Die Resultate der Klimakonferenz COP27 sind gemischt. Mit der Verabschiedung eines Fonds für Schäden und Verluste wurde ein historischer Schritt in Richtung Klimagerechtigkeit gemacht – auch die Schweiz konnte sich dem Anliegen zuletzt nicht mehr verweigern. Doch statt einem klaren Bekenntnis zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gibt es erneut nur ein Arbeitsprogramm.
Medienmitteilung der entwicklungspolitischen Dachorganisation Alliance Sud, die von Helvetas und anderen grossen Schweizer Hilfswerken getragen wird.
Aus Entwicklungsperspektive waren an dieser Konferenz die Verhandlungen zur Finanzierung von klimabedingten Schäden und Verlusten besonders wichtig. Der Druck auf die Industriestaaten war dieses Jahr angesichts der Überschwemmungen in Pakistan und der Dürre in Ostafrika grösser denn je. Die Schäden durch Klimakatastrophen kann niemand mehr leugnen, ebenso wenig die Auswirkungen des steigenden Meeresspiegels. Und so mussten sich die reichen Länder – auch die Schweiz – dem Druck der besonders betroffenen Länder, Inselstaaten und der Zivilgesellschaft beugen und in die Schaffung eines Fonds für Schäden und Verluste einwilligen. Das ist ein Erfolg für die Klimagerechtigkeit. Doch die Arbeit ist damit nicht gemacht. Entscheidend ist, dass der neue Fonds rasch mit genügend Mitteln ausgestattet wird.
Enttäuschung beim Thema «Adaptation»
Unter diesem Stichwort geht es um Anpassungen an den Klimawandel, wie beispielsweise den Umgang mit zunehmender Trockenheit in der Landwirtschaft. «Für die Ernährungssicherheit ist Anpassung an den Klimawandel ein zentrales Thema. Es ist angesichts der aktuellen Weltlage betrüblich, dass an der COP27 kaum Diskussionen dazu geführt und entsprechend auch keine Fortschritte erreicht wurden. Die bisher zugesagten Finanzierungen sind völlig ungenügend», sagt Christina Aebischer, die für Helvetas der COP27 vor Ort beiwohnte. Das sei insbesondere für die afrikanischen Länder und Organisationen eine grosse Enttäuschung; sie hatten sich an diesem afrikanischen Klimagipfel mehr erhofft.
Umso unwahrscheinlicher scheint es, dass die auf der letztjährigen COP in Glasgow getroffene Vereinbarung eingehalten werden wird, die Anpassungsfinanzierung bis 2025 gegenüber 2019 zu verdoppeln. «Auch die Schweiz hat keine zusätzlichen Zusagen gemacht, was für viele ärmere Länder unverständlich ist. Leider hängt das im Wesentlichen mit der gescheiterten Abstimmung über das neue CO2-Gesetz zusammen. Die Schweiz muss dringend die Klimaschutzfinanzierung in ihrer Gesetzgebung stärken, damit die entsprechenden Mittel für Anpassung bereitgestellt werden können.»
Positiv hingegen ist, dass zum ersten Mal vereinbart wurde, im nächsten Jahr endlich die Diskussion darüber zu starten, wie die internationalen Finanzströme zur Reduktion der Treibhausgasemissionen und Förderung einer klimaresistenten Entwicklung verlagert werden können. Die inhaltliche Klärungen und erst recht eine Einigung sind damit natürlich noch in weiter Ferne, aber die dringend nötige Diskussion ist lanciert.
Kein Ausstieg aus Fossilen in Abschlusserklärung
Nicht genug vorwärts ging es hingegen bei der entscheidenden Minderung der Emissionen. Der rasche Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas wurde trotz Druck verschiedenster Länder, auch der Schweiz, nicht in der Abschlusserklärung verankert. «Mit der Verabschiedung eines mehrjährigen Arbeitsprogramms zur Emissionsminderung wurde nur ein Minimalziel dieser Konferenz erreicht, um das 1.5-Grad-Ziel am Leben zu erhalten. Wichtig ist es nun, auch Emissionsreduktionen in Entwicklungsländern verstärkt zu finanzieren, ansonsten können die Ziele nicht erreicht werden. Hier haben die Industrieländer ihre Versprechen bisher nicht erfüllt», kommentiert David Knecht, der in Ägypten für Fastenaktion zwei Wochen lang die Verhandlungen beobachtet hat.
Dass mehr als 600 LobbyistInnen der fossilen Energien an der Konferenz zugegen waren, hat dazu beigetragen, die Abschlusserklärung zu verwässern. Die UNO muss für die Klimakonferenzen unbedingt Richtlinien im Umgang mit Interessenskonflikten erlassen. Die mageren Bekenntnisse zum Ausstieg aus fossilen Energien sind besonders stossend, wenn man bedenkt, dass fossile Energien über 70% der Emissionen verantworten, und wenn man die milliardenschweren Gewinne der Öl- und Gaskonzerne dieses Jahr mit der milliardengrossen Lücke in der Klimafinanzierung vergleicht.
Derweil in Bern: Skandalöser Entscheid im Ständerat
Die Klimakonferenz fand unter dem Vorzeichen statt, dass das globale 100 Milliarden-Dollar-Ziel um mindestens 17 Milliarden verfehlt wurde. Dass es mehr finanzielle Mittel des Nordens braucht, war das zentrale Thema. Doch das hielt die Umweltkommission des Ständerats (UREK-S) nicht davon ab, während der laufenden Konferenz eine leichte Erhöhung im «Rahmenkredit Globale Umwelt 2023-2026» wieder zu streichen. Und dies, obwohl Bundespräsident Cassis in seiner Eröffnungsrede diese zusätzlichen Gelder für den globalen Umweltfonds (Global Environment Facility, GEF) schon angekündigt hatte.
Der Fonds dient zur Unterstützung der Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Bekämpfung der Klimakrise sowie zur Anpassung an den Klimawandel. Damit konnten in den letzten vier Jahren Treibhausgasemissionen im Umfang von 1,440 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten reduziert werden. Das entspricht 33 mal dem jährlichen CO2-Ausstoss der Schweiz.
Der Gesamtrat muss korrigieren
Die UREK-S verkündete also am 11. November, dass eine Kommissionsmehrheit dem Ständerat beantragt, den Betrag um 50 Millionen Franken zu kürzen. Als Argument dient die «angespannte finanzielle Lage» der Schweiz – eine Verhöhnung von finanziell weitaus schlechter gestellten Ländern im globalen Süden, die zudem den Klimawandel nicht selber verursacht haben. «Wenn die finanzielle Lage der reichen Schweiz als angespannt gilt, wie kann dann von den ärmsten Ländern erwartet werden, dass sie ohne zusätzliche Unterstützung die Klimakrise bewältigen? Die Umweltkommission hätte die dringliche Lage erkennen und den Beitrag stattdessen erhöhen sollen», betont Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. Alliance Sud fordert den Ständerat auf, den Kürzungsantrag seiner Kommission in der Wintersession abzulehnen und die Schweizer Versprechen an der Klimakonferenz umzusetzen.
Für weitere Informationen:
Helvetas, Christina Aebischer, Klimaexpertin, Tel. 076 459 61 96, christina.aebischer@helvetas.org
Alliance Sud, Andreas Missbach, Geschäftsleiter, Tel. 079 847 86 48, andreas.missbach@alliancesud.ch