Zur Stabilisierung der Bundesfinanzen hat der Bundesrat Sparmassnahmen angekündigt. Und eine externe Expertengruppe soll bis im Spätsommer Vorschläge unterbreiten, wie die strukturellen Defizite beseitigt werden können. Es ist an der Zeit, grundlegende Fehlanreize wie umweltschädigende Subventionen und das inländische Bankgeheimnis anzugehen.
Am 14. Februar 2024 kündigte die Finanzministerin Karin Keller-Sutter einmal mehr Sparmassnahmen an. Zudem soll eine Expertengruppe Sparpotenzial im schweizerischen Finanzhaushalt ausloten. Die SVP preschte Mitte April vor und legte ein Papier mit konkreten Kürzungsvorschlägen vor.
Die Streichliste liest sich wie ein Manifest. Ein Manifest für einen kleingesparten «laissez faire»-Nachtwächterstaat, für die Einigelung einer traditionalisierten Eidgenossenschaft und für eine weitgehende Entsolidarisierung mit der Welt. So soll etwa die staatliche Förderung von Gleichstellung (15,4 Millionen Franken) gestrichen, das Asylwesen um 2 Milliarden Franken zusammengestampft und beim Bundespersonal 1,5 Milliarden gekürzt werden. Die Unterstützung für erneuerbare Energien (38 Millionen) soll auslaufen, ebenso wie die internationale Unterstützung bei der gemeinsamen Bekämpfung des Klimawandels (50 Millionen). Ferner soll die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit, also die zivile Friedensförderung, die humanitäre Hilfe und die Zusammenarbeit bei der nachhaltigen Entwicklung mit ärmeren Ländern um eine Milliarde gekürzt und plafoniert werden. Dies nur ein paar der 17 Beispiele.
Die rigorose Streichliste geht sogar manchen SVP-Exponenten zu weit. So meinte beispielsweise der Zuger Finanzvorsteher Heinz Tännler gegenüber der NZZ: «Sparen ist kein Punkteschiessen, sondern eine strukturelle Aufgabe.» Es sei daher wenig zielführend, mal hier, mal dort ein paar Millionen zu streichen.
Was für Möglichkeiten gäbe es also, um den Schweizer Haushalt langfristig, nachhaltig und sozial ausgewogen auf ein stabileres Fundament zu stellen?
Bankgeheimnis im Inland aufheben
Während die Schweiz gegenüber einer grossen Zahl von Ländern einen automatischen Informationsaustausch kennt, gilt innerhalb ihrer Grenzen nach wie vor das Bankgeheimnis. Dieses hilft dem Mittelstand und den «einfachen Leuten» wenig, nützt aber reichen Individuen, Geld und Wertanlagen vor dem Fiskus zu verstecken – und somit Steuern zu umgehen.
Eine Abschaffung würde für mehr Steuerehrlichkeit sorgen und für alle Einwohner:innen der Schweiz gleich lange Spiesse schaffen. Nicht zuletzt wäre das finanzpolitische Potenzial herausragend: Ganz ohne Steuererhöhungen könnten Bund und Kantone Schätzungen zufolge Mehreinnahmen von jährlich 5 bis 8 Milliarden Franken erzielen. Schon bald dürfte sich das Parlament mit dem Thema beschäftigen: Ein Vorstoss zur Aufhebung des inländischen Bankgeheimnisses wurde am 11. März 2024 eingereicht.
Biodiversitätsschädigende Subventionen streichen
Subventionen sind zentrale Instrumente, um gesellschaftliche und wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Die entsprechenden Finanzhilfen oder Steuererleichterungen können jedoch auch negative Auswirkungen auf die Umwelt haben: Eine 2020 publizierte Studie von WSL und scnat zeigt, wie insgesamt 162 Subventionen der Biodiversität schaden. Vor zwei Jahren liess der Bundesrat verlauten, wenigsten acht der Subventionen bis Ende 2024 vertieft zu prüfen. Der Schritt ist richtig, das Tempo aber zu langsam. Denn der Abbau schädlicher Fördergelder bremst nicht nur den Biodiversitätsverlust, sondern schont auch die öffentlichen Finanzen, denn über biodiversitätsschädigende Subventionen werden jährlich über 40 Milliarden Franken ausgegeben – das 30- bis 40-Fache der Förderung der Artenvielfalt.
So könnte etwa bei der intensiven Landwirtschaft angesetzt werden. Wegen Stickstoff in Dünger und in importierten Futtermitteln entstehen Umweltschäden, Gewässerverschmutzung und Artenverlust weit über das Landwirtschaftsgebiet hinaus. Die externen Kosten, die nicht verursachergerecht verrechnet werden, belaufen sich auf 520 Millionen Franken pro Jahr. Die Situation könnte z.B. mit einer Reduktion des Tierbestandes pro Flächeneinheit und einer weiteren Ökologisierung der Landwirtschaft verbessert werden. Diesbezüglich haben die parlamentarischen Beratungen Anfang 2023 allerdings keine nennenswerten Fortschritte gebracht.
