Die Coronakrise ist nicht nur eine Gesundheitskrise, sondern für viele Menschen ein Überlebenskampf: Bäuerinnen können ihre Produkte nicht mehr verkaufen. Schneider sitzen vor stillen Nähmaschinen, weil die Aufträge ausbleiben. Schüler und Schülerinnen verlieren den Anschluss, weil sie nicht mehr zur Schule gehen dürfen. Helvetas unterstützt weltweit findige Köpfe, die Antworten und Auswege suchen – zum Wohl aller.
Burkina Faso: Seifen sieden im Dorf
Sie sind die neuen «Seifenfrauen», die Frauen, die nun in Burkina Faso Seife herstellen, weil diese in der Coronakrise zu einem raren Gut geworden ist. Diese Frauen, die schon vor der Krise unermüdlich wichtige Hygienebotschaften verkündeten und jedem Kind, jeder Frau, jedem Mann im Dorf erklärten, wie wichtig es ist, sich immer wieder die Hände zu waschen, das Wasser zuhause zu schützen und das Dorf sauber zu halten, stellen nun auch Flüssigseife her, die für die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner erschwinglich ist. «Ich musste weit gehen, um Seife zu finden – und sie teuer bezahlen», erzählt Dapoa Lankoandé. Sie lebt in Dakri im Osten des Landes und ist eine der Frauen, die mit der Unterstützung von Helvetas in die Geheimnisse der Seifenherstellung eingeführt wird. «Jetzt habe ich Seife für meine Familie, und ich kann andere Familien damit versorgen.» Damit verdient Dapoa Lankoandé etwas Geld. Da sich die Seifenfrauen Zeit nehmen, die Seife sorgfältig und qualitativ hochstehend herzustellen, haben sie den Markt rasch erobert. Der Lehrgang beinhaltet auch einen Crashkurs in Marketing und Buchhaltung, den die Frauen sehr schätzen. Er findet in einem Schulzimmer statt; die Tafel ist noch vollgeschrieben mit dem Stoff der letzten Schulstunden, viele Pulte wurden weggeräumt, um Platz zu schaffen – und Distanz zu halten.
Benin: Neue Unterrichtsformen finden
Weltweit stehen Schulhäuser derzeit leer. Zeitweise waren gemäss der Unesco 1,5 Milliarden Kinder in 195 Ländern von den Schulschliessungen aufgrund der Coronakrise betroffen. Viele von ihnen mussten einst mutig kämpfen, um überhaupt zur Schule gehen zu dürfen, und fürchten nun, dass sie den Anschluss verlieren oder ihre Eltern sie nicht mehr in die Schule zurückkehren lassen.
In Benin können ein Drittel aller Jugendlichen weder richtig lesen noch schreiben, weil sie die Primarschule zu früh verlassen mussten. Solche Jungen und Mädchen erhalten seit 2016 eine zweite Chance: Im Auftrag der Deza unterstützt Helvetas im Norden des Landes den Aufbau von Schulzentren, wo betroffene Kinder die verpassten Schuljahre nachholen können. Sie sind hochmotiviert und wollen unter keinen Umständen – auch nicht wegen der Coronakrise – ihren bevorstehenden Primarschulabschluss verpassen. Deshalb suchte Helvetas nach Wegen, wie diese Kinder auch jetzt weiterlernen können. «Ich muss meine Abschlussprüfung bestehen, denn ich muss Lehrerin werden, wenn ich gross bin», erklärt die 14-jährige Moufira Bio Idrissou bestimmt. Unterrichtet wird sie nun in einer provisorischen Hütte, die extra dafür eingerichtet wurde: Drei bis fünf Kinder aus dem Dorf treffen sich dort mit dem nötigen Abstand und werden von einem Lehrer oder einer Lehrerin auf die landesweite Prüfung vorbereitet. Andernorts findet der Unterricht draussen im Schatten eines grossen Baumes statt. Derzeit gehen die Lehrkräfte in die Dörfer, nicht die Kinder in die Schulzentren. In Sorge, dass die Kinder wegen der Schulschliessungen abgehängt werden, haben alle Beteiligten, von der lokalen NGO über Helvetas und den Behörden bis zu den Lehrkräften und Eltern, diese Strategie der dezentralen Lernorte für kleine Gruppen von Schülerinnen und Schülern der Abschlussklassen ausgeheckt. Die Chancen stehen deshalb nach wie vor gut, dass Moufira Bio Idrissou dereinst Lehrerin werden kann. Ihr nächstes Ziel wird sein, die Ausbildung in Angriff zu nehmen.
