Die Öffentlichkeitsarbeit und das Fundraising von Entwicklungsorganisationen prägen die öffentliche Wahrnehmung des globalen Südens. Wer also über internationale Zusammenarbeit kommuniziert, muss Verantwortung übernehmen: für die Menschen, die damit ihre Lebensgrundlagen verbessern können, und für jene, die sich solidarisch zeigen. Daher haben sich führende Schweizer Entwicklungsorganisationen verpflichtet, ein differenziertes und authentisches Bild von Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe zu vermitteln.
Das Leben vieler Menschen im globalen Süden hat sich während der letzten 30 Jahre stark verbessert. Die extreme Armut ist weltweit um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Die internationale Zusammenarbeit hat zu diesen Erfolgen beigetragen: Sie stärkt Menschen, ihre Potenziale zu entfalten, ihre Rechte zu stärken und Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen zu erhalten. So verbessern diese ihre Lebensperspektiven langfristig und nachhaltig. In Krisen unterstützt die internationale Zusammenarbeit Menschen in akuter Not mit humanitärer Hilfe. Nichtregierungsorganisationen (NGOs), darunter auch Helvetas, leisten zusammen mit ihren lokalen Partnerorganisationen einen wichtigen Beitrag.
Fehlender Kontext
Mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit und ihrem Fundraising prägen die NGOs die öffentliche Wahrnehmung des globalen Südens. Dabei werden oftmals Stereotype reproduziert. Paternalistische Aufnahmen «armer, unwissender Menschen» vermitteln und verstärken ein Bild, wonach die «entwickelten Länder» den «unterentwickelten Ländern» zeigen, wie man es richtig macht. Menschen des globalen Südens werden häufig als passive Empfängerinnen und Empfänger von Hilfe dargestellt, Entwicklungsorganisationen und ihre Mitarbeitenden dagegen als aktive Experten und Spezialistinnen. Bilder werden aus dem Zusammenhang gerissen. Frauen, Kinder und Männer werden namenlos inszeniert.
Ausserdem wird der Kontext, in welchem Entwicklungszusammenarbeit stattfindet, oft nur am Rande thematisiert; die strukturellen Ursachen von Armut und Ausgrenzung werden kaum erklärt. Die systemischen Zusammenhänge, das heisst die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen, finden selten Beachtung. Mit der Folge, dass die Öffentlichkeit wenig darüber weiss, wie Entwicklungszusammenarbeit funktioniert und wirkt. Entwicklungspolitische Ziele, wie beispielsweise die Veränderung politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, werden selten mit Entwicklungszusammenarbeit in Verbindung gebracht.
Breite Akzeptanz
Gleichzeitig geniesst die Entwicklungszusammenarbeit in der Schweizer Bevölkerung breite Akzeptanz, und ihre positive Wirkung ist grundsätzlich unbestritten, wie Umfragen immer wieder bestätigen. Da NGOs wie Helvetas aus Sicht der Bevölkerung in den Entwicklungsländern besser verankert sind als die staatlichen Akteure, wird ihre Tätigkeit als konkreter und wirkungsvoller wertgeschätzt.
Das Bild der privaten Entwicklungsorganisationen wird dabei vor allem durch Spendenkampagnen geprägt. Da aber Geld vor allem dann fliesst, wenn Emotionen bei potenziellen Spenderinnen und Spendern geweckt werden, etwa mit Bildern von Kindern oder akute Not, bildet die Spendenwerbung die Realität der konkreten Arbeit in den Partnerländern nur unvollständig ab. Das führt zu Widersprüchen und Inkonsistenzen. Langfristig leidet darunter das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der NGOs.
Das Manifest für verantwortungsvolle Kommunikation
Die Träger- und Partnerorganisationen von Alliance Sud sind sich dieses Spannungsfeldes bewusst. Daher haben sie gemeinsam das «Manifest für eine verantwortungsvolle Kommunikation der internationalen Zusammenarbeit» ausgearbeitet, das über bereits bestehende ethische Branchenstandards hinausgeht. Mit den darin enthaltenen sieben Leitlinien verpflichten sich die führenden Schweizer Entwicklungsorganisationen, ein differenziertes und authentisches Bild von Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe zu vermitteln. Das Manifest schärft den Blick für die eigene Haltung und bietet Orientierung für die Spendenwerbung und die Kommunikation. Konkret verpflichten sich NGOs,
… ihr Engagement und ihre Werte vor dem Hintergrund der «Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung» zu vermitteln und damit auch einen Bezug zur Lebensrealität und zu den Werten der Menschen in der Schweiz herzustellen.
… ein authentisches und wahrhaftes Bild des globalen Südens zu vermitteln, indem sie den Kontext, in dem sie tätig sind, erklären, die strukturellen Ursachen von Armut und Ausgrenzung aufzeigen und den Fokus auf notwendige Veränderungen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen richten.
… sich einer verständlichen, klaren und nachvollziehbaren Sprache zu bedienen und ihre Kommunikation in allen Instrumenten und Kanälen konsistent und kohärent auszugestalten.
… ihre Ziele zu erklären und wie sie diese erreichen wollen, und dabei offen, transparent und selbstkritisch über das Erreichen der Ziele und auch über das Scheitern zu informieren.
… mit ihrer Kommunikation Respekt vor der Würde und den universellen Rechten aller Menschen zu zeigen, indem sie die Menschen und Partner im Süden selbst zu Wort kommen lassen und sie als handelnde Partner zeigen, die ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen und ihr politisches, wirtschaftliches und soziales Umfeld positiv beeinflussen.
… der Öffentlichkeit Fakten und Zahlen zu den Herausforderungen des globalen Südens zu liefern und Hintergründe und Zusammenhänge zu beleuchten. Damit wirken sie einseitigen, polemischen und von Partikularinteressen geleiteten Darstellungen des globalen Südens und der internationalen Zusammenarbeit entgegen.
… gesellschaftspolitisch aktuelle Themen aufzugreifen, die einen konkreten Bezug von der Entwicklungszusammenarbeit zum Alltag der Menschen in der Schweiz schaffen. Sie zeigen Handlungsmöglichkeiten auf, um sich für benachteiligte Menschen und gegen ungerechte Strukturen in den Ländern des Südens einzusetzen.
Das Einhalten dieser Leitlinien bedarf einer kontinuierlichen Reflexion und eines Lernprozesses. Viele Entwicklungsorganisationen haben bereits wichtige Schritte in diese Richtung gemacht. So lässt Helvetas in ihrer Kommunikation zunehmend die Menschen in den Projekten selbst zu Wort kommen und stellt gleichzeitig die Rolle der lokalen Partner und Regierungen in den Projekten stärker in den Vordergrund. Damit zeigt sie auf, wie sich die Beteiligten selbst engagieren.
Es ist eine Herausforderung, angesichts des vielfältigen und konkurrierenden Umfelds den ambitionierten Ansprüchen des Manifestes in der eigenen Kommunikation gerecht zu werden: NGOs werden ihre Kommunikation künftig regelmässig reflektieren und noch kritischer hinterfragen müssen.