Seit Jahren steht der Bund für seine Ausschreibungs- und Vergabepraxis bei Projekten der Entwicklungszusammenarbeit immer wieder in der Kritik. Während andere Länder ihre Projekte kaum international ausschreiben, hält sich die Schweiz freiwillig an WTO-Richtlinien und lässt ausländische Anbieterinnen und Anbietern zu – oft zum Nachteil der Schweizer Akteure. Das will die Aussenpolitische Kommission des Ständerats mit einer Motion ändern.
Im Juni 2017 fragte Nationalrätin Elisabeth Scheider-Schneiter mit einer Interpellation beim Bundesrat nach, warum die Schweiz Entwicklungsprojekte nach WTO-Regeln ausschreibe, obwohl solche eigentlich davon ausgenommen seien. Der Bundesrat antwortete, die Ausschreibungen seien zwar mit erheblichem Aufwand verbunden, der Wettbewerb fördere aber «Transparenz, Innovation, Wirksamkeit, Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz der Projekte». Das sehen viele Länder offenbar anders. Sie sind deutlich weniger offen und schreiben häufig nur einen Teil ihrer Projekte international aus – wenn überhaupt. Oder sie verfassen die Ausschreibungen in ihrer Landessprache, was zum Beispiel im Falle von Schweden, Finnland oder Japan de facto zum Ausschluss ausländischer Anbieter führt.
WTO-Musterschülerin auf Kosten Schweizer Akteure
Auch im Parlament sehen viele eher Nach- als Vorteile darin, dass die DEZA und das SECO ihre Projekte für ausländische Anbieterinnen und Anbieter öffnen. So hat die Aussenpolitische Kommission des Ständerats (APK-SR) am 13. August 2020 eine Motion eingereicht, in der sie den Bundesrat beauftragt, bei der Vergabe von Projekten und Mandaten der internationalen Zusammenarbeit «dafür zu sorgen, dass die Anbieterinnen und Anbieter aus der Schweiz bei ausreichender Erfahrung und Kompetenz prioritär berücksichtigt werden». Gemeint sind Akteure des Privatsektors ebenso wie Hilfswerke. Diese Forderung ist brisant, würde sie doch die bisherige Praxis in Frage stellen.
Auslöser der Motion war die in der «Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024» bekräftigte Absicht des Bundesrats, als eigentliche WTO-Musterschülerin die Mandate ohne Not weiterhin gemäss deren Bestimmungen auszuschreiben und zu vergeben. Dabei bezweifelt die Kommission nicht einmal, dass dies «im Grundsatz richtig» sein mag. Aber sie kritisiert die so entstehende «einseitige Marktöffnung». Dies führe zu zusätzlichen Vergaben an ausländische Anbieterinnen und Anbieter, während umgekehrt für Schweizer Akteure der Zugang zu Ausschreibungen anderer Länder nicht gleichermassen gewährleistet sei. Diese Entwicklung lässt sich mit Zahlen belegen. Ausgehend von der Anzahl Projekte und einschliesslich direkter Vergaben des Bundes an staatliche Organisationen im Ausland, stieg der Anteil ausländischer Anbieter gemäss Helvetas-Berechnungen zwischen 2012 und 2016 von 24 auf 53 Prozent. Und die Angaben auf der Website des SIMAP, des Informationssystems über das öffentliche Beschaffungswesen der Schweiz, zeigen, dass in den Jahren 2018 bis 2020 knapp 60 internationale Mandate im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit vergeben wurden, von denen rund 50 Prozent an Schweizer und 40% an ausländische Anbieter gingen, darunter auch an mehrere gewinnorientierte Consultingfirmen. In knapp 10 Prozent der Fälle wurden gemischte Konsortien mandatiert. Von den berücksichtigten ausländischen Organisationen kamen 10 aus Entwicklungsländern und deren 18 aus OECD-Ländern (vor allem Niederlande, Deutschland und Dänemark).
