Enthüllungen unter den Namen «Panama Papers», «Paradise Papers» und «Pandora Papers» haben in vielen Ländern zu Ermittlungen gegen Politiker und bekannte Personen geführt. Sie haben öffentliche Debatten über Briefkastenfirmen und Steueroasen, über Steuerschlupflöcher und Steuermoral ausgelöst. Auch in der Schweiz. Doch, konkret hat sich wenig bewegt. Auch dem bundesrätlichen Vorschlag zum Geldwäscherei-Gesetz fehlt es an ausreichend griffigen Massnahmen, um gegen Steuerhinterziehung, Geldwäscherei und Sanktionsumgehung vorzugehen.
Vor sieben Jahren hat das Internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) die «Panama Papers» veröffentlicht. Sie zeigten, wie stark auch die Schweiz in undurchsichtige und zweifelhafte Finanzvehikel zur Umgehung von Steuern verwickelt ist. Von den zehn Finanzinstituten, die weltweit am meisten Offshore-Konstrukte für Kund:innen verkauft hatten, stammten vier aus der Schweiz – mit der Absicht, Vermögen zu verschieben und zu verschleiern, damit die Inhaber ihren Staaten weniger oder keine Steuern abliefern müssen. Gerade für ärmere Länder sind die Folgen besonders verheerend.
Eineinhalb Jahre nach den Panama Papers folgten im Jahr 2017 die «Paradise Papers» und dann 2021 die «Pandora Papers», das bislang grösste «Leak» mit Daten zu Steuerparadiesen und zur globalen Steuervermeidung von reichen Menschen, mächtigen Geschäftsleuten und korrupten Politiker:innen aus aller Welt. Die öffentlich zugängliche Datenbank des internationalen und investigativen Journalisten-Konsortiums ICIJ zeigt das unfassbare Ausmass der schweizerischen Verstrickungen. Beteiligt sind Banken, aber auch Anwaltskanzleien und Finanzberater:innen, Notare und Stiftungen.
Erhöhte politische Brisanz mit dem russischen Angriffskrieg
Bei den Datenlecks standen auch immer wieder russische Oligarchengelder im Fokus. So zeigten z.B. die Panama Papers, wie ein russischer Cellist für den Präsidenten Wladimir Putin Geld auf einer Bank in Zürich versteckte. Der unscheinbare Musiker fungierte als klandestine Frontfigur eines geheimen Netzwerks von Putin-Vertrauten, die durch Banken und Offshore-Gesellschaften Milliarden wuschen. Sogar nach Beginn von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine Anfang 2022 betreuten Schweizer Banken weiter heikle russische Kunden. Familienangehörigen des Chefs einer staatlichen Firma Russlands wurde z.B. erlaubt, sogar nach Kriegsausbruch Konti in der Schweiz zu eröffnen. In jener Zeit machte die genannte Staatsfirma Stimmung für den Krieg, schickte Mitarbeitende in den Kampf gegen die Ukraine und unterstützte die völkerrechtswidrige Grausamkeit finanziell.
Solche Fälle werfen die Frage auf: Versuchen einige Schweizer Banken auch während des Krieges mit fragwürdigen Russengeldern Geschäfte zu machen? Genau dies wird ihnen aus dem Ausland vorgeworfen. So kritisierten die Botschafter der G-7 Staaten im Frühjahr 2023 die Schweiz in einem Brief an den Bundesrat, die Sanktionen gegen russische Oligarchen ungenügend umzusetzen. Die Botschafter fordern die Schweiz auf, der gemeinsamen Taskforce zum Aufspüren von Oligarchengeldern beizutreten.
Zwar hat die Schweiz 7,5 Milliarden Franken von sanktionierten russischen Staatsbürgern eingefroren. Der Betrag hat sich aber seit April 2022 nicht mehr verändert und ist angesichts der vermuteten 200 Milliarden an russischem Vermögen, das in der Schweiz liegt, überschaubar. Selbst das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das mit dem Einfrieren der Gelder beauftragt ist, scheint an seine Grenzen zu stossen. Das Problem: Doppelbürgerschaften, verschachtelte Offshore-Konstrukte und mangelhafte Transparenz im Schweizer Finanzsystem. Beispielsweise gibt es bei Stiftungen (Trusts), also bei Geldern, die etwa von einer Anwältin oder einem Treuhänder verwaltet werden, kein Register.
Während mittlerweile sogar aus Sicht der Bankiervereinigung und von Economiesuisse wenig gegen einen Beitritt zur G-7-Taskforce spreche, sehen dies Vertreter:innen der bürgerlichen Parteien sowie auch der Bundesrat anders: Die Schweiz arbeite bereits sehr gut mit der EU und verschiedenen internationalen Partnern zusammen. Die Schweiz habe bislang alle elf Sanktionspakete der EU übernommen und setze diese selbständig um.
