Finanzplatz-Initiative: Kein linkes Anliegen

Raus aus «stranded assets» und rein in «sustainable finance»
VON: Patrik Berlinger - 24. April 2025

Der Schweizer Finanzsektor hat mit seinen Kreditvergaben, Investitionen und Versicherungen einen grossen Hebel zum Schutz von Klima, Umwelt und Artenvielfalt in der Hand. Weil sich Eigenverantwortung und Selbstregulierung als Utopie erweisen, dürfte bald das Stimmvolk darüber entscheiden, welche Rolle die Finanzbranche bei der Einhaltung der Pariser Klimaziele haben soll.  

Wer heute noch in fossile Stromerzeugung investiert, verzögert die Dekarbonisierung, was weltweit die Wahrscheinlichkeit und Intensität von Extremwetterereignissen erhöht. Das weiss die UBS. Dennoch bleibt sie eine entscheidende Investorin des philippinischen Energiekonzerns San Miguel, während europäische Finanzinstitutionen ihre Geschäfte mit ihm beendet haben. Und wer Regenwald abholzt, befeuert den Klimawandel, während oft Landrechte von indigenen Gemeinschaften beschnitten und deren Menschenrechte verletzt werden. Auch dem sollte sich die UBS bewusst sein. Und trotzdem investiert sie in brasilianische Agrarkonzerne, die in illegale Rodungen im Amazonas verwickelt sind. 

Jedes Jahr finanzieren und versichern hiesige Banken und Versicherungen Investitionen in Milliardenhöhe. Der Schweizer Finanzplatz ist laut McKinsey für bis zu 18-mal mehr CO₂-Emissionen verantwortlich als in der Schweiz CO₂ ausgestossen wird. 

Die Geschäfte mit klimaschädlichen Investitionen und Versicherungen stehen in krassem Widerspruch zu den Pariser Klimazielen aus dem Jahr 2016. Zur Erinnerung: Das Abkommen hält nebst dem 1,5 Grad-Zielwert und der notwendigen Anpassung an die negativen Klimafolgen auch fest, dass staatliche und private Finanzflüsse auf eine treibhausgasarme und klimaresiliente Entwicklung ausgerichtet werden müssen. Die Staatengemeinschaft hat also bereits vor neun Jahren die zentrale Rolle und Verantwortung des Finanzsystems bei der Bekämpfung der Klimakrise betont. Die Schweiz hat das Abkommen ratifiziert und ist völkerrechtlich daran gebunden, zu den Zielen beizutragen. 

Dieser Beitrag ist im Klimaschutz-Gesetz geregelt. Es soll die Schweiz bis 2050 klimaneutral machen, wofür eine emissionsarme Ausrichtung der Finanzflüsse nötig ist. Es wurde von der Stimmbevölkerung im Sommer 2023 mit 59,1 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Denn es weiss: Klimaschutz ist im eigenen Interesse. Das Gesetz fördert nachhaltige Innovation und stärkt die heimische Wirtschaft. Es macht die Schweiz unabhängiger von fossilen Energieimporten und trägt mit der Förderung erneuerbarer Energien dazu bei, die Erderwärmung zu verlangsamen und damit Extremwetter vorzubeugen, von dem auch die Schweiz immer öfter betroffen ist. 

Die Umsetzung kommt nicht voran 

Doch zur Umsetzung der politischen Ziele setzt die Mehrheit des Bundesrates und des Parlaments auf freiwillige Massnahmen und Empfehlungen, um Transparenz zu schaffen. Verbindliche Vorgaben und unabhängige Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen sind keine vorgesehen. Die per 2024 eingeführte Klimaberichterstattung betrifft nur die grossen Finanzinstitute und enthält keine Mindeststandards. Und die Swiss Climate Scores vom Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen sind freiwillig und werden bis dato erst von wenigen Finanzinstituten konsequent angewendet. Ihr Ziel wäre es, für eine möglichst gute Transparenz bei Finanzanlagen zu sorgen, um klimabewusste Anlageentscheidungen zu fördern. Eine Motion, die eine verbindliche Regulierung vorgesehen hätte, falls die bisherigen Massnahmen bis 2028 nicht greifen, wurde im bürgerlich dominierten Nationalrat abgelehnt.  

Spätestens im Januar 2025 zeigte sich klar und deutlich, warum freiwillige Massnahmen und Versprechen der Finanzbranche nicht glaubhaft sind: Die sechs grössten amerikanischen Banken und der weltgrösste Vermögensverwalter Blackrock kündigten ihre Klimaversprechen, die sie nur vier Jahre zuvor gegeben hatten. Die UBS hält der «Net Zero Banking Alliance» zwar die Stange, schwächt inzwischen aber gleichzeitig ihre eigenen Klimaversprechen massiv ab. 

