Nach zwei anstrengenden Wochen, in denen die Emotionen zwischen Hoffnung und Frustration schwankten, endete die diesjährige UNO-Klimakonferenz (COP27) mit dem Umsetzungsplan von Sharm el-Sheikh. Mit dem Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste macht die Weltgemeinschaft einen grossen Schritt Richtung Klimagerechtigkeit. Kaum vorwärts kam sie jedoch beim Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas sowie bei der Finanzierung von Anpassungsmassnahmen in ärmeren Ländern.
Ein Kommentar von Rupa Mukerji, Klimaexpertin und Geschäftsleitungsmitglied von Helvetas sowie Lead-Autorin des IPCC und Mitglied der offiziellen Verhandlungsdelegation der Schweiz an der COP27.
Die Einrichtung eines Fonds zur Behebung von «Verlusten und Schäden» in den von Klimakatastrophen schwer getroffenen Ländern ist der Schlüsselerfolg der diesjährigen Klimakonferenz. Die Weltgemeinschaft entschied sich dafür, einen Ausschuss einzusetzen, der in einem Jahr an der COP28 in Dubai Empfehlungen zur Umsetzung des neuen Finanzierungsmechanismus abgeben wird. Der Ausschuss soll institutionelle Modalitäten festlegen, Finanzierungsquellen ermitteln und vorschlagen, wie der neue Fonds andere Finanzierungsvereinbarungen ergänzen kann.
Seit drei Jahrzehnten steht die Forderung im Raum, Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, aber am stärksten davon betroffen sind, für erlittene Schäden und Verluste zu entschädigen. In den letzten Jahren hat die globale Erwärmung weltweit zu häufigeren und intensiveren Extremwetterereignissen geführt. Der 6. Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses der Vereinten Nationen für Klimaänderungen (IPCC), an dem ich federführend mitgewirkt habe, dokumentiert Verluste von Existenzen und Schäden an Infrastrukturen in fast allen Weltregionen.
Helvetas an der Klimakonferenz
An unserem Side Event an der COP hat Helvetas vielen Stimmen aus unseren Partnerländern Raum gegeben, um ihre Erfahrungen zu teilen. Auf diese Weise machen wir aufmerksam auf die breite Palette der Auswirkungen der extremen Wetterereignisse der letzten Jahre sowie auf den enormen Umfang der Verluste und Schäden, der die Kapazitäten von Gemeinden und nationalen Regierungen bei weitem übersteigt.
Ein Helvetas-Video aus Pakistan führte den Delegierten das dramatische Ausmass der diesjährigen Überschwemmungen vor Augen. Es zeigt Klimatreiber und die verheerenden Auswirkungen auf: Vertreibung, Krankheiten und Hunger. Die gemeinsamen Anstrengungen von Regierung und der internationalen Hilfe sind völlig unzureichend, um die geschätzten Schäden in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar zu bewältigen.
Langsam einsetzende Katastrophen wie die sich verschärfende Dürre am Horn von Afrika sind nicht so unmittelbar sichtbar, stürzen aber Millionen von Menschen in Armut und Hunger. Daher unterstützt Helvetas unter anderem Hirtenfamilien und Viehhändler – doch die Hilfe reicht bei weitem nicht aus; für innovative Ansätze braucht es mehr Geld.
In Bangladesch wird das Leben in den Küstenregionen durch den steigenden Meeresspiegel immer prekärer. Migration ist eine wichtige Anpassungsstrategie, aber sie erfolgt oft ungeplant und in der Not, was oft zu noch grösserer Not führt, während grundlegende Rechte auf der Strecke bleiben. Deshalb unterstützt Helvetas Menschen dabei, informierte Migrationsentscheidungen zu treffen.
Die Andenregion beherbergt eine riesige Artenvielfalt. Laut dem 6. Sachstandsbericht des IPCC sind jedoch 84 Prozent der endemischen Arten aufgrund der globalen Erwärmung vom Aussterben bedroht. Die lokalen Gemeinschaften haben diese biologische Vielfalt über Generationen hinweg dank ihrem indigenen Wissen bewahrt – eine unschätzbar wertvolle Ressource für Anpassungsfähigkeit. Doch diese ist in Gefahr.
