Etliche Länder des Südens richten ihre Landwirtschaft auf den Export aus. Während das Agrobusiness profitiert, geraten die Rechte der bäuerlichen und indigenen Bevölkerung oftmals unter die Räder – mit sozialen und ökologischen Folgen für das ganze Land.
Soja, Palmöl und Avocado haben eines gemeinsam: Um die steigende Nachfrage in reichen Ländern zu befriedigen, werden für den Anbau riesige landwirtschaftliche Flächen in süd- und zentralamerikanischen Staaten benötigt. Doch mit welchen Folgen für die Menschen und die Umwelt in diesen Ländern? Drei kurze Fallbeispiele aus Paraguay, Guatemala und Kolumbien zeigen die Herausforderungen und Probleme, aber auch, was der Westen damit zu tun hat.
Paraguay: steigende Soja-Exporte für Tierfutter
In Paraguay ist der Landbesitz extrem ungleich verteilt. Gleichzeitig wird auf über 90 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen für den Export angebaut – vorwiegend gentechnisch verändertes Soja in Monokultur vornehmlich für Tierfutter für Nutztiere. Damit Soja gedeiht, braucht es grosse Mengen an gefährlichen Pestiziden – auch solche, die in der EU längst verboten sind, weil sie die Gesundheit der Menschen schädigen. Vier multinationale Agrarkonzerne profitieren im südamerikanischen Land besonders von den Geschäften mit den gentechnisch veränderten Pflanzen: Monsanto/Bayer, Dow Agrosciences, BASF sowie Syngenta mit ihrem Hauptsitz in der Schweiz.
Paraguay verlor seit 2002 rund die Hälfte der Fläche, auf der einst Grundnahrungsmittel für den eigenen Bedarf erzeugt wurden. Diese Flächen erkaufen sich Agrarunternehmen oft billig von der Landbevölkerung. Nicht selten werden sie Opfer von Zwangsräumungen. Wo Bauern und Indigene um ihr Land gebracht werden, verlieren sie ihr traditionelles Saatgut, weil sie es nicht mehr erzeugen und anbauen können. Und sie können ihr Recht auf Ernährung und sauberes Wasser nicht mehr geltend machen. Die Betroffenen ziehen häufig in städtische Ballungsräume, finden dort allerdings nur schwer ein neues Auskommen.
In diesem Modell des exportorientierten Agrobusiness zählt Profit mehr als die Rechte der bäuerlichen und indigenen Bevölkerung. Die Selbstversorgung mit Gemüse und Obst wird immer schwieriger; immer häufiger müssen Nahrungsmittel importiert werden. Zudem schadet das Modell der Natur: Nicht nur führen Soja-Monokulturen zu grossflächiger Entwaldung. Der industrielle Anbau schadet auch der Artenvielfalt, nicht zuletzt, weil vielerorts Wasserläufe mit Agrarchemikalien vergiftet werden.
Guatemala: Palmöl-Riesen vertreiben Kleinbauern aus ihrem Business
In Guatemala hat sich die genutzte Fläche für die Palmöl-Industrie in den letzten zehn Jahren beinahe verdoppelt. Der globale Palmölmarkt wird zwar von Indonesien und Malaysia beherrscht, die zusammen mehr als 80 Prozent des weltweiten Angebots produzieren. In Lateinamerika aber steht Guatemala nach Kolumbien an zweiter Stelle – und ist mittlerweile der sechstgrösste Produzent der Welt. Das aus Palmfrüchten gewonnene Öl ist in den meisten Industrieprodukten enthalten, darunter Tierfutter, Schokolade und Glacé, Seifen und Reinigungsmittel, Shampoos, Zahnpasta und Deodorants – sowie zunehmend auch in Biokraftstoffen.
