Um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen, wurde Nepal von März bis Juni strikt abgeriegelt. Das Virus konnte dadurch etwas gebremst werden, Anfang Juli zählte das Land 16’000 Ansteckungen und offiziell 35 Todesfälle. Tendenz jedoch steigend. 350'000 Menschen befinden sich in Quarantäne. Was bedeutet das für Frauen in Nepal?
Jede Dritte Frau erlebt irgendwann in ihrem Leben körperliche und/oder sexuelle Gewalt. Je nach Land kann die Zahl viel höher liegen. Schon vor der Corona-Pandemie nahm geschlechtsspezifische Gewalt in Nepal zu. Gemäss Uno-Bevölkerungsfonds (UNFPA) erleiden in Nepal 48 Prozent der Frauen zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben Gewalt.
Seit dem Corona-bedingten Lockdown mehren sich die Berichte über Gewalt an Frauen. Wegen der Distanzregeln und Isolationsmassnahmen müssen viele Frauen bei ihren Peinigern ausharren, was die Gewalt verschärft und die Zahlen in die Höhe schnellen lässt. Eine in der Kathmandu Post veröffentlichte Studie schreibt: «Alle zehn Minuten wählt eine Frau irgendwo in Nepal die Notrufnummer 1145, die von der National Women Commission betrieben wird, und bittet um Hilfe. Die meisten dieser Anrufe werden von Überlebenden häuslicher Gewalt getätigt, die entweder Misshandlungen melden oder sich nach möglicher Hilfe erkundigen.» Die Uno-Frauenorganisation (UNWomen) nennt dies die «Schattenpandemie».
Wie überall auf der Welt, treffen die Auswirkungen der Pandemie Frauen besonders stark. Sie müssen mehr Hausarbeit leisten und Kinder hüten. Sie tragen nachweislich eine höhere Pflegelast und damit ein grösseres Ansteckungsrisiko. Ihre Einkommen sinken stärker als diejenigen der Männer, weil sie bereits vor der Krise in prekären Jobs arbeiteten. Wegen der geschlossenen Schulen und der wirtschaftlichen Not, werden in Nepal noch mehr Mädchen als sonst derzeit zu früh verheiratet. Auch die Müttersterblichkeit bei der Geburt nimmt dramatisch zu, weil die Frauen aus Angst vor dem Virus nicht mehr in Gesundheitszentren gehen.
Rückkehrmigrantinnen aus Indien
Zwar sind die meisten Nepali, die im Ausland ein Einkommen suchen, Männer, doch es gibt auch Frauen. Die Ärmsten unter ihnen sind in der Regel diejenigen, die in Indien auf eine Arbeit hoffen. Für die Reise ins Nachbarland müssen sie meist keine Kredite aufnehmen und nicht bei teuren Vermittlern anheuern. Nun kehren sie heim – mit leeren Händen, aber vielleicht angesteckt mit Covid-19. Zunächst verweigerte die nepalesische Regierung ihnen die Einreise aus Angst vor dem Virus. Schliesslich durften sie unter der Bedingung einreisen, sich 14 Tage in Quarantänestationen zu isolieren. Verantwortlich für diese Einrichtungen waren die Heimatgemeinden der Migrantinnen und Migranten. Ohne Vorlaufzeit und in grosser Eile mussten diese Quarantänestationen organisieren.
350’000 Personen wurde bislang so isoliert, zwölf Prozent davon Frauen. Als Minderheit sind sie einmal mehr besonders verwundbar. Es gibt keine geschlechtergetrennten Einrichtungen. Deshalb mehrten sich rasch Berichte über Belästigungen, Vergewaltigungen und unzureichende Hygienemöglichkeiten wie fehlende separate Toiletten und Waschräume.
Als Frau in Quarantäne
Sangita B.K. ist 24 Jahre alt und kam mit ihrem Mann aus dem indischen Mumbai zurück: «Mein Mann verlor seinen Job. Wir mussten während des Lockdowns in Indien den ganzen Tag in einem kleinen Raum bleiben. Unser einziger Gedanke war: Wir wollen nach Hause. Als Indien den Lockdown lockerte, machten wir uns auf den Weg. Die Rückreise dauerte vier schwierige Tage lang. Nun sind wir in dieser Quarantänestation. Es ist uns nicht erlaubt, nach draussen zu gehen und jemanden zu treffen. Ich bin unruhig und langweile mich. Ich hatte meine Periode, was hier sehr unangenehm ist, wenn man von so vielen Leuten umgeben ist. Zum Glück erhielt ich Monatsbinden.»
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Frauen übernehmen Verantwortung
Diese erhielt sie von Helvetas. Trotz Reisesperren im Land konnte Helvetas in der Provinz Karnali die Menschen mit dringend benötigter Seife, Desinfektionsmittel, Masken, Handschuhen und eben Damenbinden sowie mit pedalbetriebenen Handwascheinheiten unterstützen. Dabei arbeitete Helvetas Nepal eng mit den lokalen Behörden zusammen – unter anderem mit den Gemeindevertreterinnen Manasobha Budha und Pampha Shahi, die sich der Probleme für Frauen in den Quarantänestationen sehr bewusst sind.
Beide sind sie Vizepräsidentinnen ihrer Gemeinden. In dieser Funktion waren sie mitverantwortlich für den oft sehr kurzfristigen Aufbau der Quarantänestationen und mussten die Einhaltung der Vorgaben durchsetzen. «Als Vertreterin des Volkes können wir uns in dieser Krise nicht vor unserer Verantwortung und moralischen Verpflichtung scheuen», sagt Manasobh Budha. «Die Situation geriet aber oft ausser Kontrolle, da wir nicht darauf vorbereitet waren. Die Menschen, die in Quarantäne gehalten wurden, beschwerten sich, und es war schwierig, sie zum Bleiben zu überreden. In den Dörfern wuchs die Angst vor Ansteckung.» Dank der Hygieneartikel und Handwaschstationen konnte Helvetas die ärgste Not lindern und den Menschen etwas Sicherheit vermitteln. «Es ist die herausforderndste Zeit meiner Amtszeit», sagt Manasobha Budha.
Auch Pampha Shahi erzählt von schwierigen Situationen. Etwa, dass kaum genügend Zeit war, die Stationen durchdacht zu organisieren. Einerseits wussten sie, dass getrennte Bereiche für Frauen wichtig sind, andererseits wollten Frauen nicht von ihren Ehemännern getrennt werden. Sie machte allerdings noch eine weitere, spezielle Erfahrung: «Für mich als Frau im Gemeinderat war es schwierig, ausserhalb der Bürozeiten zu arbeiten. Ich wohne weit weg vom Gemeindebüro und kehre nicht jeden Abend nach Hause zurück. Deshalb fingen die Leute zuhause an, meinen Aufenthaltsort zu hinterfragen und über mich zu lästern. Bei meinen Kollegen passiert das nicht. Aber es ist mir egal, ich bleibe hier in der Gemeinde, und das Positive daran ist, dass ich über alles, was passiert, gut informiert bin und schnell handeln kann.»