Immer häufiger gibt es extreme Wetterereignisse. Nicht überall – aber kein Kontinent ist davor gefeit. Todesopfer, Vertreibung und zerstörte Infrastruktur sind die Folge. Jedes Zehntelgrad entscheidet über Menschenleben. Nicht nur in Afrika oder Asien. Nein, auch in der Schweiz. Je früher und entschiedener wir handeln, desto geringer fallen die künftigen Anpassungskosten aus – weltweit, und in der Schweiz. Klimaschutz ist daher ökonomisches Gebot und humanitärer Imperativ.
In diesem Jahr hat sich der Februar in der Schweiz angefühlt wie Frühling. Das Schweizerische Schnee- und Lawineninstitut spricht von einer «historischen Schneearmut». Mangelnder Schnee und die Trockenheit, kombiniert mit heisseren Temperaturen im Sommer, werden in der Schweiz zunehmend zum Problem. Langfristig fehlt Wasser in den Böden, lokal auch im Grundwasser. Mit gravierenden Folgen für die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung, für die Tierwelt und die Energieversorgung mit der Wasserkraft.
Aufreissender Asphalt und verformte Schienen, verdorrte Felder und Hagelschäden an Reben, auftauender Permafrost, Murgänge und Steinschläge: Bereits jetzt verursachen Klimaschäden in der Schweiz Kosten in Milliardenhöhe. Die Kosten für Anpassungsmassnahmen belaufen sich schon heute auf dreistellige Millionenbeträge pro Jahr. Darunter fallen aufwändige Schutzbauten gegen Hochwasser und Steinschläge, Schutz vor Sturm und Hagel, Stabilisierung von Bahntrassen, künstliche Pistenbeschneiung, Erhalt und Förderung von Biodiversität, Sofortmassnahmen bei Gewässer- und Feuchtlebensräumen sowie Massnahmen gegen «Hitzeinseln» in Städten, um nur einige zu nennen.
Auswirkungen im Globalen Süden bereits dramatisch
Noch dramatischer als in der Schweiz ist die Lage anderswo: Im Süden Spaniens hat es monatelang kaum geregnet. In einigen Regionen und Städten ist das Wasser so knapp, dass es rationiert werden muss. Mit Hochdruck arbeitet die spanische Regierung daran, andere Wasserquellen zu finden, z.B. rezykliertes Wasser oder entsalztes Meerwasser. Aber das ist aufwändig und teuer. Landwirt:innen fürchten um ihre Existenz.
Ostafrika leidet gerade unter der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten: Ausgetrocknete Böden und verendete Nutztiere so weit das Auge reicht. Die akute Nahrungs- und Wasserknappheit trifft 35 Millionen Menschen in Somalia, Äthiopien und Kenia. Die fünfte ausbleibende Regenzeit in Folge hat bereits Zehntausende von Frauen, Männern und Kindern in Lager für Binnenvertriebene gezwungen – mit wenig Aussicht auf Perspektiven.
Die Erwärmung der Weltmeere übertrifft in diesem Jahr alles Bisherige – mit verheerenden Folgen für Korallenriffe und die maritime Tier- und Pflanzenwelt. Wärmeres Wasser verstärkt das Abschmelzen der Gletscher in Grönland und der Antarktis, lässt den Meeresspeigel weltweit ansteigen und bedroht tiefliegende Küstenregionen und -städte. Und wärmere Meere führen zu extremen Wetterereignissen: Gerade diesen März forderte Zyklon «Freddy» hunderte Tote in Madagaskar, Mosambik und Malawi. Der Zyklon dauerte mit mehr als einem Monat länger als jeder andere tropische Sturm zuvor und verursachte schwere Schäden und Überschwemmungen.
Auf dem asiatischen Kontinent hat der Rekordmonsun im Herbst 2022 in Pakistan einen Drittel des Landes überschwemmt. Über 33 Millionen Menschen sind betroffen und haben ihre Existenzgrundlage verloren. 1,7 Millionen Häuser wurden zerstört, ebenso hunderte Brücken, Strassen und Krankenhäuser. Laut dem Global Climate Risk Index gehört Pakistan über den Zeitraum der letzten zwanzig Jahre zu den am stärksten von der Klimakrise betroffenen Ländern der Welt – zusammen mit Ländern wie Puerto Rico, Myanmar, Haiti, Philippinen, Mosambik, Bangladesch und Nepal.
Die Schweiz kann für mehr Klimagerechtigkeit sorgen
Die Erderhitzung verursacht häufigere Extremwetterereignisse und beeinträchtigt die Verfügbarkeit von Wasser negativ, richtet immer grössere wirtschaftliche Schäden an und hat zunehmend gravierende Folgen für die Ernährungslage. Besonders betroffen sind arme Bevölkerungsteile, Minderheiten und Frauen in Entwicklungsländern, denen es an Ressourcen und Widerstandskraft fehlt. Der Bericht des Weltklimarats 2022 (IPCC) zeigt: Im letzten Jahrzehnt starben in ärmeren Regionen 15-mal mehr Menschen wegen Fluten, Dürren oder Stürmen als in wohlhabenden Gegenden. Bereits sind 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen so vulnerabel, dass sie sich vor den Folgen der Klimakrise kaum schützen können.
Gleichzeitig tragen diese Menschen kaum eine Mitschuld an der Klimakrise. Laut dem «Climate Inequality Report 2023» sind die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung für die Hälfte der globalen Emissionen verantwortlich, erleiden aber nur drei Prozent der wirtschaftlichen Verluste durch den Klimawandel. Hingegen besitzt die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung gerade mal zwei Prozent des Weltvermögens, ist für nur zwölf Prozent der Emissionen verantwortlich, erleidet aber 75 Prozent der Verluste.
