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Die Bedeutung des Gartens: Interview mit Bio-Experte Frank Eyhorn

Frank Eyhorn ist Berater für nachhaltige Landwirtschaft bei Helvetas – und selbst leidenschaftlicher Bio-Gärtner. Im Interview erzählt er, welche Bedeutung Stadtgärten in der Schweiz und Gemüsegärten in Entwicklungsländern haben.
VON: Hanspeter Bundi - 02. März 2017
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Hanspeter Bundi: Alle, die Sie kennen, bezeichnen Sie als passionierten Gärtner. Wann hat das Gartenfieber Sie gepackt?
Frank Eyhorn:
In meinem Heimatdorf Bamlach in Süddeutschland hatten meine Eltern wie fast alle einen Hausgarten. Was man selber produzieren kann, muss man nicht kaufen, galt damals. Man ist stolz auf die eigenen Lebensmittel. Man ist unabhängig. Das eigene Gemüse schmeckt besser. In dieser Tradition bin ich aufgewachsen.

Und wie zeigte sich das im Alltag?
Ich war oft mit dabei, wenn meine Mutter im Garten arbeitete. Wie fast überall auf der Welt war der Gemüsegarten auch in unserer Familie vorwiegend Frauensache. Mein Vater pflegte die Obstbäume, deren Ernte wir auch verkauften, die Cash Crops sozusagen. Meine Mutter kümmerte sich um den Garten. Hier durfte ich schon als sehr kleiner Bub meine eigenen Karotten und Erbsen säen. Als ich ein Teenager war, überliessen mir meine Eltern einen 70 mal 3 Meter schmalen Landstreifen, auf dem ich mein Gemüse pflanzen und experimentieren konnte. Noch während meiner Studienzeit schleppte ich einen Teil der Ernte in einem Rucksack nach Zürich und war stolz darauf, eigenes Bio-Gemüse zu essen.

Der Garten als Ort in einer durchorganisierten, globalisierten Gesellschaft, wo jeder wenigstens über das Gemüse im Teller selber bestimmen kann. Gilt das auch für Sie?
Ich will meinen Traum, ein Stück Land zu bewirtschaften, nicht ideologisieren. Ich weiss aber, dass ich verkümmern würde, wenn ich nicht im Garten arbeiten könnte. Ich brauche ihn für mein seelisches Gleichgewicht. Auch in der grossen Wohngemeinschaft am Rand von Zürich, wo ich heute lebe, haben wir einen grosszügigen Garten. Alle tragen ihn mit. Das Problem ist aber die Regelmässigkeit: Es ist der Garten, der dir sagt, wann du was zu tun hast. Und das passt oft nicht in ein modernes Leben mit vielen Terminen und Verpflichtungen.

Ist der Garten also ein Luxus, den Ihre Gross-WG sich leistet?
Nicht nur. Für eine Besuchergruppe aus Helvetas-Landwirtschaftsprojekten in Indien und Thailand habe ich letzten Sommer aufgeschrieben, was wir in unserem Garten alles anpflanzen. Auf 225 m2 Land habe ich 90 Kulturen mit 150 Sorten gezählt, eine Vielfalt an Gemüse, Kräutern, Obst und Beeren, die mich selbst erstaunte. Ich habe auch die Wertschöpfung des Gartens ausgerechnet und bin auf einen Marktwert von etwa 2’700 Franken gekommen. Auf einen Hektar umgerechnet wären das brutto 120’000 Franken. An unserem Garten zeigt sich, wie viel Wertschöpfung möglich ist, wenn man den Boden sorgfältig, aber intensiv bebaut.

Geht es bei Ihrer Arbeit als Berater für nachhaltige Landwirtschaft bei Helvetas auch um Haus- und Küchengärten?
Das Thema scheint in zahlreichen Projekten von Helvetas auf. Im bolivianischen Hochland ziehen Bäuerinnen das Gemüse für ihre Familien in einfachen Treibhäusern. In Mali, Tansania oder Bangladesch etwa bieten wir Gartenkurse an. Im armen Norden von Laos tragen Hausgärten dazu bei, Nahrungsdefizite zu mindern. Haus- oder Küchengärten stehen in den Projekten von Helvetas allerdings nie für sich allein.

In Guatemala fiel mir auf, wie viel Land in der Nähe von Siedlungen ungenutzt bleibt und vermüllt. Warum legen die Leute da keinen Gemüsegarten an?
Auch bei uns finden sich zwischen den Häusern meist keine Gemüsegärten mehr, sondern unproduktive Flächen mit etwas Anstandsgrün. Die Gründe für diesen Verlust gleichen einander. Die Migration – und bei uns die hohe Arbeitsteilung mit oft langen Pendlerwegen – hat die Menschen von ihrem Land entfremdet.

Ist diese Entwicklung unumkehrbar?
Mit Bewusstseinsbildung lässt sich sicher erreichen, dass die Leute das Land wieder mehr wertschätzen und besser nutzen. Es geht zum Beispiel darum, das Wissen über die Nahrungsmittel, die «food literacy», in die Schulen zu bringen. In Entwicklungsländern ist dieses Wissen mit der Landflucht und der Urbanisierung ebenso erodiert wie bei uns. Wer weiss noch, wie eine Bohnenpflanze aussieht oder wie Gurken angebaut werden? Und was das alles mit dem Boden, dem Wasser und dem Klima zu tun hat?

Sind die Medien nicht voll mit solchen Themen?
Ganz wichtig für das Verständnis von Gärten und Landwirtschaft ist das haptische, sensorische Erleben. Die Leute müssen ausprobieren, sehen und schmecken können. Das gilt für Guatemala wie für die Schweiz.

Ist Urban Gardening eine Lösung?
In vielen Städten weltweit erfährt der Anbau von Nahrungsmitteln einen Aufschwung, sei es in Balkonkisten, auf Brachflächen oder stadtnahen Ackerflächen. In Entwicklungs- und Schwellenländern geht es dabei vorwiegend um eine Bereicherung des Speiseplanes und um Kosteneinsparung.

Bei uns hat urbane Landwirtschaft auf den ersten Blick eine andere Bedeutung. Das gute Essen und dessen Herstellung stehen im Moment bei modernen, urbanen Menschen hoch im Kurs. Dass Urban Gardening in den Industrieländern eine so grosse Sache geworden ist, hat auch mit dem Stolz und der Freude am Selbermachen zu tun.

Das hat selbstverständlich nicht die gleiche existenzielle Dringlichkeit wie in Entwicklungsländern. Doch vielleicht ist auch bei uns das Bedürfnis nach Autarkie – unbewusst – einer der Beweggründe dafür, dass Stadtmenschen Balkonkisten und ungenutzte Nischen mit Salat und Bohnen statt mit Geranien oder Rosen bepflanzen.

 

Frank Eyhorn arbeitet seit zehn Jahren bei Helvetas und ist heute Berater für nachhaltige Landwirtschaft. Er ist Vizepräsident der IFOAM, der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen.

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