Die Zustimmung der Schweizer Bevölkerung für die internationale Zusammenarbeit und die Armutsbekämpfung ist gross − auch in Krisenzeiten und wenn der Staatshaushalt unter Druck gerät. Das zeigt eine repräsentative Umfrage der ETH Zürich.
Politischer Artikel der entwicklungspolitischen Dachorganisation Alliance Sud, die von Helvetas und anderen grossen Schweizer Hilfswerken getragen wird.
Laut der ersten landesweiten Umfrage «Swiss Panel Global Cooperation» sind 55% der Befragten der Meinung, dass die Ausgaben für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit erhöht werden sollten. Die meisten Befragten überschätzen allerdings die aktuelle Höhe der Ausgaben; wären sie über die tatsächlichen (niedrigeren) Ausgaben informiert, würde die grosse Unterstützung noch einmal deutlich steigen (auf 71%).
Als wichtigste Gründe für die internationale Zusammenarbeit werden die Wahrung des Weltfriedens (79%), die Reduktion der Folgen des globalen Klimawandels (79%) und die Solidarität angegeben (77%). Die Umfrage bestätigt somit die Forderung von Alliance Sud nach einer umfassenden Friedenspolitik, die die menschliche Sicherheit auf der ganzen Welt vor Augen hat.
Die Umfrage wurde Ende 2021 mit rund 2800 Personen in der ganzen Schweiz durchgeführt. Sie gibt einen guten Einblick in die öffentliche Meinung der Schweizer Bevölkerung und es ist anzunehmen, dass der Krieg in der Ukraine die Unterstützung für die dringend benötigte internationale Zusammenarbeit noch verstärkt hat. Deutlich kritischer ist die Schweizer Bevölkerung gegenüber der Armee eingestellt: Laut einer Umfrage der Meinungsforschungsinstituts Gallup befürworten nur 38% der Befragten eine Aufstockung der Militärausgaben, wie sie in der Sommersession vom Parlament überstürzt beschlossen wurde.
Entwicklungspolitik wichtiger als Eigeninteressen
Auch verschiedene entwicklungspolitische Massnahmen, die Alliance Sud immer wieder gefordert hat, werden von den Bevölkerung unterstützt: 70% der Befragten befürworten einen Verzicht auf geistige Eigentumsrechte für Covid-19-Impfstoffe (sogenannter «Trips Waiver»), satte 90% Massnahmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung durch Schweizer Unternehmen. Drei Viertel der Befragten halten es zudem für wichtig, Massnahmen zu ergreifen, um den CO2-Fussabdruck der Schweiz zu verringern und multinationale Unternehmen davon abzuhalten, Gewinne aus Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen aus steuerlichen Gründen in die Schweiz zu verlagern. Somit spielen Fragen der globalen Gerechtigkeit eine wichtigere Rolle als wirtschaftliche Interessen: Die Schweizer Bevölkerung ist bereit, auch politische Massnahmen zu unterstützen, die mit potenziellen Kosten für sie selbst verbunden sind.
Agenda 2030 noch nicht bei den Menschen angekommen
Nachdenklich stimmen weitere Ergebnisse der Umfrage, die den Wissenstand über die globale Zusammenarbeit in der Bevölkerung betreffen: Fast ein Drittel der Befragten gibt an, dass sie sich nicht gut informiert fühlt und mehr über Armut und globale Ungleichheit erfahren möchte. 88% haben noch nicht oder sehr wenig von den Nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen gehört (den Sustainable Development Goals, SDGs): ein Armutszeugnis für die Schweiz und insbesondere für die Bundesverwaltung, die es trotz zwei Delegierten immer noch nicht geschafft hat, die Agenda 2030 unter die Leute zu bringen. Die fehlende Information der Bevölkerung sollte auch beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Gelegenheiten zu denken geben: Sie hat den Entwicklungsorganisationen Ende 2020 unterbunden, die Programmbeiträge für die Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit im Inland zu verwenden. Laut Eidgenössischer Finanzkontrolle hat sich dieses Verbot auch negativ auf die Qualität der Beziehungen zwischen einigen NGOs und der DEZA ausgewirkt.