Wer die Debatte in Politik und Medien beobachtet, erhält den Eindruck, die Öffentlichkeit stehe der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit zunehmend kritisch gegenüber. Die Politik zweifelt an ihrer Wirksamkeit, die Bevölkerung scheint sich von ihr vor allem die Eindämmung von Migration zu erhoffen und die Medien beschränken sich häufig auf Stereotypen. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die Verantwortlichen zu wenig über die Entwicklungszusammenarbeit und deren Wirkung berichten. Dies verhindert, dass sich Interessierte ein korrektes und differenziertes Bild machen können.
Verschiedene Studien zur Wahrnehmung und Einstellung gegenüber der Entwicklungszusammenarbeit zeigen, dass in der Öffentlichkeit eher diffuse und stereotype Vorstellungen vorherrschen. Wie die Entwicklungshilfe funktioniert und wirkt, ist vielen Menschen nicht bekannt. Zudem sind die systemischen Zusammenhänge, in denen sie sich bewegt und die sie gemeinsam mit ihren Partnern in den Entwicklungsländern positiv zu gestalten versucht, schwer nachzuvollziehen. Das hat zur Folge, dass viele Menschen noch immer ein paternalistisches Entwicklungsbild vor Augen haben, aus Zeiten, als die «entwickelten» Länder den «unterentwickelten» Ländern zeigten, «wie man es richtig macht».
Hohe Akzeptanz, aber ein diffuses Wissen
Dass die heutige Entwicklungszusammenarbeit die politischen Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Interessenskonflikte zugunsten der betroffenen Menschen in Entwicklungsländern beeinflusst, wird selten mit ihr in Verbindung gebracht. Dennoch zeigen Umfragen seit Jahren, dass sie ungebrochen auf breite Akzeptanz stösst. So auch jüngst in der Studie der Militärakademie der ETH «Sicherheit 2019. Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitische Meinungsbildung im Trend». Darin sprechen sich über zwei Drittel der Stimmbevölkerung dafür aus, dass die Schweiz ihre Entwicklungshilfe aufstocken sollte.
Andere Studien zeigen, dass die Vorstellungen über die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit in der Öffentlichkeit breit gefächert sind: Sie reichen von der Verbesserung der Lebensumstände, der Bereitstellung einer Grundversorgung, der Ermöglichung eines eigenständigen Lebens und der Hilfe zur Selbsthilfe bis hin zur Bildung und Wissensvermittlung. Die Erwartungen der Befragten orientieren sich dabei an langfristig und nachhaltig ausgerichteter direkter, konkreter Hilfe vor Ort unter Einbezug der Bevölkerung. Damit verbunden ist auch die Hoffnung, so die Migration eindämmen zu können. Anderen damit verknüpften nationalen Interessen hingegen steht die Bevölkerung kritisch gegenüber.
Während die staatliche Entwicklungszusammenarbeit oft mit dem Verteilen von Geld an korrupte Regierungen in Verbindung gebracht wird, wird die Arbeit von privaten Hilfsorganisationen stärker als konkrete Hilfe vor Ort wertgeschätzt, da diese aus Sicht der Öffentlichkeit in den Entwicklungsländern besser verankert sind als die staatlichen Akteure. Dass dabei oft nicht zwischen Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe unterschieden wird, liegt an dem nach wie vor vorherrschenden Elend-Stereotyp: Arme, bedürftige Entwicklungsländer brauchen nach einem Wirbelsturm, einem Erdbeben oder als Folge eines Konfliktes externe Hilfe – dann lindert die humanitäre Hilfe die Not und die Entwicklungszusammenarbeit sichert im Anschluss die Grundversorgung. Da beide Engagements in solchen Situationen nahe beieinander liegen, sind sie in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals ein und dasselbe.
Dabei werden die privaten Hilfswerke eher in der humanitären Hilfe verortet, sind sie doch bei Katastrophen medial sehr präsent, um Solidarität und Nothilfegelder zu mobilisieren – dies zum Nachteil ihres Engagements in der langfristig angelegten Entwicklungszusammenarbeit, die auf nachhaltige Veränderungen abzielt. Letztere wird fälschlicherweise oft als Domäne von Politik und Staat verstanden und weniger als Handlungsfeld unabhängiger Entwicklungsorganisationen. Dabei ist das Wissen der Öffentlichkeit über die Funktionsweise und die finanzielle Grössenordnung der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit sehr beschränkt. Sie nimmt in erster Linie den politischen «Kampf ums Budget» wahr. Tatsächlich fliessen weniger als 5 Prozent des Bundesbudgets in die gesamten «Beziehungen zum Ausland».