So gesehen ist es stossend, dass die EU im Dezember 2018 die Schweizer Hilfswerke weitgehend von den Mitteln der «European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations» (ECHO) für Humanitäre Hilfe ausschloss, vermutlich als Folge der damaligen Brexit-Streitigkeiten. Dies wurde letztes Jahr denn auch von politischer Seite moniert, scheint aber den Bundesrat nicht sonderlich zu beschäftigen. Die Schweizer Mission in Brüssel verfolge das Anliegen mit Aufmerksamkeit und habe es in einem persönlichen Treffen mit ECHO aufgenommen, hiess es.
Nicht Heimatschutz, aber gleich lange Spiesse
Die APK-SR geht aber in ihren Überlegungen weiter und begründet ihre Motion auch damit, das Schweizer Entwicklungs-Knowhow sichern, den Nachwuchs fördern und Arbeitsplätze in der Schweiz halten zu wollen. Mit dieser Art von Swissness gerät sie aber in den Verdacht, Heimatschutz zu betreiben, was bei internationalen Organisationen nicht wirklich auf Zustimmung stossen dürfte. Gleichzeitig verweist die Kommission aber zu Recht darauf, dass «die Schweizer Zivilgesellschaft die internationale Zusammenarbeit der Schweiz aufgebaut und deren Ruf massgebend geprägt hat», eine Wertschätzung, die man bei politischen Debatten über den Stellenwert der Schweizer Hilfswerke für die Entwicklungszusammenarbeit eher selten hört.
Doch darf es aus Sicht der Hilfswerke in keiner Weise um Protektionismus gehen. Einheimische Anbieter wollen sich dem Wettbewerb stellen, aber sie verlangen gleich lange Spiesse bei den Ausschreibungskonditionen und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Mandatsvergabe: Mit lokalen Firmen zusammenzuarbeiten, Umweltstandards einzuhalten und faire Arbeitsbedingungen mit existenzsichernden Löhnen zu gewährleisten, sind in Verbindung mit fachlichem Knowhow zentrale Eckwerte der Schweizer Hilfswerke. Grösse und spezifisches technisches Knowhow einer (ausländischen) Consultingfirma dürfen keinesfalls zum alleinigen Entscheidungskriterium bei der Vergabe werden. Im Weiteren erachtet die APK-SR jetzt, da der Bundesrat auch die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor stärken wolle, einen verstärkten Bezug zur Schweiz bei der Mandatsvergabe besonders wichtig. Hinzuzufügen wäre aber: Sofern sich auch die Akteure des Privatsektors an die Nachhaltigkeitskriterien halten.
Gesetzliche Vorgaben und Grundsätze
DEZA und SECO müssen zur Kenntnis nehmen, dass das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB), das am 1. Januar 2021 in Kraft tritt, eindeutig festlegt, dass «ausländische Anbieterinnen aus Staaten zum Angebot zugelassen [werden], soweit diese Gegenrecht gewähren oder soweit die Auftraggeberin dies zulässt» (Art. 6.2). Dies gilt für «öffentliche Aufträge ausserhalb des Staatsvertragsbereichs» und dazu gehören «öffentliche Aufträge für die internationale Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit, die humanitäre Hilfe sowie die Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit» (Anhang 5, Ziffer 1.d).
Bei all dem Gerangel um Mandatsvergaben ist es manchmal angebracht, sich wieder einmal die im Bundesgesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe festgehaltenen Grundsätze vor Augen zu führen: Die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz ist ein «Ausdruck der Solidarität, die eines der Prinzipien darstellt, nach denen die Schweiz ihr Verhältnis zur internationalen Gemeinschaft gestaltet» (Art. 2.1). Sie «soll dazu beitragen, dass diese Länder ihre Entwicklung aus eigener Kraft vorantreiben» (Art. 5.1). Und «der Bundesrat kann Bestrebungen privater Institutionen, die den Grundsätzen und Zielen dieses Gesetzes entsprechen, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen.» (Art. 11.1) Im Grunde genommen wäre es ganz einfach – auch bei Mandatsvergaben.