Am 9. Februar entscheiden die Schweizer Stimmberechtigten über eine Erweiterung der Antirassismus-Strafnorm im Strafgesetzbuch und im Militärstrafgesetz. Sie stimmen darüber ab, ob es künftig verboten sein soll, Menschen nicht nur aufgrund ihrer Rasse, ihrer Ethnie oder ihrer Religion zu diskriminieren, sondern auch wegen ihrer sexuellen Orientierung. Mit anderen Worten: Auch Personen, die sich als LGBTQI identifizieren, sollen künftig unter dem Schutz des geltenden Antirassismus-Gesetzes stehen. LGBTQI steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer und Intersex, auf Deutsch lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer und intersexuell.
Die rechts-konservativen Gegner der Erweiterung bezeichnen diese als ein «Zensurgesetz», das die Meinungsäusserungsfreiheit untergrabe. Bereits bei der ersten Abstimmung 1994, als der Gesetzesartikel «Diskriminierung und Aufruf zu Hass» (StGB Art. 261bis) eingeführt wurde, war das ein beliebtes Totschlagargument. Trotzdem wurde der Artikel mit einem Stimmenanteil von 55 Prozent angenommen. Das dürfte dieses Mal nicht anders sein.
Genauer betrachtet, wirft jedoch die Abstimmung selbst Fragen auf: Meinungsfreiheit und Stimmrecht sind unbestritten von grundlegender demokratischer Bedeutung, aber es gibt Grenzen. Dass die Stimmberechtigten überhaupt darüber entscheiden dürfen, ob eine bestimmte Gruppe von Menschen von den gleichen Rechten und vom gleichen Schutz, den wir alle geniessen, ausgeschlossen werden darf, ist an sich schon diskriminierend. Darüber hinaus steht diese Wahl, Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Ja oder Nein diskriminieren zu dürfen, auch im Widerspruch zu den universellen Grundrechten und traditionellen Schweizer Werten wie Toleranz, Einheit, Frieden und Freiheit.
Niemanden zurücklassen
In einigen der ärmsten Länder, in denen Helvetas tätig ist, ist Diskriminierung ein Hauptgrund für die anhaltende Ungleichheit, Ausgrenzung und Armut. Daher sind die Vermittlung und Förderung der genannten Grundrechte und -werte ein zentrales Anliegen in der Entwicklungszusammenarbeit – auch um den Zielen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung gerecht zu werden: Auf dem Weg zu einer grundlegenden Transformation der Welt darf niemand zurückgelassen werden. Für Helvetas bedeutet dies, dass alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, Religion, Sprache, Ethnie, sexueller Orientierung, Alter, körperlichen, intellektuellen oder geistigen Fähigkeiten, ihr volles Potenzial entfalten und ein selbstbestimmtes Leben gleichberechtigt, fair, sicher und in Würde führen können sollen.
In den meisten Partnerländern von Helvetas ist es ein Fluch, arm zu sein, ist es eine Bürde, Frau zu sein, und ist es eine Strafe, jung zu sein. Aber homosexuell, transgender oder anders zu sein, ist ein potenzielles Todesurteil, sei es aufgrund von Gesetzen (Todesstrafe), willkürlicher Gewalt (Selbstjustiz) oder als Selbsttötung aus Verzweiflung angesichts von gesellschaftlichen Überzeugungen und Praktiken, die die Diskriminierung und Verfolgung von LGBTQI-Menschen rechtfertigen und so Menschenleben zerstören.
Ein Votum für Rechte, Schutz und Toleranz
Die Todesstrafe wurde in der Schweiz 1942 zivilrechtlich und 1992 militärrechtlich abgeschafft. Diskriminierung aber gibt es hierzulande nach wie vor und führt gegenüber LGBTQI-Personen zu Schikanen und willkürlicher Gewalt, was auch hier ihren Tod zur Folge haben kann. Umso wichtiger ist es, dass die Stimmberechtigten am 9. Februar ein deutliches Zeichen gegen Intoleranz setzen. Diskriminierung, Verfolgung und Marginalisierung jeder Personengruppe ist nicht nur gesetzeswidrig, sondern verletzt die Verfassung und steht im Widerspruch zu den Schweizer Werten. Wer der Erweiterung der Antirassismus-Strafnorm zustimmt, stimmt für die Rechte und den Schutz aller Personen, die sich als LGBTQI identifizieren, und damit auch für Familienmitglieder, Freunde und Kolleginnen und Kollegen, die man als LGBTQI kennt oder vielleicht auch nicht kennt. Damit diese ein vollwertiges Leben frei von Vorurteilen, Mobbing, Angst und Gewalt führen.