Einen weiteren Hebel gibt es beim motorisierten Verkehr. Ausnahmen und Vergünstigungen bei der Besteuerung sowie Fehlanreize durch die Ausgestaltung der Abgaben führen zu Einnahmeausfällen bei Bund und Kantonen. So sind z.B. Treibstoffe von der CO2-Abgabe befreit und Erdölimporte müssen nicht vollständig CO2-kompensiert werden. Der internationale Flugverkehr kennt keine Kerosinsteuer und ist von der Mehrwertsteuer befreit. Die Nationalstrassenabgabe ist von der eigentlichen Fahrstrecke unabhängig und kleinere Nutzfahrzeuge sind von der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) befreit. Finanzielles Potenzial: insgesamt 6 Milliarden Franken.
Neue und sozialgerechte Steuern einführen
Auch bei Nutzer:innen von Privatjets gibt es Potenzial: Die weltweite Flotte an Privat- und Businessjets hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Und am Schweizer Himmel fliegen so viele Privatjets wie nirgendwo sonst in Europa. Manche Kleinflugzeuge stossen in nur drei Flugstunden so viel CO2 aus wie ein Durchschnittsschweizer in einem ganzen Jahr. Es stellt sich die Frage, wie sinnvoll oder gerecht es ist, dass wenige sehr reiche Individuen das Klima übermässig belasten, während der ärmste Teil der Weltbevölkerung am stärksten unter dem Klimawandel leidet. Während den Beratungen zum CO2-Gesetz nach 2024 hat sich zwar eine bürgerliche Parlamentsmehrheit gegen eine Abgabe auf Privatjet-Flüge ausgesprochen. Vom Tisch ist der Vorschlag damit allerdings bestimmt nicht. Schliesslich befriedigen solche Flüge keine Grundbedürfnisse, sondern sind ein Luxus.
Steuer auf Finanztransaktionen: Die Steuer würde Einnahmen generieren und den spekulativen Hochfrequenzhandel eindämmen. Nach der Finanzkrise 2008 wurde die Idee aus den 1990er Jahren salonfähig. Frankreich, Italien und Spanien haben eine solche Steuer bislang eingeführt. Hierzulande blieb sie ein linkes Anliegen – bis zum vergangenen Abstimmungssonntag, als Vertreter der Mitte die Finanztransaktionssteuer als Möglichkeit zur Finanzierung der 13. AHV-Rente ins Spiel brachten.
Ebenfalls zur Finanzierung der AHV hat die Mitte-Fraktion am 18. April eine parlamentarische Initiative eingereicht: Der Bund soll eine Steuer auf Millionen-Nachlässen erheben. Der Initiant der EVP sieht die Steuer als eine Art «Solidaritätsabgabe», die vor allem die jüngere Generation entlasten würde, da über die Hälfte aller Erbschaften an über 60-Jährige gehe. Die Steuer ist mit 10 Prozent ab einem Nachlass von 5 Millionen Franken verhältnismässig milde angesetzt, sodass sie nicht zu wesentlichen Umgehungsversuchen führen dürfte. Der Ökonom Marius Brülhart schätzt die Einnahmen auf 1 bis 2 Milliarden Franken pro Jahr. Die Initiative könnte Erfolg haben, haben doch nebst den Grünen und der SP auch Nationalrät:innen der Mitte und der GLP mitunterzeichnet.
Geplante Grossprojekte redimensionieren
Der Bund will 5,3 Milliarden Franken für den Ausbau von Autobahnprojekten einsetzen – und das zusätzlich zu den 8,8 Milliarden, die allein 2024–2027 für Betrieb, Unterhalt und Anpassungen ausgegeben werden. Studien zeigen, dass Staus mit immer noch mehr Strassen nur kurzfristig vermieden werden. Zudem verschlingt der Strassenbau Kulturland und ist mit den Klimazielen nicht vereinbar.
Anstatt wie die SVP einem Rasenmäher gleich den Rotstift ansetzen zu wollen, gibt es Alternativen. Sie reichen von der Gleichbehandlung vor dem Schweizer Fiskus (Aufhebung des inländischen Bankgeheimnisses) über den Abbau umweltschädlicher Subventionen (vor allem in der Landwirtschaft, im Energiesektor und im Mobilitätsbereich) bis zur Einführung sozial gerechter Steuern (Abgaben auf Finanztransaktionen, auf hohe Erbschaften und auf die Nutzung von Privatjets). Kaum je war der Zeitpunkt für solch strukturelle Reformen passender.