Lokale Behörden stehen an vorderster Front, wenn es um die Bewältigung der Coronakrise geht. Sie koordinieren und setzen nationale Massnahmenpläne um, lancieren oder unterstützen lokale Präventions- und Hilfsangebote und müssen gleichzeitig ihre üblichen Dienstleistungen und die normale Beratungsarbeit aufrechterhalten. In vielen Ländern ist das eine grosse Herausforderung – und eine Chance zugleich. Beispiele aus Albanien und Bangladesch.
Social Distancing hat für viele von uns die Art und Weise, wie wir arbeiten, verändert. Dasselbe gilt für Regierungen und Behörden auf allen politischen Ebenen. Besonders herausgefordert sind lokale Behörden – vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, wo die finanziellen und personellen Ressourcen knapp sind: Die Regierungsgeschäfte müssen wie gewohnt weitergeführt werden, derweil die Krise rasche Entscheidungen in Belangen erfordert, die bislang nicht alltäglich waren. Dabei geht es um Fragen wie, welche Budgets für Notfälle bereitgestellt werden oder wo Lebensmittelvorräte für bedürftige Familien gelagert werden können, um nur zwei zu nennen.
In Albanien, wo Helvetas mit dem Projekt "Bashkia te Forte" (Stärkere Gemeinden) Regierungen und Behörden unterstützt, ihre Aufgaben bürgernah wahrzunehmen, mussten diese wegen der Coronakrise kurzfristig Sitzungszimmer mit virtuellen Besprechungsplattformen tauschen. Die Mitglieder treffen sich nun per Skype oder Zoom. Wer damit nicht umzugehen wusste oder wenn es darum ging, wie Onlinesitzungen umsichtig zu führen, wurde im Rahmen des Projekts gecoacht und geschult. Einige Legislativbehörden wie Gemeinde- oder Stadträte haben sogar damit begonnen, ihre Sitzungen in Livestreams auf Facebook zu übertragen, damit Bürgerinnen und Bürger die Diskussionen mitverfolgen und kommentieren können.
Da Lockdowns und Ausgangssperren Frauen und Kinder besonders gefährden, Stichwort Gewalt und Missbrauch, unterstützt Helvetas Gender-Kommissionen der lokalen Behörden, korrekt, schnell und angemessen auf solche Vorfälle zu reagieren. Erste Hilfe leisten dabei meist die Polizei, Gemeindearbeiterinnen und Sozialarbeiter.
«Fake news» korrigieren
Soziale Medien spielen gegenwärtig eine wichtige Rolle. Doch in Krisenzeiten werden Facebook und Co. auch missbraucht. Derzeit, um Gerüchte oder Falschinformationen über Covid-19 zu verbreiten. Die Stigmatisierung sozialer Gruppen oder unbegründete Verschwörungstheorien führen zu Unsicherheiten und teils gefährlichen Spannungen in der Gesellschaft.
Das ist zum Beispiel in Bangladesch der Fall. Unsere lokale Partnerorganisation Rupantar leistet dort im Moment wichtige Aufklärungsarbeit – insbesondere gegen schädliche Falschinformationen über Corona. Vor dem Lockdown hat Rupantar Flugblätter verteilt, um irreführenden Informationen entgegenzuwirken. Jetzt arbeitet die Organisation vor allem über Facebook, deckt «fake news» auf und warnt davor. Parallel dazu arbeitet Rupantar mit einflussreichen und respektierten Persönlichkeiten in den Dörfern zusammen, die über Lautsprecher die Bevölkerung informieren und aufklären.
Jetzt handeln!
In die Zukunft denken
Der Lockdown trifft die Demokratie. Der Ausnahmezustand begünstigt Entscheidungen hinter verschlossenen Türen und ohne öffentliche Kontrolle. Er ist aber auch eine Chance für deren Ausbau. In Albanien könnten nach den gestreamten Sitzungen digitale Anhörungen auf kommunaler Ebene beispielsweise ein nächster Schritt sein: So könnten Bürgerinnen und Bürger, zivilgesellschaftliche Organisationen und Unternehmen sich direkt an die Behörden wenden, Fragen stellen und Argumente für anstehende Entscheidungen anbringen. Etwa: Wie wird die lokale Tourismusindustrie in Corona-Zeiten funktionieren, wenn die Sommersaison beginnt? Welche Unterstützung erhalten kleine Unternehmen und Landwirte, um die Krise zu überstehen?
Weltweit werden nach der Coronakrise viel mehr Menschen als bisher auf Unterstützung angewiesen sein. In Bangladesch verteilt die Regierung schon jetzt Nahrungsmittelhilfen und Geld an einkommensschwache Familien. Weil solche Programme korruptionsanfällig sind, braucht es dafür klare Kriterien und Verfahren, um sicherzustellen, dass die Hilfe am richtigen Ort ankommt. Kriterien, die auch nach der Krise ihre Gültigkeit behalten.
Die Corona-Pandemie zwingt die Behörden in Albanien, in Bangladesch, aber auch in der Schweiz, sich rasch an neue Situationen anzupassen und darauf zu reagieren: Sie werden digitaler, müssen das vorhandene Potenzial erkennen und nutzen, aber auch schnell auf spezifische Bedürfnisse, etwa von Frauen oder anderen benachteiligten Gruppen, eingehen. In der Krise liegt auch eine Chance, wenn wir dafür sorgen, dass sich diese vielfach positiven Veränderungen über die Pandemiezeit hinaus etablieren.
Craig Hatcher ist Berater Gouvernanz bei Helvetas.
Valbona Karakaçi berät für Helvetas das Projekt Bashki te Forta in Albanien.
Sylvia Kimpe ist Beraterin für Gouvernanz und Zivilgesellschaft bei Helvetas.
Fazlur Rahman ist Spezialist für das Lern- und Wissensmanagement im Projekt Sharique in Bangladesch.