© Helvetas Kyrgyzstan

Trotz hoher Wirksamkeit weniger Gelder von der Deza

VON: Matthias Herfeldt - 16. August 2019
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Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) hat im Juli die neuen «DEZA-Richtlinien für die Zusammenarbeit mit Schweizer NGO» veröffentlicht. Diese sogenannte NGO-Policy hat bei den betroffenen Entwicklungsorganisationen für heftige Diskussionen gesorgt. Die Qualität der NGO-Arbeit und deren Wirkung werden ausdrücklich gewürdigt, gleichzeitig kürzt ihnen die DEZA die Beiträge. Das ergibt wenig Sinn.

Nichtregierungsorganisationen (NGO) sind für die DEZA wichtige Akteure in der internationalen Zusammenarbeit, «aufgrund ihrer ausgewiesenen Kompetenzen, ihrer langjährigen Präsenz in verschiedenen Ländern und ihrer fundierten Kenntnisse der Kontexte», wie es im Entwurf zum Erläuternden Bericht über die internationale Zusammenarbeit 2021-2024 heisst. Denn «sie engagieren sich für die Ärmsten, sind in der Nothilfe und im Bereich der nachhaltigen Entwicklung aktiv und spielen eine wichtige Rolle bei der Einforderung und Kontrolle der öffentlichen Rechenschaftspflicht». Diese Wertschätzung der NGO und ihrer Rolle als relevante zivilgesellschaftliche Akteure findet auch in der neuen NGO-Policy der DEZA ihren Ausdruck.

Schweizer NGO ergänzen die Entwicklungsbestrebungen des Bundes namentlich bei der Demokratieförderung und Einhaltung der Menschenrechte. In Entwicklungsländern mit fragilen staatlichen Strukturen oder autoritären Regierungen sind der DEZA selbst oft die Hände gebunden. Den Aufbau einer funktionierenden Zivilgesellschaft zu fördern, die sich für die demokratische Mitwirkung und politischen Rechte der Bevölkerung stark macht, wie dies Helvetas beispielsweise in Myanmar oder Laos tut, wäre für die offizielle Schweiz eine schwierige Aufgabe und könnte zu diplomatischen Verstimmungen führen. Auch in der humanitären Hilfe nach Naturkatastrophen oder Gewaltkonflikten sind NGO geschätzte Partner, ohne die der Bund seine entwicklungspolitischen Ziele nicht erreichen könnte. Dass mit der NGO-Policy ein klarer Rahmen für die Zusammenarbeit vorliegt, wird von den NGO positiv gewertet.

Umstrittene Neuerungen

Hingegen sind die Neuerungen bei der Vergabe der Gelder, die ebenfalls in der NGO-Policy geregelt ist, bei NGO und Fachleuten umstritten, insbesondere die sogenannten «Programmbeiträge». Einige Organisationen, darunter auch Helvetas, werden ab 2021 mit deutlich weniger Programmbeitragsmittel auskommen müssen. Andere müssen sich zu Allianzen zusammenschliessen, um weiterhin oder neu Gelder vom Bund zu erhalten. Die neue Regelung mag auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen: die grossen Organisationen, die bisher am meisten erhalten haben, geben etwas ab, damit das verfügbare Geld gleichmässiger verteilt werden kann. Zudem verringert die DEZA mit der geforderten Allianzbildung ihren Aufwand, weil sie weniger Ansprechpartner haben wird. Doch damit wälzt sie den administrativen Aufwand einfach auf die Allianzmitglieder ab und verstärkt das Giesskannenprinzip, indem alle Empfänger nach einem einheitlichen Schlüssel bedacht werden, ohne die Qualität und Wirksamkeit ihrer Arbeit zu berücksichtigen.

Der Mechanismus der Programmbeiträge ist einfach: Die DEZA beteiligt sich finanziell am gesamten Hilfsprogramm einer Schweizer NGO, bisher mit maximal 50 Prozent, neu nur noch mit 30-40 Prozent. Damit erreicht die DEZA einen beträchtlichen Multiplikationseffekt: ein gutes Argument für Steuerzahler und Spenderinnen. Jeder Franken, der gespendet wird, wird bis jetzt mit Bundesmitteln verdoppelt – oder umgekehrt: jeder Steuerfranken für die Entwicklungszusammenarbeit wird durch den gleichen Betrag an Spenden von Privaten, Stiftungen oder Unternehmen erhöht. Werden die Programmbeiträge nun reduziert, verlieren sie diesbezüglich an Attraktivität, da eine NGO dann für jeden Steuerfranken selbst zwei Franken generieren muss.

