Die diesjährige UNO-Klimakonferenz «COP28» vom 30. November bis 12. Dezember in Dubai spielt eine Schlüsselrolle, damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens noch erreicht werden können. Für eine klimafreundliche Entwicklung im Globalen Süden braucht es mehr finanzielle Unterstützung, auch von der Schweiz.
Medienmitteilung des entwicklungspolitischen Kompetenzzentrums Alliance Sud, das von Helvetas und anderen grossen Schweizer Hilfswerken getragen wird.
Nach den heissesten 12 Monaten seit 125'000 Jahren sind die Erwartungen an die Staatengemeinschaft an der UNO-Klimakonferenz COP28 riesig. «Es braucht eine rasche Kurskorrektur, damit das Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu beschränken, noch erreicht werden kann», sagt Delia Berner, Klimaexpertin bei Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik. «Unter jedem Zehntelsgrad zusätzlicher Erwärmung leiden die ärmsten Menschen am meisten, wobei diese gleichzeitig am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben.» Alliance Sud fordert, dass die Schweiz ihre Verhandlungsposition an den Bedürfnissen der ärmsten Menschen im Globalen Süden ausrichtet.
Nach drei Jahren Laufzeit des Pariser Abkommens werden die Vertragsstaaten – als Teil des Ambitionssteigerungs-Mechanismus – in Dubai erstmals die «Globale Bestandesaufnahme» über die Umsetzung des Abkommens verhandeln. «Der Erfolg der COP28 wird sich daran messen, ob die Beschlüsse zur Globalen Bestandesaufnahme die ernüchternde Realität abbilden, dass die nationalen Klimaschutzpläne in der Summe zu wenig ambitioniert sind, um die Ziele zu erreichen. Es braucht unbedingt konkrete Pläne, wie Lücken geschlossen werden können und welche Prozesse dafür vorgesehen sind», betont Stefan Salzmann von Fastenaktion.
Ein drängendes Thema ist der Wandel im Energiebereich – und wer ihn finanziert. Investitionen des Privatsektors können in dieser Hinsicht keine Wunder bewirken. Sie konnten bisher die Finanzierungsbedürfnisse in den Entwicklungsländern bei weitem nicht erfüllen. Insbesondere höhere oder als höher wahrgenommene Risiken hemmen Investor:innen. Ausserdem gibt es praktisch keine privaten Finanzmittel für Massnahmen zur Anpassung in den ärmsten Ländern.
Für eine gerechte Energiewende …
Die Präsidentschaft der COP28, die Vereinigten Arabischen Emirate, setzt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, ohne sich aber gleichzeitig zum raschen Ausstieg aus den fossilen Energien zu bekennen. Die benötigte Transition muss jedoch beides beinhalten, denn der Ausbau bei den Erneuerbaren allein reduziert noch keine Treibhausgase.
«Bei aller Dringlichkeit von neuen Investitionen dürfen die Menschen in den Fabriken und auf den Feldern auf keinen Fall vergessen gehen. Ihr Wohlergehen müssen wir für einen gerechten Wandel im Auge behalten», betont Cyrill Rogger von Solidar Suisse. Und Annette Mokler von terre des hommes schweiz fügt hinzu: «Betroffene Bevölkerungsgruppen und indigene Gemeinschaften müssen direkt in Pläne für einen gerechten Wandel miteinbezogen werden.» Klar ist bereits jetzt: Der Übergang zu erneuerbaren Energien im Globalen Süden kann nur gelingen, wenn bedeutend mehr finanzielle Unterstützung – internationale Klimafinanzierung – bereitgestellt wird.
… braucht es mehr Klimafinanzierung
Die Finanzierung fehlt nicht nur für die Dekarbonisierung: Die Lücken bei der Anpassung an die veränderten klimatischen Bedingungen im Globalen Süden werden immer grösser. Dabei würde laut dem neusten «Adaptation Gap Report 2023» des UNO-Umweltprogramms jede Milliarde Dollar, die in Anpassung investiert wird, 14 Milliarden Dollar wirtschaftliche Schäden vermeiden. «Mit der gegenwärtigen Klimafinanzierung der Industriestaaten kann weniger als ein Zehntel des Finanzierungsbedarfs für die Anpassung im Globalen Süden gedeckt werden. Das ist problematisch, denn das führt zu immer grösseren Schäden und höheren Verlusten», mahnt Christina Aebischer von Helvetas.
