7 Fragen und Antworten zum Glück
Sieben Fragen zum Glück und sieben Antworten von Nadja Buser, die Ausstellungsmacherin von GLOBAL HAPPINESS*.
1. Glück und Nachhaltigkeit – was hat das miteinander zu tun? Bedeutet nachhaltig zu leben, auf vieles verzichten zu müssen?
Nadja Buser: Die Glücksforschung sagt, dass uns – nach der Befriedigung der wichtigsten Bedürfnisse – nicht das Anhäufen materieller Dinge glücklich macht, sondern die Beschäftigung mit dem, was wir gut und gerne tun, die aktive Pflege von Beziehungen und andere immaterielle Werte. Betrachtet man die Schweiz, so fällt auf, dass wir uns oft mit Materiellem beschäftigen und eine konsumorientierte Haltung haben, die gemäss den Erkenntnissen der Psychologie wenig zum Glücklichsein beiträgt. Tatsächlich kann man in reichen Ländern eine Bewegung in Richtung Minimalismus beobachten. Der Gedanke dahinter: Reduzieren wir unseren Besitz, bleibt uns viel mehr Zeit übrig, um uns dem zu widmen, was wirklich glücklich macht – zum Beispiel Zeit mit Freunden zu verbringen.
2. Und so kann ich mein Glück steigern?
Nadja Buser: Das gilt nicht immer für alle, aber in der Regel schon. Einfach gesagt, soll man vor allem sogenannte Flow-Tätigkeiten suchen. Das sind solche, bei denen etwas leichtfällt, weil man es gut und gerne tut. Man steigert seine Zufriedenheit, wenn man mit Optimismus, Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft durchs Leben geht und sich um Leib und Seele kümmert. Hilfreich ist, sich nicht mit anderen Menschen zu vergleichen, sondern von sich aus zu gehen und zu überlegen, wieviel für das eigene Leben reicht. Der Vergleich ist ein Glückskiller.
3. Jährlich erscheint seit 2012 der Weltglücksbericht der Vereinten Nationen. Die Schweiz steht 2019 an sechster Stelle. Wie interpretieren Sie das?
Nadja Buser: Die Schweiz ist seit 2012 nach hinten gerutscht (lacht). Sie schneidet aber seit Beginn dieser Messung immer sehr gut ab. Dies wird vor allem erklärt durch den Wohlstand, das gut funktionierende Gesundheitssystem, die guten sozialen Netzwerke, die Möglichkeit, relativ frei über das eigene Leben zu entscheiden und durch das Vertrauen in Staat und Wirtschaft.
Es gibt ausserdem interessante, alternative Glücksberichte wie den Happy-Planet-Bericht. Dieser kombiniert das Wohlbefinden der Menschen in einem Land mit dem ökologischen Fussabdruck. So wird deutlich, dass viele Staaten, die beim Uno-Glücksbericht gut abschneiden, ihr Glück teuer erkaufen, weil sie die planetaren Ressourcen überstrapazieren. Das Ziel wäre, glückliche Menschen in einem Land zu haben, die sich nachhaltig verhalten. Davon sind wir noch weit entfernt, aber es gibt heute schon Länder, die dies besser tun als die Schweiz.
4. Gibt es verschiedene Glückskonzepte auf der Welt? Und wenn ja: Worin liegen die Unterschiede?
Nadja Buser: Man muss aufpassen, dass man nicht pauschal wird. Das eine ist das Ausmass der Zufriedenheit. Dies wird von der UNO erhoben. Das andere ist der Inhalt des Glücksempfindens. Dies ist kultur- und kontextabhängig, aber natürlich auch individuell unterschiedlich. Viele Weltreligionen machen Aussagen über das, was ein gutes, glückliches Leben ausmacht. Zudem kennt man den Unterschied zwischen kollektivistischen und individualistischen Gesellschaften: Menschen aus der ersten Kategorie macht es eher glücklich, sich im Einklang mit gesellschaftlichen Normen zu verhalten, während bei Menschen der zweiten Kategorie vielmehr die Erreichung individueller Lebensziele Glücksgefühle auslöst. In vielen indigenen Kulturen ist der Einklang zwischen Individuum, Gemeinschaft und Natur wichtig – etwas, das gerade im Zusammenhang mit der Diskussion über Nachhaltigkeit zentral ist. Es gibt aber auch Ansätze, die uns eher fremd sind: Die Yin-Yang-Philosophie geht zum Beispiel davon aus, dass Glück von Unglück abhängt und Unglück im Glück verborgen ist. Das sind für unsere Selbstoptimierungsgesellschaften spannende Ansätze, die inspirieren.
5. Bei Ihrer Arbeit für die Ausstellung GLOBAL HAPPINESS von Helvetas sind Sie vielen Geschichten vom Glück begegnet. Was war Ihre Lieblingsgeschichte?