Die Finanzhäuser ignorieren damit die Klimawissenschaft und stellen rasche Gewinne über Umweltzerstörung und Klimaerhitzung. Dabei geht es längst nicht mehr nur um ökologisches Bewusstsein, Moral und Ethik, sondern eigentlich auch um ihre eigenen Interessen. Schon bald nämlich dürften die Finanzhäuser auf sogenannten «stranded assets» sitzen bleiben: Schreitet die weltweite Dekarbonisierung voran, werden viele fossile Reserven nicht die erwarteten Erträge erzielen, weil Nachfrage und Preise sinken, oder weil diese nicht mehr gefördert werden dürfen. Gleichzeitig steigen die Klimaschäden an, was nicht im Interesse von Banken und Versicherungen sein kann. 

Mit einer neuen Initiative wächst der Druck aus der Bevölkerung 

Die Diskussion zeigt: Die Schweiz bewegt sich in viel zu kleinen Schritten. Deshalb hat die Klima-Allianz – Helvetas ist Mitglied – Ende 2024 zusammen mit dem WWF, Greenpeace und Politiker:innen aus allen Bundesparteien ausser der SVP die Finanzplatz-Initiative lanciert

Die Initiative richtet sich nicht an lokale Banken, sondern zielt auf internationale Geschäfte ab. Weder das inländische Hypothekargeschäft noch Kredite an KMUs sind von der Initiative betroffen. Die Initiative will, dass Schweizer Banken und Versicherer, Vermögensverwalter und Pensionskassen mit sogenannten «Transitionsplänen» darlegen, mit welchen Strategien und Zwischenzielen, Massnahmen und Ressourcen sie ihre Geschäftstätigkeiten mit Unternehmen im Ausland auf die internationalen Klima- und Biodiversitätsziele ausrichten. Die Initiative verbietet einzig die Finanzierung und das Versichern von Projekten zur Förderung fossiler Energieträger wie Kohle oder Erdöl. 

Mit diesen Zielen orientiert sich die Finanzplatz-Initiative am Pariser Klimaabkommen und auch an der «Net Zero Roadmap» der Internationalen Energieagentur IEA. Die Initiative ist also kein linkes Anliegen. Ihr Inhalt ist längst klimawissenschaftlicher Konsens und international von den Regierungen so beschlossen. Der Vorwurf eines Schweizer Übereifers gilt nicht: Die Initiative würde kein «Swiss Finish» schaffen, das die Schweiz im internationalen Wettbewerb benachteiligen würde. Vielmehr ist es so, dass andere Finanzplätze bereits weiter fortgeschritten sind und klarere Regulierung eingeführt haben, so z.B. die Finanzplätze Singapur, Grossbritannien und in der EU. 

Dem eigenen Anspruch gerecht werden 

Der Bundesrat will die Schweiz als verantwortlichen Finanzplatz und Hub für «Sustainable Finance» positionieren, etwa mit «Building Bridges», einer in Genf ansässigen Bewegung, die die Macht der Finanzen für die Nachhaltigkeit nutzen will. Dabei wird er aber seinem eigenen Anspruch nicht gerecht. Bleiben Bundesrat und Parlament noch länger untätig, hat es die Stimmbevölkerung bald in der Hand, in der Verfassung festzuschreiben, dass die Schweizer Finanzbranche mehr Verantwortung übernehmen muss. Alliance Sud, der Do- and Think Tank der Schweizer Entwicklungsorganisationen, unterstützt die Volksinitiative, damit die Schweiz ihren grössten Hebel für den weltweiten Klimaschutz umlegt und grosse Schritte unternimmt, um das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens nicht zu überschreiten. 

Im April und Mai 2025 stehen nationale Unterschriften-Sammeltage an. Nach der erfolgreichen Unterschriftensammlung für die Konzernverantwortungs-Initiative dürfte es nicht überraschen, wenn auch bei der Finanzplatz-Initiative die notwendigen 100’000 Unterschriften zusammenkämen. Danach wäre das Parlament gefordert. Es würde wohl einen valablen Gegenvorschlag ausarbeiten. Zu breit abgestützt ist das Anliegen für einen sauberen und verantwortungsbewussten Finanzsektor, als dass es eine Volksabstimmung über die Initiative riskieren würde. 

 

Patrik Berlinger | © Maurice K. Gruenig
Verantwortlicher Politische Kommunikation
© Manuel Elias / UN Photo

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