Die Klima-Allianz hat den zweiten national festgelegten Beitrag (NDC) der Schweiz im Rahmen des Pariser Abkommens vertieft analysiert und bringt ihre tiefe Besorgnis zum Ausdruck. Weit davon entfernt, das Prinzip des „fairen Anteils“ (fair share) und die notwendigen Anforderungen zur Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C zu erfüllen, präsentiert die Schweiz weitgehend unzureichende Ziele, sowohl in Bezug auf die Emissionsreduktionen als auch auf die Klimagerechtigkeit und die Finanzierung.
Medienmitteilung der Klima-Allianz Schweiz, zu der Helvetas und andere Organisationen gehören.
Sektorspezifische Ziele, die nicht mit dem nationalen Ziel übereinstimmen: ein weiterer Beweis für die Inkohärenz der aktuellen Bundespolitik.
David Knecht, Klimaexperte bei Fastenaktion, ordnet ein: “Obwohl die Schweiz ihre sektoralen Pfade detailliert aufgeschlüsselt hat, reicht deren Addition nicht einmal aus, um das unzureichende Gesamtziel von -65 % Emissionen bis 2035 zu erreichen.” Abgesehen von diesem “Rechnungsfehler” bei den Schweizer Sektorzielen produziert der Bundesrat weitere Unstimmigkeiten. Im NDC verweist der Bundesrat gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft auf die Wirkung der nationalen Klimapolitik, und gleichzeitig beschliesst er, diese abzubauen. Patrick Hofstetter, WWF und Vorstandsmitglied der Klima-Allianz, erklärt: “Ein Beispiel ist das Gebäudeprogramm. Am Tag der Veröffentlichung des NDC, in dem der Bundesrat auf die Wirkung des Gebäudeprogramm hinweist, hat der Bundesrat beschlossen, für genau dieses Programm die Bundesgelder zu streichen. Diese Inkonsistenzen stellen die Fähigkeit der Schweiz, ihre eigenen Klimaverpflichtungen einzuhalten, in Frage.”
Unzureichende Reduktionen bei einem bereits ausgeschöpften Kohlenstoffbudget.
Das neue Ziel, die Emissionen bis 2035 um -65% im Vergleich zu 1990 zu reduzieren, ist völlig unzureichend. Die Schweiz präsentiert damit ein lineares Zwischenziel der im ersten NDC kommunizierten netto Null-Zielsetzung bis 2050. Die bis 2050 geplanten Emissionen bleiben gleich, womit das Gebot der Steigerung der Ambitionen, wie in Artikel 4, Absatz 3 des Übereinkommens von Paris vorgesehen, verletzt wird.
Georg Klingler, Greenpeace und Vorstandsmitglied der Klima-Allianz, erklärt: “Ohne Steigerung der Ambitionen kann die 1.5°C-Grenze nicht eingehalten werden. Mit diesem NDC plant die Schweiz eine massive Übernutzung des noch verbleibenden CO2-Budgets.”
Die Klimafinanzierung ist bei weitem nicht ausreichend.
Die Schweiz muss ihre Klimafinanzierung deutlich erhöhen, um dem tatsächlichen Bedarf gerecht zu werden. Bettina Dürr, Fastenaktion und Vorstandsmitglied der Klima-Allianz erläutert: “Die Schweiz muss den globalen Finanzierungsbedarf anerkennen und entsprechend ihrer Wirtschaftskraft rund 1% an den Bedarf der Entwicklungsländer beitragen. Dies entspricht jährlich rund 10 Milliarden US-Dollar, die nötig sind, um die am stärksten gefährdeten Länder im Globalen Süden zu unterstützen. Damit können betroffene Länder zum Beispiel Verluste und Schäden aufgrund von Klimaauswirkungen decken.”
Eine Klimapolitik, die die Menschenrechte mit Füssen tritt.
Mit diesem NDC ignoriert die Schweizer Regierung die Anforderungen des historischen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieses verlangt, dass die Schweiz ihre Emissionen so begrenzt, dass das noch verbleibende CO2-Budget für die Einhaltung der 1.5°C-Grenze nicht überschritten wird. Als reiches Land mit hohen historischen Emissionen müsste die Schweiz bis 2035 netto negative Emissionen erreichen. Dies müsste durch ein netto null Ziel im Inland mit zusätzlicher Unterstützung anderer Länder bei der Reduktion ihrer Emissionen erfolgen. Die von der Schweiz weiterhin geplante Anrechnung von Emissionsreduktionen aus anderen Ländern an die Landes-Zielsetzungen verwässert die Ambitionen und muss dringend gestoppt werden.
Die Klima-Allianz fordert eine Reaktion des Bundesrates.
Wir erwarten Folgendes:
- Die Schweiz muss bei zukünftigen Verpflichtungen ehrgeiziger sein, indem sie die Tatsache berücksichtigt, dass ihr CO2-Budget bereits überschritten ist, und sie muss ihr Engagement für den Ausstieg aus fossilen Energien endgültig verankern. Die Anrechnung von Emissionsreduktionen in anderen Ländern muss gestoppt werden.
- Die Schweiz muss ihre globale Verantwortung stärker wahrnehmen, indem sie sich mit 10 Milliarden US-Dollar pro Jahr an der Klimafinanzierung beteiligt und die Prinzipien der Klimagerechtigkeit beachtet.
- Die Schweiz muss schnell von Verpflichtungen zu konkreten Massnahmen übergehen und die Schweizer Klimapolitik muss mit diesen Verpflichtungen übereinstimmen, indem sie massiv in die Energiewende und die Gebäudesanierung investiert, anstatt Haushaltskürzungen vorzunehmen, die diese Bemühungen schwächen.
Zwei-Seiten-Analyse des NDC der Schweiz: LINK
Weitere Informationen:
Bettina Dürr
Programmverantwortliche Klimagerechtigkeit - Fastenaktion,
Vorstandsmitglied Klima-Allianz
duerr@fastenaktion.ch
079 745 43 53
David Knecht
Programmverantwortlicher Klimagerechtigkeit - Fastenaktion,
knecht@fastenaktion.ch
076 436 59 86
Georg Klingler Heiligtag
Klimaexperte - Greenpeace Schweiz,
Vorstandsmitglied Klima-Allianz,
georg.klingler@greenpeace.org
079 785 07 38
Patrick Hofstetter
Klimaschutzexperte - WWF Schweiz,
Vorstandsmitglied Klima-Allianz,
patrick.hofstetter@wwf.ch
076 305 67 37