Grosse Wirkung, weniger Mittel

Eine 2017 im Auftrag der DEZA durchgeführte externe Evaluation hat gezeigt, dass Programmbeiträge auch im internationalen Vergleich ein sehr effizientes und wirksames Instrument mit hoher Zielerreichung sind. Dieses Ergebnis hätte eigentlich nahegelegt, das DEZA-Budget für die Programmbeiträge auszuweiten. Dadurch hätten zusätzliche, kleinere Organisationen mit ergänzenden Nischenaktivitäten berücksichtigt werden können, ohne die Programmbeiträge für grosse NGO zu kürzen und Skaleneffekte zu beschneiden. Kleinere NGO werden nun aber gezwungen, aus finanziellen Gründen Allianzen einzugehen – und nicht aus strategischen Überlegungen. Die neu geltende Regelung orientiert sich auch nicht daran, ob die engere Zusammenarbeit mehrerer Organisationen Synergien bringt (zum Beispiel durch sich ergänzende Netzwerke von Partnern in einem Projektland) und damit den Menschen vor Ort mehr Hilfe zukommt. Es hat den Anschein, dass es der DEZA vor allem darum geht, den Aufwand zu reduzieren. Der damit entstehende Mehraufwand der Allianzmitglieder dürfte letztlich auf Kosten der Mittel für die Armutsbekämpfung gehen. Anreize für strategisch sinnvolle Allianzbildungen zu setzen, macht grundsätzlich Sinn, aber mit zusätzlichen Mitteln, nicht mit finanziellem Druck.

Eine massvolle Budgetanhebung für Programmbeiträge würde nicht automatisch höhere Budgets für die Entwicklungszusammenarbeit als Ganzes bedeuten, da durchaus Spielraum für eine saldoneutrale Umschichtung vorhanden wäre. Seit 2015 liegt die Gesamtsumme der Programmbeiträge bei 124 bis 131 Millionen CHF jährlich, was etwa 6 Prozent der Ausgaben für die Südzusammenarbeit, Ostzusammenarbeit und Humanitäre Hilfe der DEZA entspricht. Laut NGO-Policy werden die Programmbeiträge über diese DEZA-Budgetlinien finanziert. Im Übrigen stünden deutlich mehr Entwicklungsgelder zur Verfügung, würde der gültige Parlamentsbeschluss von 2011, 0,5% des Bruttonationaleinkommens für die «öffentliche Entwicklungshilfe» (APD) aufzuwenden, nicht deutlich unterschritten. Der Bundesrat möchte die APD bis 2024 aber weiterhin auf rund 0,45% des BNE begrenzen.

Programmbeiträge für Veränderungen

Ein wichtiger Vorteil der Programmbeiträge für die NGO und damit auch für die Begünstigten in den Projektländern ist die Planungssicherheit: Die DEZA-Beiträge werden auf der Basis eines detaillierten Programms gesprochen, das hinsichtlich Wirkungshypothesen und erwarteter Ergebnisse vorgängig gemeinsam diskutiert wird. Die vierjährige Programmdauer ermöglicht eine langfristige Planung und Umsetzung, was Projektpartnerschaften erlaubt und die Projekte für alle verlässlich macht. In Kombination mit den Spendengeldern tragen die Programmbeiträge so zu nachhaltiger Entwicklung bei.

Veränderungen, die bleiben, erreicht man nicht von heute auf morgen. Eine moderne Entwicklungszusammenarbeit zielt auf systemische Veränderungen und nimmt dabei alle relevanten Akteure und Prozesse in den Blick. Ein Beispiel aus der Helvetas-Arbeit in Kirgistan, wo wie in vielen anderen Ländern Wasser nicht immer und für alle in ausreichendem Ausmass verfügbar ist: Der Löwenanteil wird für die Bewässerung in der Landwirtschaft gebraucht. Zunächst hat Helvetas deshalb Bauernfamilien mit effizienten Bewässerungsmethoden vertraut gemacht, welche die vormals praktizierte Flutung von Feldern ablösen soll. Dann hat sie gemeinsam mit Wassernutzervereinigungen Lösungen erarbeitet, um die Wasserverteilung auf regionaler Ebene zu verbessern und damit Verteilungskonflikte zu bearbeiten. Schliesslich unterstützt sie diese Vereinigungen dabei, sich auf politischer Ebene für bessere Wassergesetze stark zu machen und mit dem nationalen Landwirtschaftsministerium nach Lösungen zu suchen. Denn erst wenn die rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen entsprechend angepasst werden, ist eine langfristige und flächendeckende Verbesserung der Situation möglich.

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Leiter Kommunikation
Matthias Herfeldt