Eromi war gerade daran, halbmondförmige Mulden in den trockenen, unfruchtbaren Boden seiner 25 Aren grossen Parzelle zu graben. In jede Mulde pflanzte er von Dünger umgebene Samen und füllte er eine kleine Kuhle Wasser, damit die Samen auskeimen können. Die Hirseernte aus der kleinen Parzelle würde Eromis Familie drei Monate lang ernähren. Wie sie nachher zurechtkommen würde, wusste Eromi nicht.
Auf internationaler Ebene allerdings ist der 4. November 2016 ein Tag zum Feiern. Nur elf Monate nach der Klimakonferenz von Paris ist das dort verabschiedete Klimaabkommen in Kraft getreten. Mit an Bord sind auch China und die USA, die wichtigsten Verursacher des Klimawandels. Die ungewöhnlich kurze Frist und die breite Unterstützung spiegeln den Handlungsdruck wider, der von der Gesellschaft ausgeht und der ein schnelles gemeinsames Vorgehen gegen die Ursachen und die Auswirkungen des Klimawandels fordert.
Ein neuer Bericht der US National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) zeigt, dass der August 2016 der wärmste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen war. Land- und Meerestemperaturen lagen 0,92 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Für das Ziel des Pariser Abkommens – die Erwärmung auf «deutlich unter» 2 Grad Celsius zu begrenzen – haben wir nur ein sehr kurzes Zeitfenster: weniger als ein Jahrzehnt. In dieser Zeit müssen wir den Hyperkonsum fossiler Brennstoffe drosseln und auf eine nachhaltigere Entwicklung umstellen.
In Eromis Dorf war das Jahr zu heiss, und starke Winde hatten den ausgetrockneten Boden erodiert. Ob und wann der Regen fällt, lässt sich nicht vorhersehen. Im einen Jahr herrscht Dürre und im nächsten gibt es Überschwemmungen. Früher erhielt Eromi Saanu von einem Nachbarn, der an einen Dienst von Mali Meteo angeschlossen war, die Wettervorhersagen für die nächsten 90 Tage. Aber seit dem Tod seines Nachbarn hat Eromi keine Langzeitprognosen mehr.
Was bedeutet das Übereinkommen von Paris für den Landwirt Eromi Saanu? Wie alle Unterzeichnerstaaten verpflichtet sich auch Mali, seine klimarelevanten Emissionen zu reduzieren, obwohl diese Emissionen mit 0,1 Tonnen pro Kopf 164-mal kleiner sind als die der USA. Ein von Helvetas unterstützter NGO-Bericht zeigt, dass diese Verpflichtungen von Entwicklungsländern weit höher ausgefallen sind, als es der fairen Verteilung der Emissionen entspricht. Gleichzeitig ist Mali wie zahlreiche Länder südlich der Sahara besonders von den Folgen des Klimawandels bedroht. Fair ist das nicht, obwohl das Abkommen von Paris mehrere Male von Fairness spricht.
Eromi hat in ein kleines chinesisches Solarmodul investiert, um das einzige Zimmer seines Hauses zu beleuchten. Damit spart er das Kerosin, das er früher in die Lampe einfüllte. Muss die Familie von Eromi nach dem Pariser Abkommen ihren ohnehin winzigen CO2-Fussabdruck noch weiter vermindern? Das kann er ebenso wenig wie sein Land als Ganzes. Kann er auf Unterstützung hoffen, um sich besser an die Folgen des Klimawandels anpassen zu können?
Das ist fraglich. Zwar enthält das Abkommen von Paris eine Verpflichtung, ab 2020 Klimaschutzmassnahmen im Umfang von 100 Milliarden USD zu tätigen. In der Vergangenheit flossen solche Gelder aber nur zu einem Sechstel in Anpassungsmassnahmen. Doch genau solche Unterstützung wäre es, die Eromi und seiner Familie helfen würde: Zugang zu Wetterdaten, sparsame Bewässerung, Wasserbecken und neue Nutzpflanzen.
Der Adaptation Fund und der neuere Green Climate Fund haben genau dieses Ziel. Sie wollen den Entwicklungsländern die Anpassung an die Folgen des Klimawandels erleichtern und sie dabei unterstützen, einen klimarobusten Entwicklungspfad einzuschlagen. Doch sie stehen unter Druck. Wegen der tiefen Öl- und Gaspreise steht der Adaptation Fund, der durch 2 % des Ertrags aus dem Markt für Kohlenstoff finanziert werden sollte, kurz vor dem Kollaps und wird abhängig von Mitteln zur Entwicklungszusammenarbeit. Wenn aber Fördermittel zum Klimaschutz mit Entwicklungszusammenarbeit und Armutsminderung konkurrieren, verlieren extrem arme Gemeinden wie die von Eromi das letzte bisschen Unterstützung. Die Unterstützung von Zaï oder die Pflege von Bauernvereinigungen fällt damit weg.
Die Gelder für Klimaschutz sind nicht nur knapp, sie werden auch schlecht eingesetzt. Seit mehr als einem Jahrzehnt gilt der Klimawandel eher als wissenschaftliches Problem. So flossen enorm viele Gelder in den Aufbau von Forschungskapazitäten, die den Klimawandel wissenschaftlich dokumentieren und beweisen. Jetzt aber muss es darum gehen, in den am stärksten bedrohten Ländern Kapazitäten zur Anpassung an den Klimawandel aufzubauen. Um Bauern wie Eromi Saanu zu erreichen, müssen nationale Akteure und Behörden aktiv werden und ihre Tätigkeiten koordinieren.
Für Eromis Heimatland Mali heisst das zum Beispiel, dass gezielt technische Mitarbeiter geschult werden, die Anpassungsmassnahmen an den Klimawandel gestalten und durchführen können. Techniker, die sich an Eromis Bedürfnissen und Sorgen orientieren. Sie müssen auch Systeme wie den Wettdienst von Mali Mateo wiederbeleben und aktualisieren. Darf Eromi erwarten, dass dies je der Fall sein wird?
Der Adaptation Fund hat seine Ressourcen bisher an die Länder verteilt, die am besten darauf vorbereitet waren, in Projekte und Strukturen zur Anpassung an den Klimawandel zu investieren. Als auch ärmste und am wenigsten entwickelte Länder wie Mali Vorbereitungen dafür getroffen hatten, waren die Mittel des Adaptation Fund aufgebraucht. Auch der Green Climate Fund steht unter Druck, seine Mittel möglichst schnell einzusetzen. Deshalb hat sein Vorstand jeden ihm vorgelegten Vorschlag gebilligt. Man kann nur hoffen, dass auch Mali eine vertrauenswürdige Organisation zur Umsetzung von Anpassungsmassnahmen auf die Beine stellt oder das Vertrauen einer internationalen Organisation gewinnen kann.
Dann erst können Fördermittel zum Klimaschutz auch bei initiativen Bürgern wie Eromi ankommen. Und was ist mit Eromis Frau und Kindern? Das komplizierte Verständnis für geschlechtsspezifische Auswirkungen des Klimawandels wird Thema eines nächsten Blogpost sein.