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KOVI: Paradise lost

Es war kein Zufall: Fast zeitgleich publizierten Ende Oktober mehrere Schweizer Zeitungen prominente Meinungsartikel von Präsidentinnen und Präsidenten kantonaler Handelskammern. Alle handelten sie vom selben Thema – der Konzernverantwortungsinitiative (KOVI).
VON: Bernd Steimann - 07. November 2017
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Nachdem der Bundesrat im September seine Botschaft zum Volksbegehren veröffentlicht hatte (Ablehnung ohne Gegenvorschlag), nahm die Rechtskommission des Ständerats kürzlich die Beratung der Initiative auf. Die kleine Kammer soll als erstes entscheiden, ob den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern ein Gegenvorschlag vorgelegt, oder ob das Anliegen ohne Alternative zur Ablehnung empfohlen werden soll. Entsprechend intensivierten gewisse Kreise der Schweizer Wirtschaft ihre Anstrengungen, dem Ständerat via Medien ihr Kernargument gegen die KOVI zu vermitteln: Global tätige Schweizer Unternehmen bedürften keiner weiteren Regulierungen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards, denn sie verhielten sich bereits vorbildlich und dienten weltweit als Leuchttürme in Sachen Transparenz und Nachhaltigkeit. In der BAZ etwa hiess es: «Wertvorstellungen und Standards in den international tätigen Schweizer Unternehmen gelten weltweit. Die Unternehmen „exportieren“ diese Werte auch in Länder, die sich in diesen Fragen noch nicht auf Augenhöhe mit uns bewegen.» Und in der Handelszeitung: «Die gelebten Werte sind in Ländern mit fraglichen Strukturen auch ein Beitrag zur moralischen Stabilisierung.» Fazit aller Artikel: Es genüge vollauf, auch weiterhin auf unternehmerische Selbstregulierung zu vertrauen.

Spätestens seit diesem Montag wissen wir, dass es mit der moralischen Stabilisierung nicht immer weit her ist. Mit der Veröffentlichung der «Paradise Papers» zeigt ein internationales Recherchenetzwerk in aller Deutlichkeit, welch abenteuerlicher Methoden und Konstrukte sich auch in der Schweiz domizilierte Grossunternehmen bedienen, um ihre Gewinne auf Kosten von Entwicklungsländern wie Angola oder Kongo in schier unermessliche Höhen zu schrauben. Korruption und Klüngelei gehören ebenso zum Repertoire wie massiv überzogene Beratergebühren und totale Intransparenz. Natürlich wäre es falsch, die Schuld an diesen Missständen allein den westlichen Investoren und mangelnder Regulierung anzulasten. Für Bestechung bedarf es stets zweier Seiten, weshalb die Machteliten in rohstoffreichen Entwicklungsländern ebenso in der Verantwortung stehen wie ihre westlichen Geschäftspartner.

Die erschreckenden Geschichten, welche die Medien nun nach und nach an den Tag legen, zeigen aber, dass sich an den Zuständen und Praktiken in diesem und anderen Investoren-Paradiesen kaum etwas ändern wird, solange Staaten wie die Schweiz weiterhin blindlings auf den guten Willen und das Ehrenwort gewisser Grosskonzerne vertrauen. Wer jetzt noch auf Selbstregulierung setzt, dem ist nicht nur das Schicksal der ausgebeuteten Menschen in Ländern wie Angola oder Kongo egal, sondern auch der gute Ruf des Wirtschaftsstandorts Schweiz. Dem Ansehen all jener Schweizer Unternehmen, welche global tätig sind und dennoch ehrlich und transparent wirtschaften, fügen Geschichten wie die «Paradise Papers» jedenfalls erheblichen Kollateralschaden zu. Viele von ihnen lassen sich das zum Glück nicht mehr länger gefallen und setzen sich daher für die Konzernverantwortungsinitiative ein.

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