontinentaler und regionaler Integration, demokratischer Regierungsführung sowie Frieden und Sicherheit». Eine Agenda alleine genügt noch nicht, doch ihre Stossrichtung verdient internationale Unterstützung. Denn das Entwicklungspotenzial Subsahara-Afrikas ist beträchtlich. In vielen Ländern gibt es junge und innovative Unternehmen, die landesweit und über die Grenzen hinweg tätig sind.
Doch braucht es den politischen Willen aller Akteure, die nach wie vor enormen Hürden wie Ungleichheit, Gewalt und schlechte Infrastruktur gemeinsam anzupacken. Als besondere Herausforderungen erweisen sich dabei das Bevölkerungswachstum, die Urbanisierung, die Folgen des Klimawandels, die schwache politische Legitimation vieler Staaten sowie Defizite in der Schul- und Berufsbildung. Für die Zukunft ist entscheidend, ob es gelingen wird, diese Herausforderungen zu meistern.
Die Wirtschaft Afrikas ist überwiegend informell, in ländlichen Gebieten ebenso wie in urbanen. Eine inklusive, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung mit flächendeckenden Beschäftigungsangeboten kann daher nur gelingen und gefestigt werden, wenn Afrikas Gesellschaften, Regierungen und Unternehmen gemeinsam auf eine sozial- und umweltverträgliche Weiterentwicklung auch des informellen Sektors hinarbeiten. Dabei müssen Volkswirtschaften diversifizieren und ihre Produktivität und Innovationskraft steigern, Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen und sicherstellen, dass die Gewinne der ganzen Bevölkerung zugutekommen – auf dem Land ebenso wie in den Städten.
Fünf Handlungsfelder einer Transformation
Wie im aktuellen Helvetas-Diskussionspapier «Aufbruch in Afrika» ausgeführt, müssen für die angestrebte gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation fünf Handlungsfelder im Zentrum stehen. Diese setzen ein demokratisches Miteinander von Staat, Privatsektor und Zivilgesellschaft voraus.
1. Gute Regierungsführung durchsetzen: Die schwache Staatlichkeit und autokratischen Machtstrukturen vieler Länder müssen einem stabilen Politikrahmen mit demokratisch legitimierten Regierungen weichen, mit Rechtsstaatlichkeit und -gleichheit und einer Verwaltung, die der Bevölkerung den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen sichert. Erste Aufgabe ist die Sicherstellung von Infrastruktur wie Transport- und Kommunikationswesen, saubere Energie, Wasserversorgung sowie ein allen zugängliches Bildungs- und Gesundheitssystem.
2. Inklusive Wirtschaft und panafrikanischen Handel verstärken: Kernstück der Transformation ist eine inklusive Wirtschaftspolitik, die dem formellen ebenso wie dem informellen Sektor gerecht wird, auf technologische und beschäftigungswirksame Verbesserungen setzt und dabei die Bedürfnisse der ganzen Bevölkerung im Auge hat. Im Fokus stehen sozial- und umweltverträgliche Investitionen in die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), in einen sanften Tourismus und einen nachhaltigen Agrarsektor, aber auch in eine verarbeitende und Dienstleistungsindustrie im urbanen Raum, um die dortige Nachfrage nach Gütern befriedigen zu können. Gleichzeitig soll ein panafrikanischer Binnenmarkt mit Sozial- und Umweltstandards aufgebaut werden, auf Grundlage des 2019 in Kraft getretenen Afrikanischen Freihandelsabkommens.
3. Junge Bevölkerung und ihr Potenzial fördern: Grosse Teile der jungen Bevölkerung sind mobil, gut informiert, motiviert und stellen ein grosses Potenzial für eine nachhaltige Entwicklung dar. Dies kann weiter vorangebracht werden, wenn flächendeckend in Bildung investiert wird: in ein qualitativ hochstehendes und gut ausgestattetes Schulsystem ebenso wie in eine differenzierte, praxis-orientierte und beschäftigungswirksame Berufsbildung, die sich laufend mit neuem Wissen an arbeitsmarktliche und gesellschaftliche Veränderungen anpassen und weiterentwickeln muss. Zudem sollen junge Menschen animiert und befähigt werden, kleine Unternehmen ("Start-ups") zu gründen. Schliesslich kann ein freier, einheitlich geregelter panafrikanischer Personen- und Güterverkehr Innovation und Wissenstransfer fördern und zur Entwicklung lokaler und regionaler Wirtschaftsräume beitragen.
4. Frauen wirtschaftlich und gesellschaftlich stärken: Die Mitsprache in Gesellschaft und Familie, das Überwinden kultureller Barrieren, Informationen über Frauenrechte und insbesondere Beschäftigung über die familiären Care-Aufgaben hinaus ermöglichen Frauen ein selbstbestimmtes Leben. Dank Schul- und Berufsbildung verändern sie den traditionellen Alltag, ergreifen wirtschaftliche Chancen, die zur sozialen Mobilität und politischen Teilhabe beitragen. Dank ausgebautem Gesundheitssektor und Familienberatung mit selbstbestimmtem Zugang zu Sexualaufklärung und Verhütung sinken zudem die Kindersterblichkeit und die Fertilitätsraten.
5. Klima-Resilienz steigern: Die Stärkung der Widerstandskraft gegen Bedrohungen wie Dürren, Überschwemmungen, Stürme oder den Anstieg des Meeresspiegels als Folgen des Klimawandels hat höchste Priorität. Dazu gehören eine schrittweise Produktivitätssteigerung des Agrarsektors mit innovativen, am Klimawandel angepassten Methoden, aber auch Bewässerungssysteme und traditionelle Nutzpflanzen, um Erosion zu verhindern und Bodenfruchtbarkeit zu erhalten. Mit Aufforstungsmassnahmen müssen die Desertifikation aufgehalten und Ackerland geschützt werden. Nötig sind Investitionen in eine klimasensitive Infrastruktur und in erneuerbare Energien und die gleichzeitige Weiterentwicklung klimafreundlicher Technologien. Mit ökologisch nachhaltiger Stadtentwicklung und-planung können Land und Ressourcen nachhaltiger genutzt werden. Küstendeiche, Kanäle und wo nötig Gezeitenbauwerke, die bei Flut geschlossen werden und bei starken Regenfällen das Wasser abfliessen lassen, können dazu beitragen, besonders gefährdete Orte zu schützen.