Am 29. November kommt die sogenannte Kriegsgeschäfte-Initiative zur Abstimmung. Sie will verhindern, dass Nationalbank, AHV und Pensionskassen künftig ihr Geld in die Herstellung von Kriegsmaterial stecken. Das Anliegen ist äusserst berechtigt, doch die Initiative hat Lücken: Banken und Versicherungen werden vom Finanzierungsverbot nur ungenügend erfasst.
Im Schatten des erbitterten Streits um die Konzernverantwortungsinitiative hat es die sogenannte Kriegsgeschäfte-Initiative, die gleichzeitig zur Abstimmung kommt, schwer, mediale und öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Dabei steht die Initiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» für ein politisch und ethisch wichtiges Anliegen. Sie will verbieten, dass Nationalbank und Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge ihr Geld in die Herstellung von Kriegsmaterial stecken. Damit soll verhindert werden, dass sich die Schweiz weiterhin «an der Finanzierung von Produkten beteiligt, die in der ganzen Welt zur Unterdrückung und Ermordung von Menschen eingesetzt werden und Natur und Umwelt zerstören». Dem Grundsatz ist nichts entgegen zu halten, doch lohnt sich ein genauer Blick auf das Anliegen.
Kriegsmaterialproduktion und deren Finanzierung
Schon heute kennt die Schweiz im Kriegsmaterialgesetz (KMG) ein Produktions- und Finanzierungsverbot von international geächtetem Kriegsmaterial: Dazu zählen atomare, biologische und chemische Waffen, Antipersonenminen und Streumunition (KMG, Art. 7, 8, 8a). Die Initiative will nun das Finanzierungsverbot auf jegliches Kriegsmaterial ausdehnen, das heisst auch auf Waffen, Waffensysteme, Munition und militärische Sprengmittel sowie Ausrüstungsgegenstände, die spezifisch für den Kampfeinsatz oder für die Gefechtsführung konzipiert oder abgeändert worden sind (KMG, Art 5.1-2). Ausgenommen bleiben «Geräte zur humanitären Entminung sowie Jagd- und Sportwaffen und deren zugehörige Munition».
Die Initiative zielt auf Kriegsmaterialproduzenten und deren Finanzierung ab. Gemeint sind Unternehmen, die mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erzielen. Nationalbank, AHV und Pensionskassen soll untersagt werden, diese zu finanzieren. Zulieferbetriebe sind davon nur betroffen, wenn sie Produkte herstellen, die eindeutig nicht für zivile Zwecke verwendet werden können. Verboten wird die direkte Finanzierung mittels Kredite, Darlehen, Schenkungen usw. ebenso wie die indirekte Finanzierung via Beteiligungen an Gesellschaften oder der Erwerb entsprechender Wertschriften und Finanzprodukte, die Anteile von Kriegsmaterialproduzenten enthalten.
Das heute gültige Finanzierungsverbot von verbotenem Kriegsmaterial gemäss KMG Art. 8.b-c hat ein entscheidendes Schlupfloch: Die indirekte Finanzierung ist nur verboten, «wenn damit das Verbot der direkten Finanzierung umgangen werden soll». Doch ein solcher Umgehungsvorsatz ist in aller Regel nicht nachweisbar. So bedient sich die Nationalbank dieses Schlupflochs und investiert in Atomwaffen-Hersteller. Da sie aber «ausschliesslich finanzielle und keine strategischen Ziele in Bezug auf die Politik einzelner Unternehmen» anstrebt, wie der Bundesrat in seiner Botschaft zur Initiative festhält, bewegt sich die Nationalbank im aktuell gesetzlichen Rahmen. Dennoch bleiben solche Investitionen – analog jener in die fossile Brennstoffindustrie – äusserst fragwürdig.
Kein Verbot für Banken und Versicherungen
Die Initiative will mit ihren drei Kernanliegen – das Finanzierungsverbot auf jegliches Kriegsmaterial ausdehnen, das genannte Schlupfloch schliessen sowie Nationalbank, AHV und Pensionskassen ein Finanzierungsverbot auferlegen – sicherstellen, dass «kein Schweizer Geld in die Finanzierung von Kriegsmaterial fliesst». Allein im Jahr 2018 hätten Schweizer Finanzinstitute wie Nationalbank, Credit Suisse und UBS mindestens neun Milliarden US-Dollar in Atomwaffenproduzenten investiert. Die Initiative leiste damit einen «Beitrag zu einer friedlicheren Welt».
