© Syed Mahamudur Rahman/NurPhoto/AFP

Corona: Wachsende Herausforderungen für Migrantinnen und Migranten

Corona aus globaler Perspektive
30. April 2020
© Syed Mahamudur Rahman/NurPhoto/AFP

Arbeitsmigrantinnen und Wanderarbeiter fallen aufgrund der Coronakrise durch alle sozialen Netze. Sie verlieren oft ihre Arbeit, werden bei ihrer Rückkehr von der Gesellschaft gemieden und können ihre Familien nicht mehr unterstützen. In den Golfstaaten ist ihre Situation besonders prekär.

Die Coronakrise zeigt eindrücklich, wie wichtig die Menschen sind, die zum Wohl der Öffentlichkeit an vorderster Front, wenn auch mitunter hinter den Kulissen, arbeiten: das Gesundheitspersonal, die Herstellerinnen und Verkäufer von lebenswichtigen Gütern, Reinigungspersonal, Transportunternehmen, Erntehelfer und Bäuerinnen und viele andere. Doch erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass viele dieser Menschen Migrantinnen und Flüchtlinge sind. Sie riskieren ihre eigene Gesundheit und ihr eigenes Leben, um der Gesellschaft zu dienen. Ihre Lage ist oft prekär und entspricht so gar nicht Wohlbefinden und Sicherheit, die sie anderen ermöglichen.

In Bangladesch heisst es, dass rückkehrende Arbeitsmigranten aus Italien das Virus ins Land gebracht hätten. Jährlich verlassen rund 700'000 Bangladeschi das Land, um anderswo ein Einkommen zu finden. Jetzt kehrten sie zurück – unvorbereitet und uninformiert. Sie haben nicht die Möglichkeit, sich bei Krankheit selbst in Quarantäne zu begeben, oder einen Ort zu finden, um sich in einem der am dichtesten besiedelten Länder der Welt selbst zu isolieren. Und tatsächlich wurden erste Fälle von COVID-19 bei rückkehrenden Wanderarbeitern entdeckt.

In Nepal ist die Dynamik ähnlich. In beiden Ländern werden Familien von Rückkehrern gemieden, aus Angst, dass sie das Virus in sich tragen. Diese Stigmatisierung muss gestoppt werden, bevor sie ganze Gemeinschaften spaltet. Nur zur Erinnerung: Es ist erst Wochen her, dass Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter als die Heldinnen und Helden des Landes gefeiert wurden, weil sie Millionen von US-Dollar überweisen und so signifikant zum Bruttoinlandprodukt (BIP) beitragen haben. Allein 2019 waren es für Bangladesch 18 Milliarden US-Dollar.

Wer es nicht nachhause schafft, muss selbst schauen

Vor allem im Nahen Osten arbeiten Millionen von Männern und Frauen aus Nepal und Bangladesch. Diejenigen, die es nicht rechtzeitig nach Hause zurückgeschafft haben und immer noch «im Dienst» sind, sind besonders gefährdet. Sie arbeiten weiter mit wenig bis gar keiner Schutzausrüstung und mangelnden Sicherheitsmassnahmen – etwa auf den sieben Baustellen der Fussballstadien in Katar, wo 2022 die FIFA-Fussball-WM stattfinden soll.

Andere haben ihre Arbeit verloren, ohne ihren ausstehenden Lohn zu erhalten, können aber nicht mehr heim, weil die Grenzen geschlossen sind. Die Arbeitslager, in denen die Arbeiterinnen und Arbeiter in Zimmern mit mehreren Etagenbetten leben und in Schichten schlafen, erlauben kein Social Distancing. Strikte Ausgangssperren von Regierungen werden so zur Farce und dienen eher dem Schutz der eigenen Staatsangehörigen als dem der Wanderarbeiter.

Die unhygienischen Lebensbedingungen in den überfüllten Unterkünften war schon früher ein Problem. Jetzt werden sie zur Frage von Leben und Tod. Viele Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter sind verzweifelt, haben Angst, sich mit dem Virus zu infizieren, und keinerlei Zugang zu einer medizinischen Versorgung. Frauen, die als Hausangestellte arbeiten, sind besonders bedroht: Sie haben keine freien Tage mehr, können das Haus der Arbeitgeber nicht verlassen und sind noch mehr häuslicher Gewalt ausgesetzt. Dies alles wiederum belastet die Familien zu Hause, die sich um ihre Angehörigen sorgen und gleichzeitig die oft für sie sehr wichtigen Überweisungen nicht mehr erhalten. Die Situation ist eine soziale und psychische Zeitbombe. Linderung würden Beratungsangebote schaffen, die aber oft fehlen.

Doch vor grossen Problemen stehen auch die Tausenden von Migrationswilligen, die geplant hatten, im Ausland eine Arbeit aufzunehmen. In Bangladesch sind es schätzungsweise 150'000 mehrheitlich junge Frauen und Männer. Sie haben die Rekrutierungsgebühren bezahlt, was sich auf bis zu 3000 Franken summieren kann. Sie haben ihren Reisepass und ihre Arbeitsverträge und sitzen buchstäblich abreisefertig auf ihren Koffern. Jetzt sind sie in ihrer Heimat mit einer ungewissen Zukunft gestrandet, verschuldet wegen der Gebühren, ohne Arbeit und angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung ohne Perspektiven. Ihre Familien zählten auf ihr künftiges Einkommen – jetzt müssen sie ohne diese Hilfe zurechtkommen. Welche Aussichten haben diese Männer und Frauen, die in ihrem Land keine Zukunft finden? Wie wird sich der starke Rückgang der Rücküberweisungen auf die südasiatischen Volkswirtschaften auswirken? Wir wissen es nicht, aber wir befürchten, dass dies viele Familien noch tiefer in die Armut stossen wird.

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Helvetas unterstützt Migrantinnen und Migranten

Damit Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter weiterhin zur positiven Entwicklung in ihrem eigenen Leben, ihrer Familie und ihres Landes beitragen können, und bestenfalls sogar gestärkt aus der Krise herausfinden, müssen diese Herausforderungen sofort angegangen werden. Deshalb sucht Helvetas in Bangladesch zusammen mit der DEZA nach Wegen die Familien von Wanderarbeitern zu unterstützen. In Nepal unterstützt Helvetas im Rahmen eines DEZA-Projekts die Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten mit aktuellen Informationen und ermöglicht es den Daheimgebliebenen psychologische Hilfe anzufordern. In Myanmar werden rückkehrende Arbeitsmigrantinnen und Migranten aus Thailand durch Helvetas und die DEZA mit Desinfektionsmaterial, Gesichtsmasken und Trinkwasserfiltern versorgt, während sie in speziellen Zentren unter Quarantäne stehen. Ihre Familien erhalten vorübergehend Bargeld, um Nahrungsmittel zu kaufen

 

Katrin Rosenberg leitet seit März 2020 das neue Arbeitsmigrations-Projekt der DEZA in Bangladesch, das von Helvetas umgesetzt wird. Sie ist bei Helvetas unter anderem Spezialistin für Migrationsthemen.