Mit ihrem grossen Konsum-basierten Klimafussabdruck liegt die Schweiz weltweit auf dem unrühmlichen Rang 13. Zwar produziert die Schweiz im Inland in absoluten Zahlen relativ wenig CO2-Emissionen. Berücksichtigt man aber Herstellung und Transport von importierten Waren sowie Dienstleistungen aus dem Ausland, weist die Schweiz mit rund 12 Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf einen überdurchschnittlich hohen CO2-Ausstoss auf.
Die Verantwortung der Privatwirtschaft, Paris-kompatible Nachhaltigkeitsziele zu setzen und entsprechend zu handeln, ist gross: Laut McKinsey könnte die Schweiz als globaler Wirtschafts- und Finanzplatz das 25-fache der eigenen Emissionen einsparen helfen, wenn sie wollte. Mit anderen Worten: Die Schweizer Wirtschaft ist verantwortlich für Treibhausgasemissionen im Gigatonnenbereich – durch ihre Importe, durch die ausländischen Geschäftstätigkeiten und durch Investitionen und Kreditvergaben in fossile Wirtschaftszweige aus dem Schweizer Finanzplatz.
Das zeigt: Die Schweiz ist beim Klimaschutz nicht einfach ein kleiner Player, dessen CO2-Einsparungen angesichts der weltweiten Emissionen «nichts bringen». Im Gegenteil: Die Schweiz hat einen grossen «Hebel» in der Hand und trägt eine wichtige Verantwortung. Und als angesehener Wirtschaftsstandort kann sie Vorbild sein für andere Länder.
Gletscher würden Klimaschutz schätzen
Bleiben die weltweiten Klimaschutzbemühungen auf dem derzeitigen Niveau, wird die Erderwärmung auf 3 Grad ansteigen – mit katastrophalen Folgen für die Gesundheit von Eltern, Kindern und Grosskindern, für die Nahrungsmittelproduktion und die Wirtschaft.
Europa erwärmt sich mehr als doppelt so stark wie der globale Durchschnitt: Während die gesamte Erdoberfläche seit Beginn der Industrialisierung um über 1,1 Grad wärmer geworden ist, hat sich das Alpenland Schweiz bereits um 2,5 Grad erhitzt. Dass die Schweiz selbst ein grosses Interesse an international erfolgreichem Klimaschutz hat, liegt daher auf der Hand. Nur bei konsequentem Klimaschutz und der Stabilisierung des globalen Temperaturanstiegs bei 1,5 Grad kann in der Schweiz z.B. noch ein Drittel des Gletschervolumens von 2017 erhalten werden – wenigstens im Wallis. Für Berner Oberländer Gletscher, für Gletscher im Engadin und im Tessin sind plus 1,5 Grad schon zu warm. Steigen die Temperaturen stärker an, sind sämtliche Gletscher verloren. Und damit ein wichtiger Teil unserer Süsswasserreserven.
Jedes Land der Welt hat sich verpflichtet, die Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens einzuhalten – und alles dafür zu tun, die Erwärmung auf 2 Grad und im besten Fall auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die meisten Staaten sind im Verzug. Auch die Schweiz ist beim Klimaschutz alles andere als eine Musterschülerin. Gegenwärtig steigt der CO2-Ausstoss, anstatt zu sinken.
Ja zum Klimaschutz-Gesetz
Am 18. Juni hat das Schweizer Stimmvolk die Chance, dies zu korrigieren: Das Klimaschutz-Gesetz zielt auf einen sozialverträglichen und fossil-freien Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft ab und verankert für die Schweiz das Netto-Null-Ziel bis 2050. Es fördert klimafreundliche Innovation und unterstützt die Produktion einheimischer Energie. Das erzeugt Wertschöpfung im Inland, schafft Arbeitsplätze und verbessert die Energiesicherheit. Ausserdem befreien wir uns aus der Abhängigkeit von Öl- und Gas-Importen aus undemokratischen Ländern wie Russland. 200 Forscher:innen, zahlreiche Verbände und sämtliche Parteien stellen sich klar hinter das Klimaschutz-Gesetz.
Nur die SVP stellt sich quer. Mit falschen Zahlen warnt sie vor steigenden Kosten: 6600 Franken pro Person und Jahr koste ein Ja zum Klimaschutz-Gesetz, behauptet die Volkspartei unter Verweis auf eine ETH-Studie. Doch die Wissenschaft widerspricht vehement: Die SVP reisse Forschungsergebnisse aus dem Kontext. Im Gegenteil: Richtig teuer werde es für uns alle, wenn die Schweiz nicht handelt und an klimaschädlichen fossilen Technologien festhält. Dann sind auch in der Schweiz immer mehr Menschenleben gefährdet.
Klar ist: Je länger wir mit Klimaschutz warten, desto schlimmer wird die Zerstörung durch die Erderhitzung und desto teurer werden die Gegenmassnahmen. Gleichzeitig gilt: Investiert die Schweiz heute in erneuerbare Energien und effiziente Mobilität, in Hausisolation und Wärmepumpen, in nachhaltig-ökologische Ernährung und verantwortungsvolle Industrieprozesse, sparen wir alle bei künftigen Anpassungskosten viel Geld.
Aus Verantwortung, im eigenen Interesse und für globale Klimagerechtigkeit: Es braucht ein Ja zum Klimaschutz-Gesetz.