Coronavirus in Myanmar: Der Verkehr ist (gefühlt) gefährlicher
Von Peter Schmidt, Direktor Helvetas Myanmar
Die gute Nachricht vorab: In Myanmar gibt es bis heute (Stand 9.3.2020) keinen bestätigten Fall einer Infektion mit dem Coronavirus. Allerdings mag das niemand so richtig glauben angesichts der gemeinsamen Grenze mit dem grossen Nachbarn China.
Weil ich weiss – auch aufgrund von SARS 2002 –, wie wichtig es ist, sich auch innerhalb einer Organisation vorzubereiten und möglichst früh Vorsichtsmassnahmen einzuführen, schickte ich schon am 23. Januar 2020 eine erste Nachricht an den Helvetas-Sicherheitsbeauftragten in Zürich, zu einem Zeitpunkt, als in der Schweiz noch der ausbleibende Schnee für Schlagzeilen sorgte. Seither gehört das Virus hier in Myanmar zu den Tagesthemen. Gesichtsmasken – meist hängen sie irgendwo unterhalb des Kinns – gehören zum Alltag. Beim Eingang zu öffentlichen Gebäuden, Botschaften und Hotels wird Fieber gemessen. Flüge von und nach China wurden eingestellt. Die Grenze zu China wurde vorübergehend geschlossen – und nun wieder geöffnet. Tausende Tonnen von Wassermelonen, die für den Export nach China bestimmt waren, verrotten. Hotels stehen leer, nachdem zuerst die westlichen Touristen wegen der Rohingyakrise ausblieben und jetzt die invasionsartigen Gruppenreisen aus China ausfallen.
Sich vorzustellen, was der Ausbruch des Coronavirus in der dicht besiedelten Metropole Yangon mit einem nicht über alle Zweifel erhabenen Gesundheitssystem bedeuten würde, ist nicht erbauend. So haben wir Massnahmen getroffen: Instruktionen zum richtigen Händewaschen hängen in allen Toilettenräumen der Helvetas-Büros, die Frottiertücher sind ersetzt mit Papierhandtüchern, die IT-Infrastruktur für Homeoffice wird überprüft, Risikoabschätzungen werden gemacht, Pläne erstellt. Und dabei bleibt doch ein Gefühl von Machtlosigkeit gegenüber dem, was da auf uns zukommen könnte.
Und dennoch: Wenn ich am Morgen auf dem Weg zur Arbeit zu Fuss die sechsspurige Pyay Road, die Hauptstrasse quer durch Yangon, gutschweizerisch auf dem Fussgängerstreifen überquere, ist das – zumindest gefühlt – viel gefährlicher!
Coronavirus in Burkina Faso: zusätzlich zu Spannungen und Anschlägen
Von Franca Roiatti, Helvetas-Kommunikationsverantwortliche für Westafrika
Die Neuigkeit, dass das Coronavirus in Senegal angekommen ist, ist noch recht neu. Wir werden sehen, ob die Bevölkerung das Coronavirus nun anders wahrnehmen wird. Bis jetzt jedenfalls herrscht hier noch keine Angst wie in Europa. Ein Bekannter meinte: «Hier kennen wir das Dengue-Fieber und Malaria, wir haben die Ebola-Krise durchlebt – das Coronavirus ist bloss eine weitere Krankheit.» Die Ebola-Epidemie, die Burkina Faso nicht direkt betraf, hat damals das tägliche Leben in Ouagadougou grundlegend verändert: Fast alle kleinen Restaurants der Stadt haben eine Vorrichtung zum Händewaschen mit Seife installiert –eine Art Plastikkanister mit einem kleinen Hahn. Ob es ein Produkt aus China ist? Jedenfalls trug diese Installation dazu bei, dass sich die Menschen ihre Hände häufiger wuschen.
Zu wissen, wie man sich die Hände wäscht, ist der erste Schritt in der Prävention. Es gibt aber bereits andere Massnahmen, zum Beispiel am Flughafen: Die Passagiere werden gebeten, eine Datei mit Informationen über Gesundheit und Reiseherkunft sowie -ziel auszufüllen. Die Regierung hat zudem einen Präventionsplan mit Kontrollen angekündigt. Alle hoffen, dass das Virus die Hitze nicht mag. Gleichzeitig haben die Expats, derzeit besonders die Italiener, Angst zu reisen, weil sie befürchten, nicht nach Burkina zurückkehren zu können.
