Die Kriege dieser Welt verursachen immense Schäden an Böden und Gewässer. Weltweit verantworten Armeen bis zu sechs Prozent der globalen Treibhausgase. Dennoch müssen die Regierungen militärische Emissionen nicht in die Reduktionsziele ihrer Länder miteinbeziehen. Das muss sich ändern – spätestens mit der COP28, der Klimakonferenz im nächsten Jahr.
Die Ukraine gehört zu den fünf grössten Exporteuren von Getreide, Mais und Ölsaaten. Nach der Landwirtschaft ist die Eisen- und Stahlproduktion der zweitwichtigste Industriezweig des Landes. Viele Fabriken stehen im derzeit stark umkämpften Süden und Osten der Ukraine. In Odessa liegt zudem der grosse Hafen, über den Lebensmittel und Metalle in alle Welt verschifft werden. In der hoch industrialisierten Ukraine sind die Auswirkungen des Krieges auf die Umwelt und das Klima eine grosse Bedrohung: Tagelang brennende Öl-Depots verpesten die Luft. Auslaufendes Öl verseucht Flüsse und Seen und lässt Fische sterben. Kaputte Panzer, Sprengsätze und Munition verseuchen Böden und das Grundwasser mit Schwermetallen und Chemikalien. Und brennende Wälder, durch Kämpfe verursacht, setzen riesige Mengen CO2 frei und schaden dem Weltklima.
Allein in den ersten sieben Monaten hat der russische Angriffskrieg in der Ukraine laut der internationalen Nichtregierungsorganisation «Climate Focus» klimaschädliche Treibhausgas-Emissionen in einem Umfang von mindestens 100 Millionen Tonnen verursacht – doppelt so viel wie die Schweiz in einem ganzen Jahr ausstösst (innerhalb ihrer Grenzen und ohne «graue Emissionen» durch importierte Güter). Rund 10 Prozent davon seien Emissionen durch kriegerische Aktivitäten, von Panzern, Transportern und Kampfflugzeugen. Drei Mal gravierender seien die Folgen brennender Städte und Wälder. Rund die Hälfte der Emissionen entstünden schliesslich beim Wiederaufbau ziviler Infrastruktur, da hierfür in den nächsten Jahren riesige Mengen an Beton eingesetzt werden müssen.
Bislang waren Emissionen im Zusammenhang mit Kriegen kein Thema an UN-Klimakonferenzen. Mit dem Krieg in der Ukraine müsse sich dies ändern, forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Video-Botschaft gleich zu Beginn der diesjährigen COP27. Die Ukraine lud die Staatengemeinschaft ein, die Initiative zur Lancierung einer «globalen Plattform zur Bewertung der Auswirkungen militärischer Aktivitäten auf Klima und Umwelt» zu unterstützen. Damit sollen die Folgen von Kriegen systematisch gemessen und bewertet werden. Und im Falle der Ukraine sollte der Aggressor Russland dazu gebracht werden, für die Klima- und Umweltschäden aufzukommen. Allerdings wird es dazu wohl nicht kommen: Als eines der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats mit Vetorecht ist Russland schlicht zu mächtig. Unabhängig davon ist das Thema jedoch gesetzt. Zwar wurden an der diesjährigen COP27 noch keine Entscheide zur militärischen Klima-Verantwortung getroffen. An der nächsten Klimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten 2023 könnten hierzu aber Fortschritte erzielt werden.
Die Militärs fliegen unter dem Radar
Die Streitkräfte der Welt verursachen sehr viel Treibhausgas-Emissionen. Niemand weiss genau wie viel. Schätzungen des gesamten militärischen «Carbon Boot-print» liegen bei bis zu sechs Prozent der globalen Emissionen. Das ist mehr als die Luftfahrt und die Schifffahrt mit jeweils circa zwei Prozent ausmachen. Umso unverständlicher ist es, dass die Regierunen bislang nicht verpflichtet sind, vollständige Daten über die von den Streitkräften emittierten Treibhausgase zu veröffentlichen. Der Grund, weshalb Klimaberichte und UN-Klimakonferenzen dazu schweigen, liegt darin, dass sich u.a. die USA unter Verweis auf ihre «nationale Sicherheit» seit Jahren gegen mehr Transparenz wehren – und gleichzeitig dafür lobbyieren, dass Streitkräfte von den CO2-Zielen ausgenommen sind. Ebenfalls dürften der US-Regierung die exorbitant hohen Emissionen wohl auch etwas unangenehm sein. Pro 100 geflogene Seemeilen (rund 185 km) stösst der F-35 Kampfjet der US-Luftwaffe so viel CO2 aus (2,3 Tonnen CO2-Äquivalente) wie ein durchschnittliches Benzinauto, das ein Jahr gefahren wird. Die Treibhausgase des US-Militärs allein übersteigen jene vieler Länder, darunter die Schweiz, Ghana oder Neuseeland.
