In Sasilo in der trockenen Singida-Region im Herzen Tansanias stehen Bauern und Bäuerinnen jeden Tag vor Dilemmas: Halten sie Kühe, sind sie auf Weidefläche für ihr Vieh angewiesen. Dafür brennen sie zum Teil Buschwald ab, sehen aber, dass das den Boden schädigt und die Biodiversität ausdünnt. Zugleich brauchen sie Holz, zum Kochen und um Bienenstöcke herzustellen. Aber sie sehen auch, dass der Boden dort, wo einst Wald war, nichts mehr hergibt und bei Starkregen weggeschwemmt wird.
Was tun in einem Land, in dem rund 60 Prozent der arbeitenden Bevölkerung von der Landwirtschaft lebt? Laut Global Forest Watch hat Tansania seit dem Jahr 2000 rund zwölf Prozent seines Waldes verloren. Kurzfristiger Nutzen steht dauerhaftem Schutz des Bodens gegenüber, auch in Sasilo, wo viele unter anderem Baumwolle anbauen – eines der wichtigsten Exportgüter des Landes – und Honig ein Zusatzeinkommen bietet.
Ergänzung mit Satellitenbildern
Die Antwort, die Helvetas den Menschen in Sasilo ans Herz gelegt hat, lautet: Über die eigenen Grenzen hinweg grösser denken. Das bietet Chancen für alle. In einem ersten Schritt bittet Helvetas die Dorfbewohner:innen, eine einfache Landkarte zu erstellen. Ein Umweltkomitee aus acht gewählten Einwohner:innen zeichnet darin das eigene Dorf ein: die Häuser, die Wälder, das Acker- und Weideland, den Kisigo, der in der Nähe vorbeifliesst, und die Täler. In einem nächsten Schritt werden die Bedürfnisse und die Umweltprobleme auf derselben Karte vermerkt.
Der bekannte Umweltaktivist Ghaamid Abdulbasat lässt sich im Dorf Sasilo das sogenannte «Mapping» zeigen, bei dem Helvetas-Projektleiter Visitantuly Pilyson mit Einwohnenden deren Bedürfnisse und Beobachtungen auf eine Karte einzeichnet.
«Hier haben Viehzüchter den Wald für Weideflächen abgebrannt», sagt etwa ein Mann aus dem Komitee und zeigt auf eine Stelle auf der Karte. «Nun hat sich der Fluss hier ungehindert ausgebreitet. Viel fruchtbares Land ist verschwunden.» Die Brandrodung hat zur Erosion des Bodens geführt, weil ihn die Wurzeln nicht mehr zusammenhalten. Auch diese Beobachtung wird kartiert.
Unterstützt wird das Umweltkomitee von Helvetas-Mitarbeitenden, die Satellitenbilder der Gegend auswerten und diese Analysen mit dem Komitee teilen. Sie ergänzen und verfeinern so die Bestandesaufnahme des Komitees. Gemeinsam beschliessen die Dorfbewohner: innen dann anhand der Karte, wo sie ihr Vieh weiden lassen können, ohne Wald zu schädigen. Wo sie wiederaufforsten und wo sie Flussuferabschnitte stabilisieren.
Die Karte mit den Satellitendaten hilft auch, gute Standorte für Neuanpflanzungen zu finden. Dies in enger Zusammenarbeit mit den Einwohner:innen, die von speziell ausgebildeten Bäuerinnen gelernt haben, wiederaufzuforsten, und die kontrollieren, ob die Satellitenbilder mit der Realität übereinstimmen. Fast 20’000 Bäume haben Sasilo und zwölf andere Dörfer alleine im Jahr 2022 gepflanzt – oftmals mit der Unterstützung von Schulklassen.
«Klima-smarter» Anbau
Um trockene, erodierte Böden wieder in grüne, gesunde Landschaften zu verwandeln, braucht es jedoch mehr als Wiederaufforstung: Es braucht organischen Dünger und Kompost sowie klimaresistenten Anbau. Dazu gehören Waldgärten, mit denen die Bäuer:innen ihre Pflanzungen diversifizieren können und wo mehrjährige Obstbäume und Nutzhölzer gemeinsam mit einjährigen Nutzpflanzen aufgezogen werden.
Pili Mohamed, Vorsitzende des Umweltkomitees von Sasilo und Kleinbäuerin
«Ich kann nun das ganze Jahr über ernten», erklärt Fatuma Gwau Kundya. «Die Moringa- und Gliricidia-Bäume bilden einen natürlichen Zaun um meinen Garten zum Schutz vor Wildtieren und weidendem Vieh. Die Blätter, Wurzeln und Samen vom Moringa sind sehr gesund, Gliricidia verbessert die Bodenfruchtbarkeit, liefert gesundes Tierfutter und Brennholz und spendet Schatten.»
Die Leute sind stolz auf ihre Waldgärten und ebenso auf ihre Bienenzucht. Die Imker:innen haben inzwischen gelernt, Bienenstöcke holzsparsamer zu bauen, die Honigernte «bienenschonender» durchzuführen und so mehr Honig zu produzieren.
Gross denken mit grossen Partnern
Die Kleinbäuer:innen in Sasilo haben inzwischen ihre Einkommen diversifiziert und das Risiko von Ernteausfällen, die mit dem Klimawandel stetig zunehmen, minimiert. Doch um die Folgen des Klimawandels grossflächig abzufedern, braucht es vernetzte Massnahmen. Hier zeigt sich der Gewinn, gross zu denken und das grosse Ganze zu betrachten, wie es heute das Umweltkomitee von Sasilo tut.
Sie denken nicht nur in Gärtchen und Feldern, sondern beurteilen auch das Gemeindeland. Dieses Vorgehen ist pionierhaft. Es erlaubt dem Komitee, Pläne für die gesamte Landschaft rund um Sasilo zu entwerfen. Und sie entdecken darin Verbündete für den Schutz der Region. So bezieht Helvetas ein Unternehmen mit ein, das Bio-Baumwolle verarbeitet und welches erfolgreiche Agronom:innen engagiert, damit diese die Kleinbäuer: innen in den erwähnten nachhaltigen Anbautechniken ausbilden und ihnen beibringen, biologischen Dünger herzustellen. Eine Win-Win-Situation, denn eine ergiebigere und nachhaltige Wertschöpfungskette dient beiden.
Zurück zu den Dorfkarten, welche auch Flächen mit wertvoller Biodiversität zeigen: Für diese sind die Behörden des Distrikts zuständig. Sie sammeln die Karten und Pläne der Umweltkomitees der verschiedenen Dörfer und bringen sie zusammen. So können dorfübergreifende Aufforstungsflächen ausgeschieden werden. Die Anliegen von Frauen und der jüngeren Generationen werden dabei genauso angehört und miteinbezogen, wie diejenigen der alteingesessenen Bauern. Pili Mohamed, Kleinbäuerin aus Sasilo und Vorsitzende des dortigen Komitees, sagt: «Ich habe die Macht der Kartierung erst erkannt, als ich persönlich daran mitgearbeitet habe.»