Trotz alldem ist meine erste Sorge am Morgen nicht, ob das Coronavirus in Burkina angekommen ist, sondern ob es Angriffe gegeben hat, wo und wie viele Menschen betroffen sind. Bewaffnete Gruppen operieren in immer weiteren Teilen des Landes und provozieren Säuberungsaktionen der Armee. Immer mehr Menschen sind deshalb zur Flucht innerhalb des Landes gezwungen. Und in wenigen Monaten stehen Wahlen an, so dass mit weiteren Spannungen und Anschlägen zu rechnen ist. Diese wachsende Unsicherheit ist die wahre Infektion, mit der wir hier konfrontiert sind. Die Sorgen darüber wirken sich täglich auf unsere Arbeit aus. Wir fragen uns: Können wir weiterarbeiten? Was könnten wir tun, um noch besser auf die vielen und wachsenden Bedürfnisse der burkinischen Bevölkerung zu reagieren? Diese Situation trägt dazu bei, die Angst vor dem Coronavirus zu relativieren – ob zu Recht oder zu Unrecht.
Coronavirus in Peru: Sorge um Arme und Benachteiligte
Von Kaspar Schmidt, Helvetas-Programm-Berater Peru
Hier in Südamerika haben wir die Verbreitung des Coronavirus bisher aus grosser Distanz verfolgt. Aber geografische Distanz bedeutet in einer globalisierten Welt kaum Schutz, höchstens zeitliche Verzögerung. Dies insbesondere für ein Land wie Peru, das intensive Handelsbeziehungen mit China und anderen bisher betroffenen Ländern unterhält und eine attraktive Touristendestination ist. Noch vor zwei Wochen erschien ganz Südamerika «infektionsfrei» auf der Weltkarte, ohne rote Kreise, die bestätigte Infektionsfälle anzeigen. Inzwischen gibt es in vier Nachbarländern Perus erste bestätigte Erkrankungen und die roten Kreise in Mittel- und Nordamerika sowie der Karibik werden täglich grösser.
Wahrscheinlich werden in den kommenden Tagen erste Fälle in Peru bestätigt. In den nationalen Medien ist das Virus längst angekommen; das Thema wird mit jedem Tag präsenter. Beim Betreten der Büros der Deza und des Seco in Lima wird man aufgefordert, die Hände zu desinfizieren. Vorgestern Abend fiel mir beim Einkaufen im Supermarkt in unserem Quartier auf, dass nur noch wenig Flüssigseifendispenser im Regal standen. Die Gesundheitsbehörden und Spitäler bereiten sich auf erste Fälle vor, haben aber bisher bloss allgemeine Präventions- und Hygienemassnahmen empfohlen. Das Leben scheint (noch) weitgehend seinen gewohnten Lauf zu nehmen in der Metropole Lima. Gut möglich allerdings, dass wir uns in den kommenden Wochen und Monaten weniger häufig mit einem Kuss auf die Backe begrüssen werden, wie sonst üblich.
Im Helvetas-Team Peru diskutieren wir in diesen Tagen viel über das Virus. Wir bereiten uns vor und versuchen etwas zu tun gegen diesen wenig fassbaren Krankheitserreger, angefangen bei den gängigen Präventivmassnahmen wie der Aufklärung über die Wichtigkeit von häufigem und gründlichem Händewaschen. Dies im Bewusstsein, dass wir hier in der Hauptstadt privilegiert sind. Doch: Was könnte das Coronavirus für unsere lokalen Partnerorganisationen und die Gemeinschaften in den ländlichen Gebieten Perus und Südamerikas bedeuten, mit denen wir zusammenarbeiten? Oder auch für die Bevölkerung in ärmeren Quartieren der Stadt inklusive der dort lebenden Flüchtlinge aus Venezuela? Für Gebiete mit schlechter medizinischer Versorgung und teilweise prekären hygienischen Bedingungen? Dies sind derzeit unsere drängendsten Fragen.