Obwohl nachhaltige Beschaffung ein erklärtes Staatsziel ist, sucht man die konkrete Umsetzung vergeblich in der gestern vom Bundesrat veröffentlichten Botschaft zum Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB). Eine rechtliche Grundlage wäre jedoch dringend nötig, damit Beschaffungsstellen beim Einkauf soziale und ökologische Kriterien tatsächlich einfordern und überprüfen können. Jetzt muss das Parlament aktiv werden.
Bund, Kantone und Gemeinden beschaffen jährlich Güter und Dienstleistungen im Wert von rund 40 Milliarden Franken: Gerade Konsumgüter wie Textilien, Elektronikprodukte, Natursteine oder Sportartikel werden häufig unter problematischen Bedingungen im Ausland hergestellt. Ungeachtet von Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen bekommt allzu oft das billigste Angebot den Zuschlag. Dies setzt ein falsches Signal, und es verzerrt den Wettbewerb, wenn Dumpingprodukte bevorzugt und Nachhaltigkeitsbemühungen von engagierten Unternehmen nicht berücksichtigt werden.
Zwar wird im vorliegenden Entwurf des BöB Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen – sozial, ökologisch und wirtschaftlich – im Zweckartikel als generelle Absichtserklärung festgeschrieben. In den konkretisierenden Artikeln zur Bewertung der Angebote fehlt jedoch eine klare Verankerung sozialer Nachhaltigkeitskriterien. «Weil die gesetzliche Grundlage fehlt, ist es für Beschaffende schwierig, Kriterien zu setzen und Nachweise zu verlangen, die sicherstellen, dass ihre Lieferanten nicht direkt oder indirekt gegen Arbeits- und Menschenrechte verstossen. Dies widerspricht nicht nur den Nachhaltigkeitszielen der der Schweiz, sondern birgt auch ein erhebliches Reputationsrisiko für die öffentliche Hand», meint Katja Schurter von der NGO-Koalition «Öffentliche Beschaffung».
Die NGO-Koalition (Helvetas, Swiss Fair Trade, Fastenopfer/Brot für alle, Max Havelaar, Public Eye, Solidar) zeigt sich besorgt darüber, dass der Bundesrat Beschaffende, die sich schon heute um sozial nachhaltige Produkte bemühen, weiterhin in einem gesetzlichen Graubereich belässt. Um seiner Pflicht nachzukommen, müsste der Bundesrat im Gesetz die Berücksichtigung von sozialen Nachhaltigkeitskriterien, wie z.B. würdige Arbeitsbedingungen in der Produktion, zumindest ermöglichen. Denn die Einhaltung der im Gesetz integrierten ILO-Kernarbeitsnormen beinhalten keine Vorgaben zur Verhinderung weit verbreiteter Missstände wie gesundheitsgefährdende Arbeitsplätze, Löhne weit unter dem Existenzminimum oder überlange Arbeitszeiten. Wichtig ist zudem, dass die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien kontrolliert wird. Die im Gesetzesentwurf vorgesehene Selbstdeklaration der Anbieter reicht dazu nicht aus. Stattdessen braucht es aussagekräftige Nachweise wie Sozialmanagementsysteme und andere Zertifizierungen sowie Stichprobenkontrollen.
Wir fordern deshalb das Parlament auf, den vorliegenden Gesetzesentwurf in der Debatte nachzubessern mit:
- der konsequenten Verankerung der Nachhaltigkeit in allen drei Dimensionen
- der Ausweitung der sozialen Mindestanforderungen über die ILO-Kernarbeitsnormen hinaus
- der Überprüfung ihrer Einhaltung.
Nur so wird Rechtssicherheit geschaffen, damit die Beschaffungsstelle ihre Verantwortung für Nachhaltigkeit als Grosskonsumentin wahrnehmen kann und nicht ein gefährliches Reputations-Risiko eingeht.
Mehr Informationen bei:
Katja Schurter, Solidar Suisse, T 079 738 83 21, katja.schurter@solidar.ch