Doch Schweizer Geld würde auch bei Annahme der Initiative weiterhin fliessen, weil Banken und Versicherungen nicht explizit in die Pflicht genommen werden. Die Initiative beinhaltet zwar eine (wenig griffige) Bestimmung, wonach der Bund sich «auf nationaler und internationaler Ebene dafür einsetzen soll, dass für Banken und Versicherungen entsprechende Bedingungen gelten». Doch verzichtet sie auf ein explizites Verbot für diese Branchen. Dies erklären die Initiantinnen und Initianten damit, dass Schweizer Banken und Versicherungen ein solches Verbot einfach durch Finanzierungsgeschäfte über ihre Auslandniederlassungen umgehen könnten. Das mag zwar sein, doch droht die Initiative hinsichtlich der Finanzinstitute so zum zahnlosen Tiger zu werden. Denn es würde im Ermessen von Bundesrat und Parlament liegen, ob und wenn ja, wann eine solche verbindliche nationale Regelung eingeführt würde.
Es ist zudem schwer vorstellbar, wie sich der Bund «auf internationaler Ebene» dafür einsetzen soll. Zwar ist der Schweizer Finanzplatz weltweit von Bedeutung, aber das reicht kaum, um Forderungen nach einem internationalen Finanzierungsverbot von Kriegsmaterial im Ausland durchzusetzen. Zudem dürfte diesbezüglich das Engagement des Bundesrats bescheiden bleiben, lehnt er doch die Initiative grundsätzlich ab. Sie sei nicht realistisch und hätte keinen Einfluss auf die weltweite Waffenproduktion, dafür aber negative Auswirkungen auf die Schweiz. Denn bei Annahme der Initiative würden die Investitionsmöglichkeiten von Nationalbank, Pensionskassen und AHV laut Bundesrat stark eingeschränkt, da ihnen dann der «Zugang zu den grössten und dadurch im Regelfall auch liquidesten und kostengünstigsten börsengehandelten Fonds (ETF) und Derivaten (ETD)» verwehrt würde. Die Einschränkung der Investitionsfreiheit könnte der Nationalbank und anderen Finanzmarktakteuren grosse finanzielle Einbussen bescheren und den Schweizer Finanzplatz schwächen.
Dies kann zurecht bezweifelt werden. Die Initiantinnen und Initianten jedenfalls argumentieren, Investitionen in die Rüstungsindustrie seien nicht rentabler als andere Investitionen, und halten fest, dass ein Verzicht auf solche Investitionen das Wohlergehen der Nationalbank oder Pensionskassen in keiner Weise gefährden würde. Die «Republik» hat einen Blick ins US-Aktienportfolio der Nationalbank geworfen und kommt zum Schluss: Ein Verzicht ist durchaus verkraftbar.
Initiative gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer
Aus entwicklungspolitischer Sicht ist die Idee der Initiative richtig: Die Schweiz darf nicht zur Bewaffnung von Bürgerkriegsparteien und zu Menschenrechtsverletzungen beitragen, während ihre internationale Zusammenarbeit sich gleichzeitig für Menschenrechte und Friedensförderung einsetzt. Öffentliche Schweizer Gelder – von Nationalbank, AHV und Pensionskassen – sollen nicht die Herstellung von Waffen finanzieren, die dann in Entwicklungsländern gegen die Zivilbevölkerung gerichtet werden können.
Doch verfehlt die Initiative teilweise dieses Ziel, da sie nicht verhindern würde, dass Schweizer Kriegsmaterial weiterhin mit Geldern von Schweizer Banken und Versicherungen hergestellt und auch exportiert werden kann. Eine griffige Ergänzung ist deshalb die Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer» (Korrektur-Initiative). Sie fordert, dass kein Kriegsmaterial in Bürgerkriegsländer exportiert wird. Auch Helvetas ist im Initiativkomitee dabei. Da der Bundesrat die Annahme dieser Initiative befürchtet, stellt er ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber, der ihm erlaubt, gegebenenfalls vom Export-Verbot abzuweichen. Das Parlament wird 2021, die Stimmbevölkerung vermutlich im Jahr darauf darüber befinden.