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Buchbesprechung «How change happens» von Duncan Green

Duncan Green hat sein neues Buch im April an einem Anlass des NADEL/ETH Zürich vorstellt. Ein Beitrag von Christoph Wehrli, ehem. Redaktor NZZ und freier Journalist.
VON: Christoph Wehrli - 15. Mai 2017
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Zwischen Projektarbeit und Weltverbesserung

«Weltverbesserer» mögen als naiv oder überheblich gelten – Entwicklungsorganisationen mit dem Anspruch, ins Gewicht zu fallen, geben sich nicht mit «Inseln des Erfolgs» zufrieden, sondern wollen zu nachhaltigen und ausstrahlenden Veränderungen beitragen. Wie kann dies gelingen? «How change happens», zeigt Duncan Green, Mitarbeiter der in 17 Ländern verankerten Organisation Oxfam, in einem Buch, das sowohl auf eigenen Erfahrungen als auch auf Fachliteratur beruht. Er fordert die «Aktivisten» (alle irgendwie Engagierten) dazu auf, mehr auf die Systeme, in denen sie tätig sind, und auf die Machtverhältnisse zu achten.

Ein Beispiel: Indische Fischergemeinschaften erringen die gesetzliche Sicherung ihrer Rechte an 150 Teichen gegen die Interessen von Grossgrundbesitzern. Es ist dies das Resultat von teilweise gewaltsamen Konflikten um die Nutzung einer neuen, profitableren Fischart, der Bildung von Frauenorganisationen, der Aktivitäten externer NGOs und der Reaktion einsichtiger Politiker. Die Geschichte dieses Durchbruchs illustriert, was Green mit «System» meint: nichts Starres und keinen mechanischen Wirkungszusammenhang, sondern eine Art komplexes «Ökosystem». Darin hätten «Aktivisten» nur als «Gärtner» zu wirken und ebenso mit langfristigen, evolutiven wie mit unvorhersehbaren, plötzlichen Vorgängen zu rechnen. Wer eingreife, müsse die Machtverhältnisse und deren Rolle bei Veränderungen kennen. Und wer vom «empowerment» der Schwachen rede, sollte nicht verdrängen, dass vom Bewusstwerden der eigenen Rechte ein Weg über gemeinsame Aktionen zu Handlungs- und (kontrollierter) Bestimmungsmacht führen sollte. Ein weiterer Aspekt ist der – ebenfalls vielschichtige – Wandel gesellschaftlicher Normen. So kann sich eine bessere Stellung der Frau durch Arbeit in der Industrie, Fernseh-Seifenopern und Uno-Dokumente ergeben, und in einem Projekt half die Vernetzung von Gemeinschafts-Vertreterinnen mittels pinkfarbener, vor männlichem „Ausleihe“ sicherer Handys.

Wenn sich Green ausführlich mit den verschiedenen «Institutionen» auseinandersetzt – mit dem Staat (nur kurz mit fragilen Staaten), mit nichtstaatlichen Strukturen, den internationalen Organisationen und den grossen Konzernen -, so will er stets Schwarz-Weiss-Bilder differenzieren und die «Aktivisten» dazu ermutigen, «mit dem System zu tanzen», das heisst Interessenkonvergenzen, Abweichungen von der Norm, die Offenheit einzelner Personen und günstige Momente für ihre Sache zu benützen. Die Mittel wie Allianzen, Dialog, Kampagnen und Stärkung von Organisationen sind situationsgemäss auszuwählen und zu kombinieren.

Mit konkreteren Anleitungen hält sich der Autor zurück. Er fordert von den «Aktivisten» ja gerade mehr Flexibilität, wie in der Nothilfe üblich, Sinn für Unkonventionelles und Bereitschaft zum Experimentieren unter rascher Korrektur allfälliger Fehler. NGOs (zwischen politischer und praktischer Ausrichtung unterschiedet er nicht) hätten einem solchen Denken Raum zu geben. Statt rigide nach Projekten und «logframes» vorzugehen, sollten sie Organisationen und Gemeinschaften «durch Dick und Dünn» begleiten, um ungeplante Chancen nützen zu können. Das bedingt auch Geldgeber, die nicht postwendend «Resultate» sehen wollen, denn nachhaltige Veränderungen brauchen Zeit und sind nicht immer berechenbar. Im Einzelnen kritisiert Green ferner eine Scheu, mit religiösen Organisationen zusammenzuarbeiten und neben Kollektiven auch Leader-Personen zu unterstützen.

Nicht alles an Greens (praxisnaher und locker präsentierter) «Theorie» ist ungewöhnlich; langfristige Präsenz und Beachtung des Kontextes sind für viele schweizerische Entwicklungsorganisationen selbstverständlich. Auch die Mahnung zur Bescheidenheit dürfte insofern auf offene Ohren stossen, als die Rolle der Partner und der Bevölkerung im Süden unbestritten ist. Die Aufforderung zum «Tanzen mit dem System» tönt allerdings recht selbstbewusst.

Duncan Green: How change happens. Oxford University Press. 2016. 286 S.

Hier geht es zum Veranstaltungsbericht mit Video-Statements.

Kostenloser Download: how-change-happens.com (es gibt keine deutsche Fassung)

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