Gefordert ist eine faire und kontinuierliche Kommunikation
Der Grund für die diffusen Vorstellungen in der Bevölkerung über die Wirkung und Funktionsweise der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit und über das Zusammenspiel von Staat und Hilfswerken liegt nicht an deren Unvermögen, dies zu verstehen, sondern vielmehr in der mangelnden Kommunikation seitens des Bundes. Vor elf Jahren wurde die Kommunikationsabteilung der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) in jene des Aussendepartements (EDA) integriert. Seither fristet die Entwicklungszusammenarbeit in der öffentlichen Kommunikation des Bundes ein Schattendasein voller verpasster Chancen.
Die Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit muss anschaulich, transparent und regelmässig kommuniziert werden, um sie im öffentlichen Gedächtnis zu verankern und die solidarische Grundhaltung in der Bevölkerung langfristig zu erhalten. Es muss erklärt werden, dass viele Projekte der Deza ohne Umsetzungshilfe der privaten NGOs nicht stattfinden könnten, und umgekehrt viele Projekte von NGOs ohne Beiträge der Deza nicht zustande kämen. Jeder «Steuer-Franken» der Deza wird durch Spenden an Hilfswerke um ein Mehrfaches multipliziert; eine Hebelwirkung die von der Deza in ihrer Kommunikation unverständlicherweise ausgeklammert wird. Ohne das Knowhow der Entwicklungsorganisationen könnte die Schweiz ihren Gesetzesauftrag, die Entwicklungsländer «im Bestreben, die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung zu verbessern» zu unterstützen, nicht nachkommen.
Viele Projekte bieten Kommunikationschancen: Etwa wenn 8000 Hängebrücken in Nepal – zwei Drittel davon in Deza-Projekten erbaut, technisch unterstützt von Helvetas – Tausenden von Kindern den Weg in die Schule, Kranken und Verletzten den Transport in ein Gesundheitszentrum oder Bäuerinnen den Zugang zu den Märkten ermöglichen. Oder wenn junge Menschen dank Deza-Beiträgen und grosszügigen Spenden von Privaten und Stiftungen eine Berufsbildung erhalten, mit so gewecktem Unternehmergeist ein KMU gründen und weiteren jungen Frauen und Männern Perspektiven bieten. Solche Geschichten fördern die Solidarität privater Spenderinnen und Gönner, und fördern das Verständnis für die Notwendigkeit öffentlicher Gelder in der Entwicklungszusammenarbeit. Sie müssen aber erzählt werden.
Und dem Schweizer Publikum ist auch die Komplexität systemischer Veränderungen zuzumuten. Etwa wenn nicht mehr Brunnen für die Menschen gebohrt, sondern lokale Behörden gestärkt werden, damit sie zusammen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern ein umfassendes Wassersystem planen, es mit lokalen Handwerksleuten umsetzen, die Reparaturen voraussehen und deshalb Servicegebühren einplanen.
Doch derzeit verpasst das EDA diese Chance, kommuniziert es doch kaum über die Ergebnisse von mandatierten Entwicklungsprojekten. Viele ausgezeichnete Initiativen der Deza und von NGOs und deren Wirkung für die Menschen in Entwicklungsländern gelangen so nicht an die Öffentlichkeit. Aber auch die privaten Hilfswerke sind gefordert, in ihrer Kommunikation die staatliche Unterstützung für ihre Projekte verstärkt zu benennen. Solange beides nicht geschieht, verwundert es nicht, dass sich diffuse Vorstellungen in den Köpfen der Schweizer Bevölkerung festigen. Eine zwischen der Deza und ihren Umsetzungspartnern koordinierte und verstärkte Kommunikation zu den Zielen und Wirkungsweise der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit würde in der Bevölkerung, den Medien und in der Politik auf ein gutes Echo stossen.