Klimaanfällige Länder brauchen dringend Unterstützung
Aus den Diskussionen an der COP27 ging hervor, dass viele vom Klimawandel gefährdete Länder sofortige Hilfe benötigen. Die Gelder sollten ohne bürokratische Verzögerungen bereitgestellt werden, um die Betroffenen schnell zu erreichen. Die internationale Finanzlandschaft weist jedoch Lücken auf, da nur wenige Mittel für die Katastrophenvorsorge oder den Wiederaufbau zur Verfügung stehen. Die Investitionen in den Wiederaufbau müssen eine generationenübergreifende Perspektive einnehmen, um die langfristige Vulnerabilität zu verringern und ebenso langfristige Anpassungsfähigkeiten aufzubauen – etwa mittels Ausbildungsprogramme für Jugendliche, die neue Fähigkeiten vermitteln.
Aus den Erfahrungen mit dem Grünen Klimafonds, dessen Einrichtung viel Hoffnung und Optimismus weckte, lassen sich wichtige Lehren ziehen. Der Zugang zum Fonds hat sich als äusserst bürokratisch und zeitaufwendig erwiesen, so dass er für die meisten Entwicklungsländer und Organisationen der Zivilgesellschaft ausser Reichweite ist. Der Anpassungsfonds, Vorreiter für einen einfacheren, direkten Zugangsmechanismus, ist chronisch unterfinanziert. Selbst die bescheidenen finanziellen Zusagen grosser Geber wie der USA und der EU sind unerfüllt geblieben.
Geber wie die Schweiz, die sich für die Klimafinanzierung aus dem Budget der internationalen Zusammenarbeit bedienen, müssen neue und zusätzliche Finanzierungsquellen erschliessen. Mit dem verlorenen Referendum über das CO2-Gesetz im letzten Jahr bleibt die Schweizer Politik in einer Vor-Pariser-Abkommen-Ära gefangen, was ihre Rolle auf globaler Ebene einschränkt.
Stillstand bei der Mitigation
Um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen sich die jährlichen Investitionen in saubere Energie weltweit bis 2030 auf rund 4 Billionen US-Dollar mehr als verdreifachen. Dies würde Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen und könnte bis zum Ende des Jahrzehnts den universellen Zugang zu Elektrizität und sauberen Kochmöglichkeiten weltweit ermöglichen.
Im Vergleich zum Gesamtbedarf der Entwicklungsländer sind die globalen Klimafinanzierungsströme nach wie vor zu gering. Die Mittel belaufen sich im Zeitraum 2019-2020 auf schätzungsweise 803 Milliarden US-Dollar, was etwa 30 Prozent der jährlichen Investitionen entspricht, die erforderlich wären, um den globalen Temperaturanstieg deutlich unter 2 Grad oder 1,5 Grad zu halten.
Sofortige Massnahmen, um die globale Erwärmung auf das Pariser Klimaziel von 1,5°C zu begrenzen, würden die vorhergesagten klimabedingten Verluste und Schäden erheblich reduzieren. Doch die starke Präsenz der Interessenvertreter fossiler Brennstoffe an der COP sorgte dafür, dass diesem Ziel viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Der endgültige Text erlaubt Gasförderung und Kernenergie unter der Bezeichnung «Verbesserung eines sauberen Energiemixes, einschliesslich emissionsarmer Energien». Afrikas Gasressourcen stehen derzeit im Mittelpunkt des europäischen Strebens nach alternativen Energiequellen.
Warum an einer COP teilnehmen?
Ist es angesichts solch gemischter Ergebnisse sinnvoll, an einer COP teilzunehmen? Obwohl es viele Gründe gibt, kritisch zu sein, einschliesslich des riesigen CO2-Fussabdrucks einer solchen Veranstaltung, ist die COP ein einzigartiges demokratisches Forum – für die formellen Verhandlungen sowie für zivilgesellschaftliche Nebenveranstaltungen, die für das Lernen und die Vernetzung wertvoll sind.
Auch die Themenvielfalt nimmt stetig zu: Vom Einbezug marginalisierter Gruppen und Regionen bis hin zur Reform der globalen Finanzsysteme. Bürger und Bürgerinnen repressiver Regimes finden einen geschützten Rahmen, können Allianzen bilden und ihre Anliegen voranbringen. COPs sind auch ein Ort, an dem Advocacy-Arbeit betrieben wird – die Einrichtung des Loss and Damage Fund ist das jüngste Beispiel.
Aus dem Englischen übersetzt und redigiert von Patrik Berlinger. Originalversion in Englisch.