Neuer Anlauf zur Überarbeitung des schweizerischen Geldwäscherei-Gesetzes
Der Bundesrat sieht aber ein, dass die Schweiz mehr gegen Geldwäscherei, Steuerhinterziehung und Sanktionsumgehung unternehmen könnte. Um besser gegen solche Delikte vorzugehen, und auch um der internationalen Staatengemeinschaft zu signalisieren, dass man klare Regulierung begrüsst, hat der Bundesrat das Geldwäscherei-Gesetz überarbeitet. Es befindet sich derzeit in einer öffentlichen Vernehmlassung. Neu sollen nebst Banken auch Anwälte, Treuhänder und Notare bei einem Verdacht auf Geldwäscherei überprüfen müssen, woher das Geld ihrer Kund:innen stammt. Erstaunlicherweise sind sie dazu bislang nicht verpflichtet.
Ebenfalls soll mit dem überarbeiteten Gesetz ein sog. «Transparenzregister» geschaffen werden, wo Firmen melden müssen, wer die «wirtschaftlich Berechtigten» sind, wer sie also kontrolliert. Ein solches Register fehlt bislang, im Unterschied zu praktisch allen westlichen Ländern. Dies könnte Strafverfolgern künftig die Ermittlungen, beispielsweise beim Aufspüren von Oligarchengeldern, erleichtern.
Zwar sorgen die vorgeschlagenen Massnahmen für eine Angleichung der Praxis an andere Länder. Laut Transparency International sollte allerdings der Zugang zum Transparenzregister nicht nur wie vorgeschlagen für Behörden und Finanzintermediäre, sondern auch für Medien und NGOs zugänglich gemacht werden. Ausserdem handle es sich beim Vorschlag des Bundesrats zu den Anwälten nur um eine abgeschwächte Meldepflicht, die in der Praxis kaum Anwendung finden werde und daher zu wenig greifen würde.
Bereits vor drei Jahren an einer bürgerlichen Mehrheit gescheitert
Während die Zivilgesellschaft kritisiert, dass der bundesrätliche Vorschlag zu wenig griffig ist, dürfte er im Parlament aus anderen Gründen einen schweren Stand haben. Erst vor drei Jahren scheiterte der Bundesrat mit einer ähnlichen Vorlage zur Geldwäscherei. Damals lobbyierten die Anwälte und Treuhänder, die um ihr sakrosanktes «Anwaltsgeheimnis» fürchteten, erfolgreich gegen mehr Transparenz und eine stärkere Regulierung ihrer Branche. Die bürgerlich-konservativen Fraktionen setzten sich durch und beschlossen in der Frühjahrssession 2021 eine Minimalvariante auf Zeit. Mit dem Resultat, dass Anwält:innen und Treuhänder:innen auch heute noch von den Sorgfaltspflichten des Geldwäschereigesetzes befreit sind.
Auch der schweizerische Kunsthandelsplatz unterliegt nach wie vor nicht dem Geldwäscherei-Gesetz. Er ist im Vergleich mit der EU schwach reguliert. Und geht es nach dem Bundesrat, soll das auch so bleiben. Gleich wie Anwälte und Treuhänder sind Kunsthändler nicht verpflichtet, die Identität ihrer Kunden klar abzuklären. Ein weiteres Einfallstor für die Umgehung von Sanktionen, z.B. für russische Oligarchen. Bei der Bekämpfung gegen den Handel mit illegalen Kulturgütern stehen vor allem die Zollfreilager in Genf in der Kritik. Denn die Lager, in denen Juwelen und Luxusuhren, antike Objekte und Gemälde im Wert von schätzungsweise über 100 Milliarden Franken aufbewahrt werden, sind anfällig für Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Raubkunst.
Es steht zu befürchten, dass auch der aktuelle Vorschlag des Bundesrats, der wenigstens ein bisschen mehr Transparenz und Verantwortung verlangt, an einer konservativen Mehrheit im Parlament scheitern wird. Mit dem steuer- und finanzpolitischen Status quo begibt sich die Schweiz allerdings zunehmend auf Konfrontationskurs mit der EU, der G-7 und mit internationalen Gremien wie der Groupe d’action financière (Gafi) – und mit ärmeren Ländern, die wegen der Schweiz enorme Steuerausfälle erleiden. Allein durch konzerninterne Gewinnverschiebungen in Tiefsteuerländer wie die Schweiz verlieren Entwicklungsländer gemäss Studien jährlich mindesten 30 Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen. Diese Gelder fehlen in den betroffenen Ländern z.B. für Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur.
Früher oder später wird für die Schweiz eine Verschärfung des Gesetzes unumgänglich. Die Frage ist, ob es dazu wie 2016 beim Bankgeheimnis erst kommt, wenn der Druck aus dem Ausland zu gross wird.
Übrigens, der Taskforce der G-7 dürfte die Schweiz so schnell nicht beitreten: Am 20. September hat der Nationalrat die Diskussion darüber auf die Wintersession nach den eidgenössischen National- und Ständeratswahlen am 22. Oktober verschoben. Hinhaltetaktik Swiss Made.