Die Lockdown-Massnahmen in Entwicklungsländern wegen der Corona-Pandemie haben schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen, speziell für Arbeiterinnen und Arbeiter im informellen Sektor. Ein Blick auf die Situation in Mosambik, Bolivien und Bangladesch macht dies deutlich. Mit angepassten Aktivitäten trägt Helvetas dazu bei, die Auswirkungen der Pandemie zu mildern und Perspektiven für die Menschen vor Ort zu schaffen.
Beschäftigte im informellen Sektor sind von den Folgen der Corona-Pandemie besonders betroffen und den rigorosen Lockdown-Massnahmen meist schutzlos ausgeliefert. Um Einkommen zu generieren, entwickeln sie innovative Aktivitäten auf der Grundlage eigener Erfahrungen und Fähigkeiten.
Schutzmasken herstellen in Mosambik
Mosambiks fragile Wirtschaft stand nach den beiden tropischen Wirbelstürmen von 2019 gerade erst wieder am Anfang ihrer Erholung. Doch mit Corona brach der Tourismussektor zusammen und wurden Hotels und Restaurants geschlossen. Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, sich über Wasser zu halten. Daher bewilligte der Internationale Währungsfonds am 24. April 309 Millionen US-Dollar, um die Auswirkungen der Pandemie abzuschwächen und die Volkswirtschaft mittels der Unterstützung von klein- und mittleren Unternehmen (KMU) zu stabilisieren. Dennoch ist die wirtschaftliche Situation für viele KMU äusserst prekär.
So auch für die 30-jährige Unternehmerin Inês Jacinta Ali, die unter anderem Babytücher und Küchenschürzen herstellt. Sie hatte ihre handwerklichen Fähigkeiten im Helvetas-Berufsbildungsprojekt HOJE im Norden Mosambiks erworben. HOJE befähigt junge Frauen und Männer, mit unternehmerischem Knowhow und Verbindungen zum Arbeitsmarkt Einkommen zu erzielen. Als sich die Corona-Pandemie ausbreitete, sah sich Inês Ali wie viele andere mit einem jähen Nachfragerückgang und der damit verbundenen existenziellen Unsicherheit konfrontiert. Doch mit den dank Helvetas erworbenen Fähigkeiten ergriff sie die Chance, individuelle Schutzmasken herzustellen, die sie nun verkauft. Damit kann sie weiterhin Einkommen für ihre Familie zu generieren.
Kakao nachhaltig verarbeiten in Bolivien
In Bolivien ist der Anteil des informellen Sektors an der Gesamtwirtschaft laut IWF mit über 62 Prozent weltweit gesehen am höchsten. Viele Beschäftige des informellen Sektors stehen vor der unmöglichen Wahl zwischen Einhalten der Lockdown-Massnahmen und der Notwendigkeit, Einkommen zu generieren. Auch wenn viele Lebensmittelversorgungsketten immer noch weitgehend funktionsfähig sind, macht das die Situation für die Lebensmittelproduzenten nicht einfacher. So können Kakaoproduzenten im Amazonasgebiet wegen der weitgehenden Transportbeschränkungen ihre Produkte nicht verkaufen.
Um das Einkommen und die Widerstandsfähigkeit der Kakaobäuerinnen und -bauern zu erhöhen, arbeitet Helvetas an der Entwicklung der Wertschöpfungskette und unterstützt die Produzentinnen und Produzenten mit neuen Vermarktungsstrategien. Bäuerinnen wie Dacner Morales Flores gehören zu den indigenen Kakaoproduzentinnen, die damit begonnen haben, Kakao zu Kakaomasse zu verarbeiten. Die Masse hat eine längere Haltbarkeit und kann zu höheren Preisen verkauft werden. Die Corona-bedingten Transportbeschränkungen veranlassten viele Kakao-Kleinbäuerinnen und -bauern, dem Beispiel von Dacner zu folgen und so ihr Einkommen zu sichern und die Ernte vor der Verschwendung zu retten.
Erntearbeiter mobilisieren in Bangladesch
Die Folgen der Corona-Pandemie für den informellen Sektor Bangladeschs haben dazu geführt, dass viele Strassenverkäufer Dhaka verlassen und in der Hoffnung auf mehr Ernährungssicherheit in die ländlichen Gebiete zurückkehren. Ebenfalls betroffen ist die formelle Wirtschaft. Der Verband der Bekleidungshersteller und -exporteure (BGMEA) berichtete über annullierte Bestellungen, die zu Einnahmeverlusten von rund 3 Milliarden US-Dollar führten und 2,24 Millionen Beschäftigte betreffen.
Auch die Nahrungsmittelproduktion des Landes steht vor Stresstests. In den Feuchtgebieten im Nordosten des Landes sollte in wenigen Wochen eigentlich die Reisernte beginnen. Doch diese hängt stark von Arbeitskräften aus den Nachbarregionen ab, und die Lockdown-Massnahmen erlauben es ihnen nicht, zu Reisfeldern ausserhalb ihrer Region reisen. Damit wird die Reisernte verhindert, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Ernährungssicherheit in der Region hat. Das Helvetas Regionalbüro in Bangladesch unterstützt lokale Partner und Regierungen dabei, die Voraussetzungen für eine sichere Mobilisierung der Arbeiterinnen und Arbeiter und die Reisernte zu schaffen.
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Die Widerstandskraft der Betroffenen stärken
Wie die OECD in einem aktuellen Bericht aufgezeigt hat, sind Frauen von den gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie am meisten betroffen. Im Gesundheitswesen sind sie der Infektionsgefahr besonders ausgesetzt. Zuhause tragen sie den grösseren Teil der Last wegen der Schliessung von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen. Dies verschärft die bereits bestehende Ungleichheit bei der unbezahlten Heimarbeit weiter. Der OECD-Bericht hält fest, dass Frauen aufgrund der Corona-Krise anfälliger darauf sind, Arbeitsplätze und Einkommen verlieren, und zudem von Gewalt, Ausbeutung, Missbrauch oder Belästigung bedroht sind. Nach einer Entlassung haben Frauen meistens grosse Schwierigkeiten, alternative Beschäftigungs- und Einkommensquellen zu finden.
Menschen wie Inês Ali oder Dacner Morales sind inspirierende Beispiele dafür, wie Frauen sich den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie entgegenstellen können. Helvetas unterstützt Frauen und Männer dabei, ihre Widerstandskraft zu erhöhen und Massnahmen zu entwickeln, um Gesundheit und Sicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig den Lebensunterhalt zu sichern.
Paulo Rodrigues arbeitet seit 2020 bei Helvetas als Berater und Experte für Marktsysteme in fragilen Kontexten.