Waldbrände in Frankreich, Kalifornien oder in Australien schaffen es immer wieder in die Schlagzeilen. Diejenigen im Kongobecken oder am Kilimandscharo aber kaum. Doch gerade die ärmsten Länder sind unverhältnismässig stark davon betroffen. Und für den Wiederaufbau fehlen im Globalen Süden die Mittel. Die Brände vertiefen soziale Ungleichheit und befeuern den Klimawandel. Für die Bekämpfung reicht die Feuerwehr nicht mehr.
Wird die Erde wärmer, verstärkt sich die Waldbrandgefahr. Kleine Feuer können rasch ausser Kontrolle geraten und sich mit etwas Wind über riesige Flächen ausbreiten. Selbst in Gebieten, in denen Brände bisher weniger oft vorkamen. 2019 und 2020 gab es im Osten Australiens und an der US-Westküste rekordverdächtig viele Waldbrände in nie dagewesenem Ausmass. Auch 2022 begann die Waldbrandsaison in den USA gefährlich früh. In Europa wüteten dieses Jahr verheerende Brände in Südwestfrankreich, in Italien, Spanien und Portugal, der Türkei und auf Zypern. Allein in diesen Sommermonaten verbrannte in Europa mehr Waldfläche als normalerweise in einem ganzen Jahr.
Die Waldbrände werden nicht unbedingt häufiger. Aber sie werden verheerender. Wegen extremer Hitze und Trockenheit geraten die Feuer zusehends ausser Kontrolle, wie dieses Jahr im Mittelmeerraum. Laut dem WWF stellen solche Mega-Waldbrände bzw. «Feuerstürme» ein relativ neues Phänomen dar: Heisse und regenarme Sommer sorgen für extrem trockene Waldböden. Ein Funke, eine Scherbe, ein Zigarettenstummel genügen, um einen gewaltigen Flächenbrand zu entfachen. Oftmals steckt jedoch kriminelle Energie hinter Bränden, um Fakten zu schaffen – Boden oder Bauland zu gewinnen.
Neben Hitze und Trockenheit gibt es noch einen weiteren Grund, weshalb kleine Feuer zu grossen Bränden führen können. Vielerorts wie z.B. im Norden Deutschlands sind die Wälder kaum noch naturnah, sondern als Monokultur mit schnell wachsenden Nadelbäumen angelegt. Die riesigen Kiefernwälder, die für die Produktion von Möbeln, Papier oder Brennholz genutzt werden, können bei heissem Wetter schnell entflammen. Mischwälder mit Birken und Buchen, mit Vogelbeeren und Laubbäumen hingegen sind schattenreicher, kühler, feuchter und dunkler – und erst noch besser gewappnet gegen steigende Temperaturen und Schädlinge.
2022 – erneut ein Jahr der Waldbrände
Wo auf der Erde gerade Feuer lodern, zeigt eine interaktive Karte der Nasa in Echtzeit. Mit Hilfe von Satelliten beobachtet die US-Weltraumbehörde Brände vom Weltall aus und füttert mit den Daten das «Fire Information for Resource Management System» (FIRMS). Die Karte verdeutlicht, dass kaum ein Land verschont bleibt. Deutlich erkennbar sind die Brände im Amazonas, im nördlichen Zentralamerika und in Florida und Kalifornien, in West- und Zentralafrika und auf Madagaskar sowie auf dem indischen Subkontinent, in Chinas Osten, in Australiens Norden und in Teilen Russlands.
Viel deutet darauf hin, dass 2022 erneut ein Rekordjahr der Waldbrände wird. Ein wichtiger Grund ist die fortschreitende Entwaldung: Landwirtschaft und Tierproduktion fordern mehr Land, neue Palmölplantagen und Getreidefelder für den Futtermittelexport werden angelegt, illegaler Holzschlag schwächen Waldsysteme, Bauland wird stark nachgefragt. All das und viel mehr noch zerstören natürliche Lebensräume, was die Gefahr von Bränden, die ausser Kontrolle geraten, erhöht.
Afrikanische und südamerikanische Wälder schwinden am schnellsten
Global betrachtet nimmt die Waldfläche ab. Allein seit 1990 hat die Welt 178 Millionen Hektar Wald verloren. Das entspricht einer Waldfläche, die 5-mal so gross ist wie Deutschland. Immerhin konnte der globale Netto-Waldverlust dank Aufforstung und natürlicher Ausdehnung der Wälder in manchen Regionen zwischen 1990 bis 2020 etwas abgebremst werden, doch als CO2-Senken leisten alte Wälder grössere Dienste als frisch angelegte.
