Nach Schätzungen der moldawischen Regierung sind bis Ende April bereits über 425'000 Menschen nach Moldawien geflüchtet, die meisten von ihnen sind weitergezogen, gut 100'000 sind geblieben. Das sind viele für ein Land, in dem nur etwas mehr als zwei Millionen Menschen leben und das als ärmstes Land Europas gilt, wo zwölf Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben.
Viele Geflüchtete, die im Land bleiben, kennen jemanden oder haben Familie in Moldawien, wie die 37-jährige Anzhela Skurelnik, die mit ihren drei Kindern aus einem Dorf in der Nähe der Hafenstadt Odessa zur 70-jährigen Mutter Sina geflüchtet ist. Diese wohnt zusammen mit Anzhelas älterer Schwester in einem kleinen Haus in Causeni, einer moldawischen Kleinstadt, etwa 70 Kilometer entfernt von der Grenze. Anzhelas Mann, ein Ukrainer, ist zurückgeblieben. Vor dem Krieg verkaufte die Familie Landwirtschaftsprodukte. Jetzt schützt der Mann noch das, was die Familie für die Selbstversorgung braucht.
Im Moment leben die drei Frauen und die drei Kinder von der Rente der Mutter, etwa 100 Franken im Monat. Das reicht auch in Moldawien nicht weit. Anzhela hat zwar noch etwas ersparte ukrainische Griwna mitgenommen, doch dafür erhält sie in Moldawien nichts: Die Griwna hat seit Kriegsausbruch dramatisch an Wert verloren. Helvetas unterstützt dank Spenden aus der Schweiz und zusammen mit dem Uno-Welternährungsprogramm (WFP) sowie der Deza moldawische Gastfamilien mit einem finanziellen Zuschuss, der es ihnen erlaubt, kleine Reparaturen vorzunehmen, Wasser- und Stromrechnungen zu bezahlen oder schlicht auch einfach Lebensmittel einzukaufen. Die Mutter von Anzhela ist sehr froh um die 190 Franken, die sie erhalten hat. Ihre Tochter und die Kinder brauchen auch leichtere Kleider, denn sie sind kurz nach Kriegsausbruch geflüchtet, und damals war in Odessa noch Winter.
In einer ersten Phase, als die ersten Kriegsvertriebenen über die moldawische Grenze kamen, organsierte Helvetas dank Spenden aus der Schweiz rasch Transportmöglichkeiten in die Hauptstadt Chisinau, verteilte SIM-Karten und installierte Ladestationen für Handys. Wichtig war von Anfang an die Betreuung besonders verletzlicher Menschen. In einem nächsten Schritt plant Helvetas nun, ukrainische Geflüchtete in den moldawischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Dafür analysieren Expertinnen und Spezialisten Angebot und Nachfrage sowie die Frage, wie moldawische Unternehmen gestärkt werden können, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.
In Moldawien ist die Angst gross, dass der Konflikt auch auf ihr Territorium überschwappen könnte.