Finanzierungsfragen bestimmen seit Jahren die Agenda und die Streitpunkte an der Klimakonfe-renz. Das ist kein Zufall, denn mindestens 28 der Länder im Globalen Süden, welche am schlimmsten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind, haben gleichzeitig gravierende Schuldenprobleme. Viele Länder sind nicht in der Lage, Klimaschutzmassnahmen aus dem eigenen Haushalt zu finanzieren, weil sie stattdessen die Schulden bedienen müssen – ein Teufelskreis.
Fonds für Schäden und Verluste muss gefüllt werden
Dieses Jahr will die Staatengemeinschaft die Modalitäten für den 2022 beschlossenen Fonds für Schäden und Verluste verabschieden. Der bestehende, von 30 Staaten ausgearbeitete Kompro-misstext stellt nur wenig Verbindlichkeit für die Beiträge her. Sollte es dabei bleiben, ist es umso wichtiger, dass die Verursacherstaaten die Konferenz nutzen, um die rasche Gründung und Auffüllung des Fonds sicherzustellen. «Die Industriestaaten behaupten, es sei kein Geld vorhanden. Gleichzeitig verbuchen Konzerne Milliardengewinne aus fossilen Energien und CO2-intensiven Industrien. Es liegt auf der Hand, dass diese Konzerne ihren Beitrag zur Wiedergutmachung der Schäden, die sie verursachen, leisten müssen», erläutert Cybèle Schneider von Heks.
«Einer der Hauptgründe, weshalb die Verhandlungen rund um die finanzielle Unterstützung an den Globalen Süden so harzen, ist das verloren gegangene Vertrauen der ärmeren Länder in reiche Länder wie die Schweiz», erklärt Sonja Tschirren von SWISSAID: «Denn die Industriestaaten bezahlen ihre bisherige Rechnung nicht.» 2009 wurde beschlossen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zur Unterstützung der Klimaschutz- und Anpassungspläne der Länder im Globalen Süden bereitzustellen. Die neusten Zahlen der OECD zeigen jedoch, dass noch 2021 dieses Ziel um mehr als 10 Milliarden verfehlt wurde. «Die Schweiz und andere Staaten bedienen sich buchhalterischer Tricks, um ihren Beitrag an die Klimafinanzierung schönzurechnen», erklärt Angela Lindt von Caritas Schweiz: «Statt wie international vereinbart neue, zusätzliche Gelder bereitzustellen, setzen Länder wie die Schweiz vor allem Gelder ein, die für die Armutsbekämpfung vorgesehen waren. Kein Wunder, ist sehr viel Misstrauen bei den Verhandlungen da.» Alliance Sud fordert seit Jahren, dass die Schweiz jährlich 1 Milliarde US-Dollar zur Klimafinanzierung beiträgt, ohne dafür das Budget der internationalen Zusammenarbeit zu belasten.
Für weitere Informationen:
- Alliance Sud, Delia Berner, Expertin für internationale Klimapolitik, Tel. 077 432 57 46, delia.berner@alliancesud.ch
- Fastenaktion, Stefan Salzmann, Verantwortlicher für Energie und Klimagerechtigkeit, Tel. 041 227 59 53, salzmann@fastenaktion.ch. Stefan Salzmann ist als Beobachter vor Ort in Dubai.
- Solidar Suisse, Cyrill Rogger, Desk Officer Südosteuropa, Tel. 044 444 19 87, cyrill.rogger@solidar.ch
- terre des hommes schweiz, Annette Mokler, Verantwortliche Entwicklungspolitik und Programmkoordination Westsahara, Tel. 061 335 91 53, annette.mokler@terredeshommes.ch
- Helvetas, Katrin Hafner, Coordinator Media Relations, Tel. 044 368 67 79, katrin.hafner@helvetas.org. Christina Aebischer ist als Beobachterin vor Ort in Dubai.
- Heks, Cybèle Schneider, Fachperson Klimagerechtigkeit, Tel. 079 900 37 08, cybele.schneider@heks.ch
- SWISSAID, Sonja Tschirren, Expertin für Klima und ökologische Landwirtschaft, Tel. 079 363 54 36, s.tschirren@swissaid.ch
- Caritas Schweiz, Angela Lindt, Leiterin Fachstelle Entwicklungspolitik, Tel. 041 419 23 95, alindt@caritas.ch