Die Machtverhältnisse in der Palmölindustrie sind in Guatemala extrem ungleich: Grossunternehmen besitzen fast die gesamten Ölpalmenflächen, während sich gerade mal drei Prozent unter der Kontrolle von Kleinbäuer:innen befinden. Tausende wurden in den letzten zehn Jahren von ihrem Land vertrieben, um Platz für Palmöl-Monokulturen zu schaffen. Viele ehemalige Kleinbauern malochen heute für die Palmöl-Riesen, da es in der Region kaum andere Jobs gibt. Mehr als 80 Prozent der guatemaltekischen Palmölproduktion wird exportiert – ein grosser Teil davon nach Europa. Abnehmer sind häufig grosse multinationale Nahrungs- und Getränkehersteller wie Cargill, Unilever, Mondelez und PepsiCo.
Palmöl aus Guatemala wird oft als nachhaltige Alternative zu den südostasiatischen Palmölgiganten gesehen bzw. verkauft, weil mehr als 60 Prozent von Guatemalas Plantagen durch das Label für sozial und ökologisch nachhaltiges Palmöl (RSPO) zertifiziert sind. Der Durchschnitt in Lateinamerika liegt bei lediglich 35 Prozent, weltweit sogar bei unter 20 Prozent. Allerdings zeigt eine aktuelle Studie, dass trotz der weitverbreiteten Zertifizierung die Plantagen für 28 Prozent der Entwaldung in der Region verantwortlich sind, und dass über 60 Prozent dieser Plantagen in wichtige Biodiversitätsgebiete eindringen. Das Label erreicht also nicht das erhoffte Ziel sozialer und ökologischer Vorgaben.
Kolumbien: ein neuer Avocado-Produzent für Europa
Die Avocado hat in Kolumbien als neue Kulturpflanze weite Landstriche erobert. Innert zehn Jahre hat sich das südamerikanische Land dank tropischen Klimas und der günstigen Bedingungen für Auslandsinvestitionen zum weltweit zweitgrössten Avocado-Produzenten hinter Mexiko entwickelt. In derselben Zeit ist der Export in die EU von 500 Tonnen auf knapp 100'000 Tonnen angestiegen. Nur Peru liefert mehr Avocados nach Europa. Mit der staatlichen Förderung des Avocado-Anbaus setzt sich in Kolumbien ein exportbasiertes Anbau- und Entwicklungsmodell durch, während die einheimischen Landarbeiter:innen ihre Ernährungssouveränität einbüssen. Auch andere Agrarerzeugnisse des Landes wie Bananen und Kaffee werden hauptsächlich für den Export produziert.
Die Probleme, die mit dem Avocado-Boom einhergehen, sind mannigfach: Zwar werden neue Arbeitsplätze geschaffen. Gleichzeitig verdrängen transnationale Unternehmen unzählige Kleinbäuer:innen, indem sie ihnen für günstiges Geld und schlechte Bedingungen Land abkaufen, um grossflächige Avocado-Monokulturen anzulegen. Für die riesigen, wasser-intensiven Plantagen müssen mehr und mehr Wälder weichen, die sich teils in Schutzzonen befinden, und die als Kohlenstoffsenke im Kampf gegen den globalen Klimawandel wichtig wären. Im Anbau setzen die Produzentenfirmen nicht genehmigte Agrochemikalien ein, wobei sie darauf schauen, dass in den Avocados, die in den Export gehen, keine Rückstände mehr zu finden sind. Während in Europa makellose Früchte landen, wird in Kolumbien das Grundwasser verseucht und immer knapper.
Die als Superfood beliebte Frucht ist wichtiger Bestandteil der veganen Küche. Doch die Frage stellt sich: Ist es vertretbar, den Verzehr exotischer Früchte voranzutreiben, die mit gewaltigem Wasserverbrauch produziert sowie mit grossem Energieaufwand für Transport und Kühlung aus Kolumbien herbeigeschafft werden und die dortigen Ökosysteme – den Wasserhaushalt, die Artenvielfalt und letztlich auch das Klima – derart negativ beeinträchtigen? Zumal Avocados kein entscheidendes Grundnahrungsmittel sind, mit dem der Welthunger bekämpft wird, sondern ein Luxusgut.