Im Dezember findet in Dubai die Weltklimakonferenz statt. Fortschritte bei der Unterstützung an «Klimaanpassung» und im Bereich von «Schäden und Verlusten» in ärmeren Ländern sind dringend notwendig, um verloren gegangenes Vertrauen in die Industrieländer zurückzugewinnen. Vertrauen, das nötig ist, damit die ärmeren Länder dem Rest der Welt bei anderen Themen wie erneuerbaren Energien und nachhaltigem Klimaschutz entgegenkommen.
Laut der UNO zeigen alle wichtigen Klimaindikatoren in die falsche Richtung: In Teilen Südamerikas herrschten im August ungewöhnlich heisse Temperaturen. Die Kombination von Klimawandel und El Niño führte zu einer ungekannten Winterhitze. Extreme Wetterereignisse richten auf dem gesamten Kontinent Verwüstungen an und verursachen Schäden in Milliardenhöhe. Auch Südasien trifft es hart: Unvergessen bleibt die Flutkatastrophe historischen Ausmasses in Pakistan im Sommer 2022. Betroffen waren 33 Millionen Menschen – mit Schäden von über 30 Milliarden US-Dollar.
Schliesslich der afrikanische Kontinent, wo Libyen in diesem Jahr eine Starkregen-Katastrophe erlebte. Über 11'000 Menschen verloren ihr Leben, mindestens 35'000 ihr Zuhause. Währenddessen steuert das östliche Afrika auf die sechste ausgefallene Regenzeit in Folge zu. Die Dürre ist so dramatisch wie seit 40 Jahren nicht mehr, als mit Band Aid und Live Aid Geld für die Hungernden in Äthiopien gesammelt wurde. Weit über 40 Millionen Menschen sind seit Oktober 2020 am Horn von Afrika auf Unterstützung angewiesen. Da halfen auch die ausserordentlich starken Regenfälle im März und November 2023 nichts – schlimmer noch: Die ausgetrockneten Böden können die Wassermassen nicht aufnehmen, was zu Überflutungen und noch mehr Leid führt.
Erwartungen an den Loss and Damage Fund – und grosses Misstrauen der ärmeren Länder
Gemäss Bericht des Weltklimarats (2023) starben im letzten Jahrzehnt in ärmeren Regionen 15-mal mehr Menschen wegen Fluten, Dürren oder Stürmen als in wohlhabenden Gegenden. Bereits sind 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen derart ungeschützt und mittellos (vulnerabel), dass sie sich vor den Folgen der Erderhitzung kaum schützen können. Umso dringlicher und wichtiger war der Entscheid an der letztjährigen Weltklimakonferenz (COP27), einen neuen Fonds für Schäden und Verluste (Loss and Damage Fund) einzurichten.
An der COP28 in Dubai, die in einer Woche startet, soll der Fonds nun handlungsfähig gemacht werden. Die Erwartungen an wohlhabende Länder, erste Finanzzusagen zu machen, sind gross. Denn, sollen mit ärmeren Ländern Ergebnisse beim Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas und in Richtung erneuerbare Energien erzielt werden, müssen ihnen die Industrieländer bei der «internationalen Klimafinanzierung» und bei «Loss and Damage» entgegenkommen.
Immer wieder weisen die Entwicklungsländer darauf hin, dass sie mehr finanzielle und technologische Unterstützung für Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen (Klimafinanzierung) benötigen. Dabei hilft es nicht, dass die Industrieländer ihr Versprechen nicht einhalten, ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung zu mobilisieren. Das Vertrauen der Entwicklungsländer in ernsthafte und klimagerechte Bemühungen der wohlhabenden Länder ist ziemlich beschädigt. Nicht nur wird gemäss aktuellem OECD-Klimabericht vom November 2023 Jahr für Jahr die 100 Milliarden-Zielmarke verfehlt. Die Mittel werden auch nicht zusätzlich geleistet, sondern grossmehrheitlich aus den bestehenden Entwicklungshilfe-Budgets der Geberländer genommen. Ausserdem erfolgt lediglich ein Fünftel der Finanzierung in Form von Zuschüssen. Der weitaus grösste Teil wird in Form von rückzahlbaren Krediten geleistet, was die Empfängerländer noch zusätzlich in die Verschuldung treibt.
Werden an der COP28 Fortschritte bei Loss and Damage erzielt, könnte wichtiges Vertrauen zurückgewonnen werden. Scheitern hingegen die Verhandlungen um den Fonds, droht der COP28 auch bei anderen Themen ein Fiasko – z.B. beim zentralen Bekenntnis aller Staaten zum «Pariser» 1,5 Grad-Ziel, beim weltweiten Verzicht auf die Erschliessung neuer Öl- und Gasfelder, beim globalen Ausstieg aus der Kohle sowie beim Ausbau der Klimafinanzierung, wobei sich neu auch gewichtige Schwellenländer an deren Finanzierung beteiligen sollen.
