Die SIFEM, die Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft des Bundes, erhält ein eigenes Gesetz. Dieses muss gewährleisten, dass die SIFEM zu den Zielen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung beiträgt. Die laufende Vernehmlassung bietet Gelegenheit, verbindliche Grundsätze einzufordern.
Seit zehn Jahren ist die Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft des Bundes, die SIFEM AG (Swiss Investment Fund for Emerging Markets), in Betrieb. Ihre rechtlichen Grundlagen hat sie in der Verordnung über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (Art. 30.a-d). Im Mai 2021 hielt der Bundesrat in einem Bericht an das Parlament fest, dass diese Grundlagen «dem Legalitätsprinzip und den Anforderungen der Corporate Governance nicht genügen». Er beauftragte das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) mit der Ausarbeitung einer gesetzlichen Grundlage, die er Mitte Oktober 2021 in die Vernehmlassung gab. Diese läuft nun noch bis zum 28. Januar.
SIFEM unter kritischer Beobachtung
Die SIFEM AG ist ein Aushängeschild der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) der Schweiz für die (finanzielle) Unterstützung des Privatsektors in Entwicklungsländern. Sie fördert «ein nachhaltiges und inklusives Wirtschaftswachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern, indem kleine, mittlere sowie schnell wachsende Unternehmen mit rückzahlbaren Darlehen oder Beteiligungen […] unterstützt werden». Damit trägt die SIFEM «zur Schaffung und Sicherung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen und zur Armutsbekämpfung bei und leistet einen Beitrag zur Integration der Zielländer in das globale Wirtschaftssystem».
Gegründet 2011, führt die SIFEM als Aktiengesellschaft das in den 1990er Jahren aufgebaute Investitionsportfolio des SECO-Ressorts Privatsektorförderung weiter. Sie ist zu 100 Prozent in Bundesbesitz. Gesteuert wird sie vom SECO, während die DEZA punktuell mit der SIFEM zusammenarbeitet. Seit ihrer Gründung investierte die SIFEM bis zu 100 Millionen US-Dollar pro Jahr. Ende 2020 lag das Total aller Verpflichtungen einschliesslich der Vorgängerzeit bei knapp 1,150 Milliarden US-Dollar, die aktiven Verpflichtungen beliefen sich dabei auf 839 Millionen.
Anfangs stiess die SIFEM bei vielen entwicklungspolitischen Organisationen wegen ihrer Ausrichtung auf den Privatsektor auf grosse Skepsis. Zwar wurde die Abwehrhaltung gegenüber dem Privatsektor als Entwicklungsakteur mit der Zeit kleiner, aber die SIFEM blieb unter kritischer Beobachtung. So schrieb der frühere Geschäftsleiter von Alliance Sud, Peter Niggli, 2015 zur SIFEM-Praxis: «Die grosse Mode ist gegenwärtig die Gewährung von Krediten an lokale KMU über Finanzvehikel der Geber, in der Schweiz über SIFEM. Tatsächlich haben KMU in vielen Entwicklungsländern beachtliche Schwierigkeiten, an Kredite der lokalen Finanzinstitute zu kommen.» Doch Fonds wie die SIFEM «tätigen ihre Operationen meist über Offshore-Finanzzentren, sind nicht immer treffsicher, sondern finanzieren immer wieder mal Unternehmen, die dem Kreis der Mächtigen nahestehen oder zu den Grossen ihres Landes gehören. Was finanziert wird, richtet sich zudem nur ungenügend an nationalen Entwicklungsplänen aus».
Solche Kritik wurde zusätzlich befeuert durch einzelne umstrittene SIFEM-Investitionen, die ihren Weg in die Schweizer Medien fanden. Dabei ging es um Rekordverluste bei einem Projekt in China (2018), um umstrittene Investitionen über Offshore-Fonds unter anderem auf den Cayman Inseln (2015) oder um die Investition in einen Cleantech-Fonds zur Entwicklung umweltschonender Batterien, die letztlich auch bei Militärdrohnen zum Einsatz kamen (2009/2014). Seither ist es um die SIFEM eher ruhig geworden.
Seit dem neuen Mandat vermehrt parlamentarische Vorstösse
Die Geschäftsführung der SIFEM hat seit 2011 die Investitionsberatungsfirma Obviam inne, was von entwicklungspolitischen Akteuren kaum kritisch hinterfragt wurde. Das Mandat läuft 2022 aus und wurde im November 2021 neu ausgeschrieben. Nachdem sich Obviam im Dezember 2020 mit Asteria, einer Tochter der Genfer Privatbanken-Gruppe Reyl, zusammengeschlossen hatte, kündigte Asteria-Chefin Katia Coudray im Juli 2021 an, sich an der Ausschreibung beteiligen. Diese lief bis Ende Dezember.
