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Eritrea – in Gottes Namen!

VON: Bernd Steimann - 12. Juni 2017
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Einmal mehr fordern bürgerliche Parlamentarier den Bundesrat dazu auf, mit Eritrea über eine allfällige Kooperation im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zu verhandeln (TA vom 11.1.2017). Dies, nachdem die FAZ ein internes Papier von in Asmara stationierten, europäischen Diplomaten publizierte. Darin  kritisieren diese einen Bericht der UNO, welcher massive Menschenrechtsverletzungen durch das eritreische Regime anprangert und empfiehlt, Flüchtenden aus Eritrea pauschal Asyl zu gewähren. Die Diplomaten schildern die Lage am Horn von Afrika als weit weniger dramatisch als von der UNO dargestellt und fordern ein Umdenken der europäischen Asylpraxis.

Das freut natürlich all jene bürgerlichen Kräfte in der Schweiz, welche vom Bund schon lange eine Kursänderung bezüglich Eritrea fordern. Ausgehend von der Annahme, dass Eritrea ja «nicht das Nordkorea von Afrika»  sei, fordert unter anderen FDP-Ständerat Philipp Müller, der Bundesrat solle nun endlich das Gespräch mit dem eritreischen Präsidenten Afewerki suchen.

Bloss: Um die tatsächliche Lage in Eritrea geht es gar nicht. Was grosse Teile von CVP, FDP und SVP eigentlich wollen, ist ein Rückübernahmeabkommen für Asylsuchende mit dem totalitären Regime in Asmara. Menschen aus Eritrea stellen hierzulande die mit Abstand grösste Gruppe der Asylsuchenden – und werden so zum Spielball in der aufgeheizten Asyldebatte. «Wir brauchen ein Rückübernahmeabkommen», so Müller, „und dafür muss der Aussenminister in Gottes Namen halt mit Eritrea verhandeln.» 

Die Parallelen zu Deutschland sind unübersehbar. Dort stört man sich an den vielen Menschen aus Afghanistan, die aus ihrem kriegsversehrten Land nach Deutschland flüchten – und rückt sich daher ex post die Realitäten vor Ort zurecht. Auf einmal soll es für Afghaninnen und Afghanen wieder zumutbar sein, nach Hause zurückzukehren. Dies, obwohl sich die Lage in Afghanistan nachweislich verschlechtert hat. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann von der CSU sieht darin jedoch kein Problem: «Wir muten unseren eigenen Soldaten zu, dort im Einsatz zu sein, dann ist es auch zumutbar, dass Menschen (…) in ihre Heimat dorthin zurückkehren.» Der Satz ist so zynisch und dumm, dass man ihn zweimal lesen muss.

Die Schweizer Eritrea-Debatte verläuft nach demselben Muster: Obwohl sich an der Lage in Eritrea kaum etwas  geändert hat, finden aufgrund der hohen Zahl Asylsuchender nun auf einmal viele, eine Rückkehr sei durchaus zumutbar. Dafür wird sogar angeregt, mit einem Diktator das Gespräch zu suchen. Und dies ausgerechnet von bürgerlicher Seite, welche dem Bund sonst immer wieder unterstellt, Entwicklungsgelder würden in den Taschen irgendwelcher Despoten versickern. Welche wenn überhaupt nur dort helfen möchte, wo Rechtssicherheit gegeben ist und keine Korruption herrscht. Im Fall von Eritrea aber soll das alles auf einmal egal sein – man fordert den Aussenminister explizit dazu auf, einem Diktator «in Gottes Namen»  eine Kooperation (sprich Geld) anzubieten, damit dieser doch endlich seine Landsleute zurücknehme.

Was der liebe Gott zu Müllers Vorschlag denkt, ist bislang nicht bekannt. Sicher aber ist, dass das Ganze mit Entwicklungszusammenarbeit nichts mehr zu tun hat, wohl aber mit schlecht verhehltem politischen Opportunismus.

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