Nadja Buser: Wir haben Strasseninterviews in Guatemala, Bhutan, Mali und der Schweiz gemacht. Extrem beeindruckt haben mich einige Menschen aus ganz einfachen Verhältnissen, aus denen eine Lebens- und «Glücksweisheit» sprach, von der ich lernen könnte und die zu meiner eigenen Zufriedenheit sicher beitragen würde. Sehr interessant finde ich, dass alle, die sich mit dem Thema Glück intensiver beschäftigen, merken, wie ansteckend es ist. Man kann nicht über Glück lesen und reden, ohne sich Gedanken zu machen, was man am eigenen Leben ändern kann, um glücklicher zu werden. Ich zum Beispiel bin nun in eine Genossenschaft umgezogen, weil alle Glücksexpertinnen und -experten der Welt – egal woher sie kommen – die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen zum wichtigsten Glücksfaktor erklären.
6. Ab dem 17. Mai läuft im Aarauer Naturama die Ausstellung «GLOBAL HAPPINESS: Was brauchen wir zum Glücklichsein?». Warum darf man diese nicht verpassen?
Nadja Buser: Mit dem Thema Glück sollten wir uns alle von Zeit und Zeit auseinandersetzen. Denn es ist ein hoch spannendes und inspirierendes Thema. Meistens wird Glück aber bloss aus subjektiver Perspektive betrachtet. Wir gehen einen Schritt weiter und setzen es in Verbindung mit Nachhaltigkeit. Dies könnte – in Zeiten von Klimademos und -debatten – nicht aktueller sein. Konkret wandeln Besucherinnen und Besuchern durch die als Gartenlandschaft gestaltete Ausstellung und besuchen sechs Themenpavillons. Sie messen ihr Glücksniveau, besichtigen die Wohnung einer jungen Minimalistin, wandern durch ein visionäres Quartier in Santiago de Chile und begegnen dem Bruttonationalglück in Bhutan. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erläutern, was man übers Glück herausgefunden hat. Ein persönlicher Glückstest zeigt, wie wir glücklicher werden können, und an der Fotostation versendet man digitale Glückspost-Grüsse an die Liebsten – und vieles mehr!
7. Über Glück liest und hört man immer wieder. Warum hat sich Helvetas, die unabhängige Schweizer Entwicklungsorganisation, ausgerechnet diesem Thema angenommen?
Nadja Buser: Glück ist ein Thema, das alle Menschen auf der Welt bewegt. Egal, wie arm oder reich und egal, wo man lebt. Gleichzeitig läuft aktuell eine Debatte über die Zukunft unserer Erde, namentlich über Klimafragen und Fragen der Nachhaltigkeit. Diese aus der Perspektive des Glücklichseins zu betrachten, führt zu innovativen und neuen Erkenntnissen.» Ausserdem beeinflusst man das eigene Glück einerseits selbst und andererseits wirken sich die Rahmenbedingungen, unter denen man lebt, auf das Glücksempfinden aus. In der zeitgenössischen Entwicklungszusammenarbeit geht es immer auch um die Verbesserung der Rahmenbedingungen armer und benachteiligter Menschen. Von da her ist das Thema für uns höchst aktuell.
*Die Ausstellung GLOBAL HAPPINESS: Was brauchen wir zum Glücklichsein? der unabhängigen Schweizer Entwicklungsorganisation Helvetas befasst sich mit der Frage nach einer glücklichen, nachhaltigen Zukunft. Die Wanderausstellung ist ab 2019 voraussichtlich vier Jahre lang in Museen der Deutschschweiz und der Romandie sowie in Liechtenstein unterwegs. Erste Station ist das Naturama Aargau, wo die Ausstellung vom 17. Mai 2019 bis am 1. März 2020 gezeigt wird.
«GLOBAL HAPPINESS» nimmt eine der drängendsten Fragen der Zeit auf: Wie wir global zufrieden innerhalb der begrenzten Ressourcen des Planeten leben können. Auf innovative Weise stellt die Ausstellung die Idee vom «nachhaltigen Glück» ins Zentrum. Sie verbindet so das Nachdenken über Glück und Zufriedenheit mit den globalen UNO-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung.
Die Ausstellung ist als Gartenlandschaft konzipiert. Die Besucherinnen und Besucher messen ihr Glücksniveau, besichtigen die Wohnung einer jungen Minimalistin, wandern durch ein visionäres Quartier in Santiago de Chile und begegnen dem Bruttonationalglück in Bhutan. Die weltweit positiven Veränderungen und konkreten Handlungsoptionen eines jeden einzelnen setzen einen weiteren Schwerpunkt.
Dank der interaktiven und spielerischen Umsetzung ist die Ausstellung gleichzeitig unterhaltsam und informativ. Eine als E-Bike umgesetzte Glücksrikscha, Führungen, Angebote für Schulen und viele Veranstaltungen runden das Rahmenprogramm zur Ausstellung ab.