Wer auch immer das SIFEM-Mandat erhalten wird, dürfte sich vermehrt parlamentarischen Vorstössen gegenübersehen. Schon 2014 fragte eine Interpellation von grüner Seite, ob «die SIFEM-Investitionen tatsächlich der Bevölkerung in den Entwicklungsländern [nützen]». Der Bundesrat zeigte sich davon überzeugt und verwies zudem darauf, dass die Empfehlungen einer unabhängigen Evaluation von 2013 in die neue SIFEM-Strategie einfliessen würden. Eine Motion der Ratslinken vom Juni 2020 verlangt, dass bundeseigene Unternehmen wie die SIFEM «dem Gemeinwohl dienen müssen». Der Bundesrat erwiderte, die SIFEM habe «bei ihrer Investitionstätigkeit die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung in finanziellem, ökonomischem, sozialem und ökologischem Sinn zu beachten», und lehnte die Motion ab. Sie wurde vom Nationalrat noch nicht behandelt.
Hingegen nahm der Nationalrat im Juni 2021 eine Motion seiner Aussenpolitischen Kommission an, wonach sich die SIFEM schwerpunktmässig in den am wenigsten entwickelten Ländern (LDC) engagieren solle. Damit sei auch zu prüfen, «inwiefern private Investoren die klassische Entwicklungszusammenarbeit finanziell entlasten können». Der Ständerat aber lehnte die Motion im Dezember 2021 ab: Es sei unrealistisch zu meinen, in den (meist sehr fragilen) LDC würden private Investitionen aus dem In- oder Ausland fliessen. Daher könnten diese auch nicht die öffentliche EZA «entlasten». Vielmehr trage gerade die öffentliche EZA dazu bei, schrittweise die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich der lokale Privatsektor entwickeln könne. Damit war die Motion «erledigt». Es ist aber durchaus möglich, dass solche Anliegen bei der künftigen parlamentarischen Beratung des Gesetzentwurfs gerade im Nationalrat, der die Motion angenommen hatte, erneut Auftrieb erhalten.
Es braucht mehr Verbindlichkeit
Der vorliegende Gesetzentwurf birgt keine Überraschungen, sondern entspricht der bestehenden Praxis. Zweck der SIFEM bleibt es, in Entwicklungs- und Schwellenländern «zu einem nachhaltigen und inklusiven Wirtschaftswachstum, zur Schaffung und Sicherung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen, zur Armutsbekämpfung sowie dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen» beizutragen (Art. 3). Das entspricht auch den Zielen der übergeordneten Strategie der Internationalen Zusammenarbeit 2021-2024.
Wie die SIFEM diesen Zweck konkret umsetzt, bleibt dabei dem Bundesrat überlassen. Alle vier Jahre legt dieser dafür «strategische Ziele» fest, aktuell für den Zeitraum 2021-2024. Sie sind «Ausdruck der klaren Trennung zwischen politischer und unternehmerischer Verantwortung», wie der Bundesrat festhält. Sie werden somit nicht öffentlich, das heisst nicht politisch diskutiert. So bleibt die konkrete Investitionstätigkeit eine Angelegenheit zwischen Bund und SIFEM. Und obwohl die SIFEM mindestens 60 Prozent ihres jährlichen Investitionsvolumens in Schwerpunktländern von DEZA und SECO einsetzt, soll sie weiterhin allein dem SECO zugeordnet werden (Art. 1.2), ohne dass die DEZA in die Steuerung eingebunden würde. Das ist unverständlich.
Der Gesetzesentwurf sieht im Weiteren vor, dass die SIFEM ihre Tätigkeit «an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit und der Subsidiarität sowie an den anerkannten Prinzipien der Entwicklungszusammenarbeit» ausrichten muss (Art. 4). Auch der Bundesrat orientiert sich bei den strategischen Zielen daran (Art. 9). Das laufende Vernehmlassungsverfahren bietet nun Gelegenheit, eine Präzisierung dieser «anerkannten Prinzipien» der EZA und der Grundsätze der Nachhaltigkeit zu fordern: Sie müssen explizit der Agenda 2030 mit ihren Zielen für nachhaltige Entwicklung gerecht werden und in den Gesetzestext einfliessen. Dies umso mehr, als die SIFEM künftig private Aktionärinnen und Aktionäre zulassen darf (Art. 8). Es braucht gesetzlich festgelegte, verbindliche Investitionsgrundsätze, mit denen Unternehmen darin unterstützt werden, «die Anforderungen international anerkannter Standards für Umwelt, Klimaschutz, soziale Fragen und verantwortungsvolle Unternehmensführung einzuhalten», wie der Bundesrat in seiner Medienmitteilung zur Vernehmlassung formulierte. Es gilt abzuwarten, ob er seine Versprechen hält.