Die grössten Waldverluste seit 2010 gibt es in Afrika und Südamerika. Länder, in denen die Wälder sehr stark zurückgehen, sind Brasilien, die Demokratische Republik Kongo, Indonesien, Angola, Tansania, Paraguay, Myanmar, Kambodscha, Bolivien und Mosambik.
Der brasilianische Regenwald wird gerodet, um Bodenschätze auszubeuten und neue landwirtschaftliche Flächen zu schaffen. Gemäss dem brasilianischen Institut für Weltraumforschung (INPE) steigt die Zerstörung des Regenwalds seit 2007 an – und insbesondere seit 2019 unter Präsident Jair Bolsonaro. Doch noch nie zuvor war der Kahlschlag so dramatisch wie zwischen Januar und August 2022. Gezielt ermutigt der rechts-konservative Staatslenker die Agrarindustrie, das Amazonasgebiet weiter auszubeuten. Die Brände werden also absichtlich gelegt, um Land für die industrielle, exportorientierte Agrarwirtschaft zu roden. Mit dramatischen Folgen, da die «grüne Lunge» der Welt gigantische Mengen an Kohlendioxid bindet und zum Gleichgewicht des Weltklimas beiträgt.
Auch in Afrika schwindet der Wald. So ist z.B. der Wald am Kilimandscharo in den vergangenen 140 Jahren um die Hälfte zurückgegangen. Verantwortlich dafür sind auch hier illegale Abholzung und Brände, die dem Wald aufgrund des trockeneren Klimas immer stärker zusetzen. Mit schwerwiegenden Folgen, denn der tropische Bergwald ist wichtig für das regionale Klima und die örtlichen Niederschläge. Und als Speicher des klimawirksamen CO2 sind die afrikanischen Bergwälder sogar gleich wichtig wie der Tieflandregenwald des afrikanischen Kongobeckens.
Tatsächlich kommen Waldbrände in weiten Teilen der Welt auch immer wieder auf «natürliche» Art und Weise vor. Sie sind wichtig für den Erhalt des Ökosystems, denn sie tragen zur Verjüngung des Waldes bei. Häufig verbrennen Kaut- und Strauchschichten, während wichtige Altbäume weiterleben. Die grössten natürlichen Waldbrände gibt es in den borealen Nadelwäldern des Nordens, etwa in Kanada, in Teilen der USA und im russischen Sibirien. Aufgrund der Erderwärmung setzt die «Waldbrandsaison» allerdings immer früher ein und dauert länger. In der Folge werden die Brandflächen immer grösser und verstärken das Tauen der zugefrorenen Permafrostböden. In Russland macht Permafrost noch fast zwei Drittel der Bodenfläche aus. Schmilzt er, werden Gebäude brüchig und stürzen ein. Strassen und Wege bekommen Risse und Löcher. Hinzu kommt: Taut der Permafrost, wird klimawirksames Methan freigesetzt, was für das globale Klima eine Katastrophe darstellt.
Ein Blick in die Zukunft
Gehen die weltweiten Treibhausgasemissionen nicht deutlich zurück, könnte gemäss dem Umweltprogramm der UNO (UNEP) die Zahl extremer Brände bis 2030 weltweit um 14 Prozent steigen, bis 2050 um 30 Prozent und bis zum Ende des Jahrhunderts um 50 Prozent. Hinzu kommt: Der Klimawandel und Waldbrände verschlimmern sich gegenseitig. Bei Waldbränden geht Kohlenstoff, der in Wäldern und Böden gespeichert ist, zurück in die Atmosphäre – und verstärkt den Treibhauseffekt. Die fortschreitende Klimaveränderung führt zu verheerenderen Waldbränden. Und die Waldbrände befeuern wiederum den Klimawandel.
In ihrem aktuellen Bericht «Spreading like Wildfire: The Rising Threat of Extraordinary Landscape Fires» (2022) fordert das UNEP einen radikalen Wandel bei den staatlichen Ausgaben in Bezug auf Waldbrände: Investitionen sollten vermehrt in die Prävention, Vorsorge und Planung fliessen. Es brauche daten- und wissenschaftsbasierte Überwachungssysteme, die indigenes Wissen integrierten, sowie eine stärkere regionale und internationale Zusammenarbeit. Wichtig seien ausserdem Naturschutz; Feuchtgebiete und Torfmoore sollten wiederhergestellt werden und Siedlungen müssten mit Abstand zur Vegetation gebaut werden. Ebenfalls zentral seien ganzheitliches Wasser- und Waldmanagement, die Erhaltung und Wiederherstellung bestehender Wälder, nachhaltige Landwirtschaft sowie eine bessere Durchsetzung oder Verschärfung der nationalen Schutzpläne und Regeln für die Waldnutzung. Und: weltweiter Klimaschutz.