Es ist nicht einfach nachzuvollziehen, was sich Ende 2018 im Schweizer Parlament abspielte. Anfang Dezember hatte der Ständerat über eine Motion zu befinden, welche die Kompetenz in Sachen Waffenexporten vom Bundesrat ans Parlament übertragen möchte. Hintergrund war die im Sommer geäusserte Absicht des Bundesrats, in Zukunft auch Waffenexporte in Bürgerkriegsländer zu erlauben. Dagegen formierte sich breiter öffentlicher Widerstand, unter anderem mit der Ankündigung der Korrekturinitiative. Unter diesem Eindruck beschloss der Nationalrat im September, die besagte Motion anzunehmen, um die Exportregeln für Rüstungsgüter besser im Auge zu behalten.
Daraufhin zog der Bundesrat sein Ansinnen zurück – offensichtlich in der Hoffnung, der Ständerat möge sich besinnen und die entsprechenden Kompetenzen bei der Landesregierung belassen. So stünde es dem Bundesrat frei, das Geschäft jederzeit wieder aufzunehmen und die Exportregeln für Schweizer Waffen weiter zu lockern – so wie in den vergangenen Jahren auch schon. Daran hat sich auch mit der neuen Zusammensetzung des Bundesrats nichts geändert, denn der neue Wirtschaftsminister ist der ehemalige Rüstungsminister. Und der Ständerat? Der befand, es brauche weitere Abklärungen und schob die Sache auf die lange Bank.
Fast zur selben Zeit entfachte sich in beiden Räten eine vollkommen überhitzte Debatte zum Migrationspakt der Vereinten Nationen: Nachdem rechtsbürgerliche Kreise den Pakt, an dem die Schweiz massgeblich mitgewirkt hatte, lautstark und öffentlichkeitswirksam angegriffen hatten, wurden auch die Mitteparteien plötzlich nervös und forcierten eine Debatte im Parlament. In der Folge wurde der Migrationspakt derart fantasievoll ausgeschmückt und uminterpretiert wie noch kaum ein internationales Abkommen zuvor: Vom Verlust der nationalen Souveränität über das Ende der Pressefreiheit bis hin zum Untergang der westlichen Zivilisation – die Palette an Schreckensszenarien war vielfältiger denn je.
Nach langem Hin und Her wurde schliesslich entschieden, das Parlament zu einem späteren Zeitpunkt über eine Unterzeichnung entscheiden zu lassen. Ob sich die Schweiz dem Abkommen, welches die internationale Kooperation in Sachen Migration verbessern will, dereinst noch anschliessen wird, scheint heute ungewisser denn je.
Zwei Debatten, die auf den ersten Blick nur wenig gemein haben: Hier Waffenausfuhr, dort internationale Migration. Doch auf grundsätzlicher Ebene offenbart die Rhetorik bestimmter Kreise gleich einen doppelten Widerspruch: Einerseits fordert man mehr Kontrolle und bessere Steuerung der Migration – weigert sich aber, am einzigen globalen Prozess mitzuwirken, der genau dies beabsichtigt. Andererseits stört man sich an den globalen Flucht- und Wanderungsbewegungen von Süd nach Nord – ist aber bereit, zugunsten einiger Arbeitsplätze bestehende Bürgerkriege mit Waffenverkäufen zu alimentieren.
Es sind dieselben Kreise, welche der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit vorwerfen, zu wenig gegen Flucht und Migration zu unternehmen. Ein Vorwurf, den man angesichts des beelendenden politischen Hickhacks um Waffen und Migration nicht einfach so stehen lassen darf. Daraufhin lancierten Helvetas und über 40 weitere Organisationen die Korrekturinitiative.