Der Bundesrat hat gestern einen «Zusatzbericht zum Voranschlag 2023» veröffentlicht. Er will damit vor den anstehenden Budgetdebatten das Parlament auf einen harten Sparkurs einschwören. Die naheliegendste Massnahme, auf den übereilten und überflüssigen Entscheid zur Erhöhung des Armeebudgets zurückzukommen, fehlt dort ebenso wie eine längst überfällige realistische Diskussion der Schuldenfrage.
Medienmitteilung der entwicklungspolitischen Dachorganisation Alliance Sud, die von Helvetas und anderen grossen Schweizer Hilfswerken getragen wird.
Alliance Sud, das Kompetenzzentrum für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik, ist hoch besorgt über die Auswirkungen, die dieser Bericht haben könnte. Er identifiziert bei den «schwach gebundenen» Ausgaben ein Potential von Kürzungen von 3% im Jahr 2024 und 10% ab 2025; dies nominal, also ohne die Inflation zu berücksichtigen.
Zu diesen Ausgaben gehört auch die Internationale Zusammenarbeit (IZA), also die Unterstützung der ärmsten Länder durch die Schweiz. Während die Schweiz als eines der reichsten Länder der Welt nach wie vor weit entfernt ist vom international vereinbarten Ziel, 0.7% des Bruttonationaleinkommens für die IZA einzusetzen, verschärfen sich aktuell weltweit verschiedene Krisen. Sowohl die extreme Armut wie auch Hungersnöte sind in den letzten zwei Jahren massiv angestiegen und die Klimakrise bedroht die Lebensgrundlagen unzähliger Menschen.
Der Krieg in der Ukraine und die aktuellen Zinserhöhungen der Zentralbanken verschärfen die Lage zusätzlich – mehr als die Hälfte der ärmsten Länder sind heute kaum noch in der Lage, ihre Staatsschulden zu bedienen. Mit der ansteigenden Armut und dem zunehmenden Hunger wächst aber auch die Fragilität und die Krisenanfälligkeit vieler Länder. «Entwicklungsausgaben sind Investitionen, um die Welt etwas stabiler und sicherer zu machen, sie sind auch eine Investition in die Sicherheit der Schweiz», sagt Kristina Lanz, Fachverantwortliche Entwicklungspolitik bei Alliance Sud.
Bevölkerung will die Entwicklungszusammenarbeit stärken
Während der Bericht einige laufende Geschäfte nennt, die sistiert werden könnten, um den Haushalt zu entlasten, verschweigt er die Möglichkeit, den übereilten Entscheid zur Erhöhung des Armeebudgets zu korrigieren. Bereits im Mai äusserte sich gemäss einer repräsentativen Umfrage der Tamedia eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung kritisch dazu. Die jährliche Sicherheitsstudie der Militärakademie der ETH bestätigte dieses Bild mit einer Befragung im Juni 2022. Nur 19% der Schweizer Bevölkerung bewerteten die Schweizer Armeeausgaben als zu wenig hoch. 30% fanden hingegen, dass zu viel für die Verteidigung ausgegeben werde. Mittlerweile hat die russische Armee klar vorgeführt, dass von ihr für die Schweiz keinerlei Bedrohung durch konventionelle Waffen ausgeht; somit dürfte die Zustimmung der SchweizerInnen zu den erhöhten Armeeausgaben wohl noch geringer ausfallen. Die Zustimmung der Bevölkerung zu einer Erhöhung der Entwicklungsausgaben ist gemäss Sicherheitsstudie der ETH hingegen gross – sie wird von 68% der Befragten und von Personen aller politischen Einstellungen befürwortet.
Für 2023 wird ein Überschuss erwartet
Der Bericht ist zudem durchtränkt vom Maurer-Mantra der Gefährlichkeit der Staatsschulden. Dabei kam die Finanzverwaltung erst vergangene Woche zum Schluss: «Für den Gesamtstaat (Bund, Kantone, Gemeinden und Sozialversicherungen) wird (für 2023) ein Überschuss von 1,3 Milliarden erwartet, dies bei stabilen Staatsausgaben und höheren Staatseinnahmen. Die Schulden dürften ab 2023 zurückgehen.» Auch die Schulden des Bundes allein sind im internationalen Vergleich verschwindend klein.
«Natürlich ist die Schuldenbremse in der Verfassung ein Zwangskorsett, doch eine vorausschauende Finanzpolitik müsste die Diskussion über deren Sinnhaftigkeit endlich lancieren», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud. Die Nettoschuldenquote der Schweiz (in Prozent des BIP) sank seit ihrem Höchststand von 39,4% im Jahr 2004 bis 2019 auf 17,3%. Der Corona-Anstieg ist minimal und temporär (siehe Grafik oben). Die Schuldenbremse ist damit zu einer Gefahr für die Schweiz geworden. Will die Schweiz bis 2050 klimaneutral sein und eine Volkswirtschaft werden, die nicht mehr auf Kosten anderer Länder prosperiert, so muss sie massive Investitionen tätigen und ihr Steuersystem völlig neu gestalten. Wie der Zusatzbericht richtig festhält, dauert das. Ein moderater Schuldenanstieg gibt der Schweiz die dafür nötige Zeit. Auch eine «peer-review» der OECD hat der Schweiz angesichts ihrer exzellenten Finanzlage und mit Blick auf eine dringend nötige Erhöhung der Ausgaben für die IZA kürzlich geraten: «Switzerland’s high GDP per capita and low public debt suggest room to invest more in sustainable development.»
Für weitere Informationen:
Kristina Lanz, Verantwortliche Entwicklungspolitik Alliance Sud, Tel. 076 295 47 46, kristina.lanz@alliancesud.ch
Andreas Missbach, Geschäftsleiter Alliance Sud, Tel. 031 390 93 30, andreas.missbach@alliancesud.ch
Siehe auch: Die Schweizer Armee im Kampf gegen Windmühlen