Wahrscheinlich haben über vier Milliarden statt «nur» 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das hat jüngst das Wasserforschungsinstitut der ETH publik gemacht. Mit effektiven und innovativen Ansätzen kann das Wasserproblem jedoch angegangen werden – damit dereinst das Menschenrecht auf Wasser für Alle verwirklicht werden kann.
Zugang zu sauberem Trinkwasser ist ein Grundbedürfnis und ein Menschenrecht. Dessen Sicherstellung für alle würde einen grossen Beitrag zur Verringerung von Krankheiten, psychischem Stress und Todesfällen – insbesondere bei Kindern – leisten.
Seit 2015 haben laut der Weltgesundheitsorganisation WHO und dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) neu knapp 700 Millionen Menschen Zugang zu sicher verwalteten Wasser-Diensten erhalten. 2022 waren es dadurch insgesamt 5,8 Milliarden Menschen, weitere 1,5 Milliarden Menschen hatten Zugang zu grundlegenden Diensten. Allerdings benötigen weltweit immer noch 2,2 Milliarden Menschen dringend einen angemessenen Zugang zu einer Trinkwasserversorgung. Markant ist das Gefälle, wobei die Ärmsten und die Bewohner:innen ländlicher Gebiete am seltensten eine Grundversorgung nutzen können.
Dringlicher Call to Action
Diesen Sommer, am 14. August 2024, wurde auf dem Weltwasserkongress ein globaler Aufruf zum Handeln lanciert. Der Aufruf mit dem Titel «Strengthening Water and Sanitation Regulation: A Global Call to Action» wurde von einer Reihe von Partnern initiiert, darunter die International Water Association (IWA), die WHO, Unicef, die Weltbank, regionale Regulierungsbehörden wie die Asociación de Entes Reguladores de Agua Potable y Saneamiento de las Américas (ADERASA) und die Eastern and Southern Africa Water and Sanitation (ESAWAS). Er markiert den Startschuss für gemeinsames Handeln, damit die Wasser- und Sanitärversorgung als entscheidende Triebkraft für Fortschritte bei der Verbesserung des Wasserzugangs überall auf der Welt gerechter und effektiver reguliert wird.
Wie dringlich und wichtig der globale Aufruf zum Handeln ist, zeigt eine breit abgestützte Studie des Wasserforschungsinstituts der ETH (Eawag), die am 15. August 2024 publiziert wurde. Die Erkenntnisse, die in Zusammenarbeit mit dem Unicef, der WHO, dem Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut und der Universität Basel gewonnen wurden, liessen aufhorchen: Weltweit könnten über vier Milliarden Menschen, also die Hälfte der Weltbevölkerung, keine angemessene Trinkwasserversorgung haben. Stimmen die Zahlen, wären beinahe doppelt so viele Menschen ohne adäquate Wasserversorgung wie bislang angenommen.
Andere Methode, andere Zahlen
Die höheren Zahlen lassen sich durch unterschiedliche Methoden erklären. Die UNO verwendet offizielle Daten. Das Problem dabei ist, dass für die Hälfte der Weltbevölkerung keine ausreichenden Daten zur Qualität des Wassers vorhanden sind. Die offiziell ausgeweisenen Schätzungen von WHO und Unicef beruhen auf Kriterien wie: Besteht ein Zugang zu Trinkwasser über einen Wasserhahn oder einen Brunnen? Wie weit muss eine Person gehen, um an Trinkwasser zu gelangen? Ist das Wasser verunreinigt, zum Beispiel durch Fäkalien? Nicht immer aber ist es möglich, alle Kriterien anzuschauen, so dass das Gesamtbild unvollständig sein kann.
Die Methode der neuen Studie ist anders: Die Forscher:innen untersuchten Befragungen von Unicef zur lokalen Wassersituation zwischen 2016 und 2020 in über 60’000 Haushalten in 27 Ländern von Laos bis Kosovo, von Nigeria bis in die Mongolei. Sie zogen zusätzlich Satellitendaten bei, um etwa die klimatischen Bedingungen in den Regionen abzuschätzen, und entwickelten neue Modelle, die durch maschinelles Lernen trainiert wurden, um aus den Informationen der 27 Ländern und den Satellitendaten ein Bild für weitere 135 ärmere Staaten zu generieren.
Die Studie zeigt, dass die Wasserqualität vielerorts schlechter sein dürfte als angenommen. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (sog. «Entwicklungsländer») hat gemäss Studie nur jede dritte Person Zugang zu sauberem Trinkwasser. Fast die Hälfte der Menschen in diesen Ländern trinkt zudem mit menschlichen und tierischen Fäkalien verunreinigtes Wasser. Dies zeigt auf, wie wichtig sanitäre Einrichtungen sind und Wasserzugang nicht losgelöst von Hygienemassnahmen gedacht werden kann.
Schweizer Ansätze mit Weitsicht
Hier setzt die Internationale Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz an. Sie fördert den Erhalt der Biodiversität und die durch die Ökosysteme bereitgestellten Leistungen wie Nahrung, saubere Luft und sauberes Trinkwasser – die Grundlage für menschliches Wohlergehen. Die IZA setzt sich stark für den Schutz von Wassereinzugsgebieten ein und fördert eine nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, zum Beispiel wassersparende und umweltfreundliche Anbaumethoden in der Landwirtschaft für höhere Einkommen und bessere Ernährungssicherheit.
Mit ihrer IZA macht sich die Schweiz für das Recht auf sauberes Trinkwasser stark und unterstützt den Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen. Die Schweiz unterstützt Initiativen für bessere Wasserqualität und eine effizientere Nutzung der Wasserressourcen, insbesondere durch Ausbildungen und Hygienemassnahmen, geeignete Rahmenbedingungen und eine Stärkung der Wasser- und Abwasserversorgung mit gerechter und effektiver Regulierung sowie angemessener Finanzierung unter Einbezug des Privatsektors.
Wasser steht auch im Mittelpunkt der Friedensförderung, etwa mit Initiativen wie «Blue Peace» für eine gerechte grenzüberschreitende Bewirtschaftung von Gewässern und Flüssen, um Konfliktrisiken zu mindern. Dank Blue Peace, einer diplomatischen Initiative der Schweiz, soll Wasser in Ländern des Globalen Südens zu einem «Treiber von Zusammenarbeit, Frieden und nachhaltiger Entwicklung» werden.
Mit der Erderwärmung kommt eine zusätzliche Herausforderung hinzu, denn der Klimawandel verändert die Verfügbarkeit von Wasser stark: Weltweit treten immer häufiger Dürren und Hitzewellen auf, Flüsse führen zeitweise extremes Niedrigwasser und die Grundwasserspiegel sinken. Gleichzeitig häufen sich Starkregen und Hochwasser. Auf die Schweiz bezogen, zeigen die hydrologischen Szenarien, dass Wasser aufgrund der Erderwärmung zeitweise und regional so knapp oder so warm wird, dass der Mensch sich einschränken muss und die Natur leidet.
Was braucht es also? Erfolgreicher, weltweiter Klimaschutz zahlt sich aus, weil damit die negativen Veränderungen deutlich geringer ausfallen. Ebenso wird ein konsequenter Schutz der Gewässer und ihrer Einzugsgebiete sowie deren umsichtige Bewirtschaftung immer wichtiger.