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Mosambik: Masken statt Mode
Ihre Ausbildung hat Inês Jacinta Ali aus Mosambik bereits hinter sich. Im Rahmen eines Helvetas-Projekts hat sie sich im letzten Jahr zur Schneiderin ausbilden lassen. Voller Elan gründete sie danach mit Kolleginnen ihr eigenes kleines Unternehmen. Doch auch in Mosambik beeinträchtigt das Coronavirus das öffentliche Leben, Aufträge blieben aus. Statt aufzugeben, erinnerte sich Inês Ali an das Kursmodul, das ihren Unternehmerinnengeist weckte: Inzwischen ist das Nähen von individuellen Schutzmasken ihr Geschäftsmodell. Dass sie damit Menschen ermöglichen kann, sich und vor allem auch andere vor einer Coronainfektion zu schützen, ist quasi das Tüpfelchen auf dem «i». Sie und ihre Kolleginnen nutzen dafür Capulana-Stoffe – ein typisches Tuch mosambikanischer Frauen. Inês Ali produziert täglich 50 Masken – inklusive Trag- und Waschanleitung. «Wir achten darauf, dass die Masken für die Menschen hier erschwinglich sind», erklärt sie. Ihre Masken sind günstiger als die Wegwerfmasken, die in Apotheken erhältlich sind. Mit ihrem Unternehmerinnengeist meistern die jungen Schneiderinnen aus dem Helvetas-Ausbildungskurs die wirtschaftliche Krise – und leisten gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit ihrer Gemeinschaft.
Mosambik: Desinfektionsmittel statt Schnaps
Um die Gesundheit der Bevölkerung zu gewährleisten brauchen Gesundheitszentren und Spitäler aber auch beträchtliche Mengen an Desinfektionsmittel. Solches ist in vielen Ländern Afrikas inzwischen ein rares Gut. Im Norden Mosambiks werden für medizinischen Alkohol, der Basis für Desinfektionsmittel, Phantasiepreise verlangt. Wegen der grossen Nachfrage sind auch gefälschte Produkte im Umlauf, die nicht nur die Gesundheit der Menschen gefährden, sondern sie auch noch in falscher Sicherheit wiegen. Deshalb unterstützt Helvetas mit finanzieller Beteiligung der Deza die Produktion von Ethanol aus Zuckerrohr und aus den Äpfeln des Cashewbaumes. In Mosambik, wie vielerorts in Afrika, wird aus diesen Äpfeln, an denen die Cashewnuss wächst, meist Schnaps gebrannt, weil die Früchte rasch gären, sobald sie reif sind – und deshalb sonst häufig einfach verfaulen. Mit dem Destillieren zu medizinischem Alkohol sowie der Herstellung von Handdesinfektionsmitteln, die Aloe Vera oder Moringa enthalten, eröffnet sich für die am Projekt beteiligten Bäuerinnen und Bauern ein neuer Einkommenszweig, der weit über die Coronakrise hinaus Bestand haben dürfte. Denn die Hygienemassnahmen werden auch nach der Pandemie ihre Wichtigkeit beibehalten.
Die aktuellen Herausforderungen sind gross. In vielen Ländern Afrikas steigen die Coronafälle noch an. Helvetas hat deshalb in fast allen Partnerländern die Hygieneschulungen verstärkt und leistet Aufklärungsarbeit – zu den Verhaltensregeln, und um gefährlichen Falschinformationen entgegenzuwirken. Sehr hart trifft die Menschen in vielen Ländern auch die wirtschaftliche Krise. Doch die Krise birgt auch zukunftsweisende Chancen – wie die Herstellung neuer Produkte, die kluge Verwertung von Ernteabfällen oder flexible Unterrichtsformen. Zum Wohl aller.