Das neue CO2-Gesetz trägt dazu bei, das Pariser Klimaabkommen umzusetzen. Zwar genügen die Bestimmungen noch nicht, um die darin enthaltenen Zusagen zu erfüllen, doch sie gehen in die richtige Richtung. Erdöl- und Autoverbände wollen es verhindern und ihre Besitzstände wahren – auf Kosten künftiger Generationen. Am 13. Juni wird über das Gesetz abgestimmt. Ein Scheitern der Vorlage wäre ein klimapolitisches Desaster.
Im Winter 2019 kam das Parlament zur Besinnung und revidierte das CO2-Gesetz im zweiten Anlauf in Richtung des Pariser Klimaabkommens. Noch ein Jahr zuvor hatte der Nationalrat dem Entwurf zunächst sämtliche Zähne gezogen, um ihn dann mit klarer Mehrheit zu versenken. Gleichzeitig nahm die klimabewegte Jugend aber immer mehr Fahrt auf und ging in grosser Zahl auf die Strasse. Die Wissenschaft erhob ihre warnende Stimme und die Eidgenössischen Wahlen von Oktober 2019 vergrünten das Parlament. Daraufhin beschlossen beide Kammern eine deutlich verbesserte, aber dennoch ausgewogene, sprich ambitionslose Gesetzesrevision: der Nationalrat mit 129 zu 59, der Ständerat mit 33 zu 5 Stimmen. Nur Rechtsaussen war dagegen. Damit schien das revidierte Gesetz bei einer allfälligen Volksabstimmung zu einem Selbstläufer zu werden und quasi im Schlaf eine deutliche Mehrheit hinter sich scharen zu können.
Die Revision und das Referendum
Das neue CO2-Gesetz genügt den Zielen des Pariser Klimaabkommens nicht, aber das hatten nicht einmal die «Klima-Turbos» wirklich erwartet. Es gewinnt keinen Schönheitspreis, aber immerhin wurden wichtige Klimaschutz-Schritte beschlossen, wie auch die Klima-Allianz bilanzierte. Die wichtigsten Bestimmungen in Kürze:
- Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 um mindestens 50 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Die Verminderung soll zu mindestens 75 Prozent durch Massnahmen im Inland erfolgen.
- Um dies zu erreichen, sind verschiedene Massnahmen vorgesehen: Im Gebäudebereich werden die Regeln und Grenzwerte für Öl- und Gasheizungen verschärft. Die Lenkungsabgabe auf Brennstoffen steigt, wird jedoch pro Kopf an die Bevölkerung und zweckgebunden ins Gebäudeprogramm zurückfliessen. Dank strengerer CO2-Zielwerte für Neuwagen sollen Autos sowie Liefer- und Lastwagen umweltschonender werden. Mit Aufschlägen bei Benzin und Diesel werden insbesondere Vielfahrerinnen und -fahrer spürbar und verursachergerecht zur Kasse gebeten.
- Im Flugverkehr wird eine CO2-Lenkungsabgabe auf Flugtickets von 30 bis 120 Franken eingeführt. Bei privaten Geschäftsflügen beträgt die Abgabe 500 bis 3000 Franken pro Flug. Die Einnahmen werden zur Hälfte an Bevölkerung und Wirtschaft rückverteilt. Die andere Hälfte fliesst in den neuen Klimafonds. Dieser Fonds, der auch mit Einnahmen aus der CO2-Abgabe gespiesen wird und laut Schätzungen jährlich über mehr als eine Milliarde Franken verfügen dürfte, soll gezielt Massnahmen zur Verminderung der Treibhausgasemissionen sowie klimafreundliche Technologien fördern.
Schon während der Beratungen wurde das Referendum angekündigt. Auto- und Erdölverbände beabsichtigten, nachdem sie im Parlament vergeblich gegen jegliche Verschärfung lobbyiert hatten, sekundiert von rechtsbürgerlicher Seite, das ganze Gesetz zu versenken. Mit der Behauptung «kostet viel und bringt nichts» wurden umgehend Unterschriften gesammelt. Am 12. Januar 2021 wurde das Referendum eingereicht. Die Abstimmung findet am 13. Juni statt.