Soll der neue Fonds bei der Weltbank angesiedelt werden? – und weitere wichtige Fragen
Loss and Damage beschreibt die Folgen des Klimawandels, an die sich die Menschen nicht mehr anpassen können. Dazu gehört z.B. die Zerstörung von Häusern und Infrastruktur bei extremen Überschwemmungen, der Ausfall von Ernten aufgrund von langanhaltenden Dürren oder die Überflutung von Kulturdenkmälern an Küsten wegen des steigenden Meeresspiegels. Schätzungen zufolge könnten die Kosten für Schäden und Verluste bis 2030 auf 290 bis 580 Milliarden US-Dollar pro Jahr ansteigen. Ein Grossteil dieser Kosten wird schon heute von den Entwicklungsländern getragen, die bereits am stärksten von den Auswirkungen der Klimaveränderung betroffen sind.
Zunächst, so der Beschluss aus den Vorverhandlungen, soll der neue Fonds von der Weltbank verwaltet werden. Trotz legitimer Bedenken ärmerer Länder liegt darin eine Chance: Dank bestehender Strukturen kann der Fonds rasch aufgesetzt und operativ werden. Hinzu kommt, dass mit der Global Environment Facility GEF bereits ein anderer Klimafonds erfolgreich bei der Bank angesiedelt ist, mit dem wichtige Erfahrungen im Bereich des « direkten Zugangs für die Menschen» («Direct access») gesammelt werden konnten. Wichtig ist, dass der neue Fonds unabhängig und demokratisch geführt wird, und Industrie- und Entwicklungsländer Entscheide gleichberechtigt treffen. Ebenfalls entscheidend ist, dass sich der Fonds unabhängig vom Land an den Bedürfnissen der verwundbarsten Menschen ausrichtet und diesen einen raschen Zugang zur Unterstützung ermöglicht.
An der COP28 gilt es, den neuen Fonds in Ergänzung zu Unterstützungsmechanismen wie dem «Global Shield» gegen Klimarisiken auf den Weg zu bringen und angemessen mit Finanzen zu füllen. Die wohlhabenden Länder stehen besonders in der Pflicht, da sie durch ihre Emissionen die hauptsächliche (historische) Verantwortung für die Klimakrise tragen. Auch Schwellenländer und Öl- und Gasproduzierende Länder sollten sich am Fonds beteiligen. Derzeit sind sie noch von Zahlungen an die Klimafinanzierung ausgenommen, da sie gemäss der UNO-Klimarahmenkonvention von 1992, der Vorläuferin des Pariser Abkommens von 2015, als Entwicklungsländer eingestuft werden.
Nicht zuletzt steht auch die Schweiz mit ihrem hohen Pro-Kopf Klimafussabdruck in der Verantwortung. Nach wie vor treiben Schweizer Firmen fossile Projekte voran. Und hiesige Banken finanzieren Kohle- und Ölprojekte in Afrika und Südamerika. Selbst die Nationalbank beteiligt sich an 69 umweltschädlichen Fracking-Projekten. Ebenfalls relevant: Die Schweiz verfügt als eines der wohlhabendsten Länder mit einer der geringsten Verschuldungsrate der Welt über die finanziellen Voraussetzungen für eine grosszügige Beteiligung am Fonds.
Um zu vermeiden, dass die Zahlungen an den Loss and Damage Fund nicht wie die Beiträge an die internationale Klimafinanzierung aus den nationalen Budgets der Entwicklungszusammenarbeit (und somit auf Kosten der Armuts- und Hungerbekämpfung) genommen werden, braucht es neue Geldquellen. Zielführend und sinnvoll sind «verursachergerechte Finanzierungsinstrumente», sodass tatsächlich diejenigen für die negativen Auswirkungen des Klimawandels geradestehen, die durch ihr Handeln die globale Erhitzung massgebend mitverursachen. Dazu gehören die sog. Carbon Majors in der Zement- und Rohstoffbranche, die internationale Schifffahrt und Banken, die nach wie vor in fossile Projekte investieren, sowie schwerreiche Individuen – denn die reichsten 1 Prozent der Weltbevölkerung verursachen etwa so viel Kohlenstoffverschmutzung wie die fünf Milliarden Menschen, die die ärmsten zwei Drittel der Menschheit ausmachen.