Die Berichterstattung über militärische Emissionen ist im Rahmen der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) nicht geregelt und daher uneinheitlich und unvollständig. Länder wie die USA, Grossbritannien, Deutschland und die Schweiz legen nur ausgewählte Daten vor. Von Ländern wie Russland, China und Indien liegen schon gar keine verlässlichen Daten vor. Und weil die UNFCCC-Verpflichtungen nach Grad der wirtschaftlichen Entwicklung abgestuft sind, müssen Länder wie Brasilien, Ägypten, Saudi-Arabien, Indonesien und Südafrika überhaupt keine nationalen Emissionen ihrer Landesstreitkräfte melden. Eine Übersicht über den Stand der Dinge bietet die vor einem Jahr aufgeschalteten Website «Military Emissions Gap». Die zivilgesellschaftliche Plattform hat zum Ziel, die militärische Emissionslücke weltweit zu verfolgen, zu analysieren und letztlich zu schliessen.
Steigende Militäretats und gefährliche Pfadabhängigkeiten
Im vergangenen Jahr durchbrachen die weltweiten Militärausgaben zum ersten Mal die zwei Billionen-Grenze – konkret: unglaubliche 2’113 Milliarden US-Dollar. Die fünf grössten Militärnationen sind die USA, China, Indien, das Vereinigte Königreich und Russland, auf die zusammen 62 Prozent der Ausgaben entfallen. Der Trend dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Zum einen beabsichtigt Chinas Präsident Xi Jinping, bis 2049 über ein «Weltklasse-Militär» verfügen zu wollen. Zum anderen hat Nato-Chef Jens Stoltenberg jüngst seine Erwartung an die Mitgliedstaaten wiederholt, ihre Militäretats baldmöglichst auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung (BNE) zu erhöhen. Gleichwohl gelingt es dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis nicht, ein ambitioniertes Nato-weites Emissionsreduktionsziel zu verabschieden. Für das Klima sind all dies keine guten Aussichten.
Übrigens, auch die Schweiz will sich derzeit an der weltweiten Aufrüstung beteiligen. So hat eine bürgerliche Mehrheit im Parlament im Frühsommer 2022 einer milliardenschweren Aufstockung der Armeeausgaben auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung (BNE) bis 2030 zugestimmt. Laut Berechnungen des Finanzdepartements könnten die Ausgaben von heute jährlich 5,3 Milliarden auf geschätzte 9,4 Milliarden Franken im Jahr 2030 ansteigen. Unweigerlich wird sich dadurch der Druck auf andere Budgetbereiche z.B. im ökologischen und sozialen Bereich, aber auch bei der internationalen Zusammenarbeit, erhöhen.
Die Militarisierung führt zu einem sogenannten «Lock-in»-Effekt: Aufgrund der langen Beschaffungsprozesse und wegen ihrer langen Lebensdauer sind die klimaschädlichen Emissionen von Militärrüstung über Jahrzehnte hinaus vorgezeichnet. So wurden z.B. die F-16 Kampfflugzeuge 1979 bei der US-Luftwaffe in Dienst gestellt und sollen erst 2040 ausgemustert werden. Es ist also zu befürchten, dass der Einsatz fossiler Treibstoffe im militärischen Anwendungsbereich noch viele Jahre lang zunehmen wird – trotz gutgemeinter Vorschläge wie elektrische Landfahrzeuge, treibstoffeffiziente Kriegsschiffe oder synthetische Kampfflugzeug-Treibstoffe. Das gilt im Übrigen auch für die Schweiz, die vor einigen Wochen den Kaufvertrag für 36 Kampfjets vom Typ F-35 für rund sechs Milliarden Franken unterzeichnet hat. Die Flugzeuge, die ab 2027 innert drei Jahren ausgeliefert werden sollen, werden den militärischen Klimafussabdruck der Schweiz auf Jahre hinaus prägen. Daran wird der Aktionsplan Energie und Klima des VBS wenig ändern.