Der Abstimmungskampf
Seit Wochen tobt nun ein erbitterter Abstimmungskampf. Beide Seiten kämpfen mit harten Bandagen. Zuvorderst auf Seiten der Gegner stehen jene Verbände, die ihr Geschäft bedroht sehen und sich gegen jegliche Bestimmungen, die die fossilen Energieträger schrittweise ersetzen sollen, wehren. So wollen sie «vernünftig bleiben». Dazu gehören Avenergy Suisse, die die Interessen der Importeure flüssiger Brenn- und Treibstoffe vertritt, sowie zahlreiche weitere Erdöl- und Auto-Verbände, die Strassentransporteure und die Schweizer Flugplätze. Unterstützt werden sie von einem Komitee rechter Politikerinnen und Politiker, das mit dem Slogan «teuer. nutzlos. ungerecht.» das «missratene» (sic!) CO2-Gesetz bekämpft. Dass die Komitee-Mitglieder teilweise jenen bürgerlichen Parteien angehören, die im Parlament dem Gesetz zugestimmt hatten, lässt vermuten, dass der deklarierte grüne Schub auf bürgerlicher Seite nicht überall bis zur eigenen Basis durchgedrungen ist.
Auffällig und bedenklich ist die Tatsache, dass die Gegner in ihrer Argumentation die langfristigen ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgeschäden der Klimaveränderung weitgehend ausblenden. Diese sind wissenschaftlich seit langem nachgewiesen und bedrohen auch die Volkswirtschaft Schweiz in ihren Grundfesten: schmelzende Gletscher, durch Erdrutsche verschüttete Siedlungen und Strassen, schwindende Schneefälle, Überschwemmungen und eine Landwirtschaft, die von zunehmender Trockenheit betroffen ist. Nichtstun wäre verheerend und kann keine Option sein.
Lieber als diese Tatsachen anzuerkennen, stellen die Gegner fragwürdige Berechnungen über Folgekosten der gesetzlichen Massnahmen an (vor allem für die Berg- und Randregionen), malen ein «weiteres CO2-Bürokratiemonster» und Verbote an die Wand und streuen der Bevölkerung so Sand in die Augen. Der Bundesrat hält dem entgegen, das CO2-Gesetz beruhe nicht auf Verboten, sondern kombiniere finanzielle Anreize, Investitionen in den Klimaschutz und technischen Fortschritt. Das Bundesamt für Umwelt rechnet unter anderem vor, dass «auf eine typische vierköpfige Familie […] Ende der 2020er Jahre Zusatzkosten von rund 100 Franken pro Jahr zukommen» können – und nicht 1000 Franken, wie die Gegner behaupten. Und die NZZ prangert die «Mär von der geschröpften Landbevölkerung» an.
Auf der JA-Seite haben sich unter dem Namen «Klimaschutz JA» rund Zweidrittel der Parlamentsmitglieder, die meisten Parteien, über 100 namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie 130 Organisationen der Zivilgesellschaft zusammengetan. Zudem setzt sich eine breite Allianz «Schweizer Wirtschaft für das CO2-Gesetz» mit mehr als 200 Verbänden und Unternehmen für das revidierte Gesetz ein. Als Wermutstropfen bleibt aber, dass sich ein Teil der Klimastreik-Bewegung gegen das Gesetz stellt, da dessen Massnahmen nie genügen würden, um die Schweiz bis 2030 klimaneutral zu machen. Sie befürchten, dass später gar nichts mehr gehe, wenn das Gesetz durchkomme.
Die Abstimmungsempfehlung
Klimaschutz und Klimagerechtigkeit sind längst zu einer Richtschnur der internationalen Politik geworden. Alle Staaten sind gehalten, dringend CO2-Reduktionsziele festzulegen, um den Zielen des Pariser Klimaabkommens gerecht zu werden. Die Schweiz macht mit dem neuen CO2-Gesetz einen ersten Schritt.
Auch wenn die Gesetzesbestimmungen noch nicht genügen, sind sie wichtige Schritte für den Klimaschutz. Eine Ablehnung würde die Schweizer Klimapolitik um Jahre zurückwerfen und wäre – in den Worten der Republik – ein «Trump-Moment der Schweizer Klimapolitik: das symbolische Äquivalent der amerikanischen Kündigung des Pariser Abkommens im Jahr 2017».
Helvetas, die mit ihrer Entwicklungszusammenarbeit in 30 Ländern Menschen dabei unterstützt und stärkt, den Folgen des Klimawandels zu begegnen, unterstützt das CO2-Gesetz. Als Mitglied der Klima-Allianz ruft sie dazu auf, am 13. Juni JA zu stimmen.