Januar: Eine Welt ohne Hunger
Kleinbauernfamilien in Entwicklungsländern sind von verschiedensten Krisen betroffen – von schweren Dürren oder Überschwemmungen und Missernten als Folgen des Klimawandels. Von schwankenden Agrarpreisen und von Heuschreckenplagen. Die Insekten sind aufsässig und gefrässig; sie lassen sich kaum verjagen, auch nicht von diesem Bauern im äthiopischen Jijiga. Für 821 Millionen Menschen – mehr als einen von neun – ist der Zugang zu Nahrung auch heute noch unsicher. Dank ökologischer Bodenbewirtschaftung und dem Anbau von Mischkulturen können sich die Bauernfamilien an den Klimawandel anpassen und produktiver wirtschaften. Helvetas unterstützt sie dabei. Gemeinsam suchen wir nach Wegen, den Foodwaste zwischen Ernte und Verkauf zu reduzieren, und bringen das Thema Ernährung in Politik und Schulen auf den Tisch. Denn gemeinsam wollen wir «Zero Hunger» bis 2030 erreichen. Eine Welt ohne Hunger ist möglich – aber nur mit vereinten globalen Kräften.
Februar: Weit weg von Zuhause
Es ist bereits das dritte Jahr, in dem die Rohingya-Familien im weltweit grössten Flüchtlingslager in Bangladesch ausharren müssen. Eine sichere Rückkehr in ihre Heimat Myanmar ist noch nicht absehbar. Sie leben in einfachsten Hütten, dicht an dicht, mit nur wenigen Wasserzapfstellen und sanitären Anlagen. In den nächsten Monaten werden Überschwemmungen und die Corona-Pandemie ihre bereits äusserst prekäre Lage zusätzlich verschärfen. Die wenigen unbeschwerten Augenblicke – wie hier, als Rohingya-Frauen unter der Leitung eines ebenfalls geflüchteten Künstlers Erinnerungen aus ihrer Heimat an eine Mauer malen – werden dadurch noch seltener. Das Interesse der Staatengemeinschaft am Schicksal dieser Frauen und Männer nimmt ab, die Bevölkerung in der Schweiz hingegen bleibt solidarisch: Alleine über Helvetas werden 50'000 Franken gespendet, um den Opfern dieser humanitären Krise ein menschenwürdigeres Leben zu ermöglichen.
März: Leergefegte Strassen
Wer Perus Hauptstadt Lima mit ihren notorisch verstopften Strassen kennt, staunt über diesen Anblick: gähnende Leere, nur hier und da ein Bus oder vereinzelte Autos. Der nach Ausbruch der Corona-Pandemie verhängte Notstand trifft die Millionen von Menschen, die im informellen Sektor arbeiten – zum Beispiel Hausangestellte oder Kleinhändlerinnen, aber auch Flüchtlinge und Migrantinnen aus Venezuela – besonders hart. Die staatlichen Hilfsmassnahmen erreichen viele von ihnen nicht. Dank einem alternativen System über Handy und Bankfilialen kann das lokale Helvetas-Team rasch dringend benötigte Unterstützungsbeiträge an die ersten Familien auszahlen. Es ist ein Hoffnungsschimmer in einer ungewohnten und schwierigen Zeit.
April: Wiedererwachte Dörfer
Vor genau fünf Jahren bebte die Erde in Halde, einem Dorf in der nepalesischen Region Sindhupalchok, und liess Häuser und Strassen einstürzen. In den ersten Tagen der Not mussten seine Bewohnerinnen und Bewohner allein zurechtkommen. Unzählige Menschen in der Schweiz spendeten, damit die lokalen Helvetas-Mitarbeitenden schnell Nothilfe leisten konnten. Bald konnte das Dorf wiederaufgebaut werden, und die Frauen und Männer aus Halde ersetzten auch einen zerstörten Bewässerungskanal. Er führt neu in ein Tal, damit er künftig vor Erdrutschen geschützt ist. Das Wasser wird in einem grossen Bach gefasst, sodass die Familien heute auch in der Zwischensaison Gemüse ziehen können. Mitangepackt beim Graben des Kanals hat auch Sarina Lama. «Das Unglück hat beides gebracht: Zerstörung und Aufbau», sagt sie rückblickend.
Mai: Ventil für Stresssituationen
In Myanmar ist Freiwilligenarbeit weit verbreitet, eine Kultur des Gebens tief verankert. Der junge Aktivist Kyaw Zin hat vor zwei Jahren die Hilfsorganisation «Call me today» gegründet – eine Art «Dargebotene Hand», die mit Telefonberatungen Menschen in einer akuten Krise hilft. Die Idee dazu kam Kyaw, nachdem ein homosexueller Bekannter sich selbst getötet hatte. In seinem Abschiedsbrief schrieb dieser, dass er mit niemandem über seine Situation als Schwuler habe reden können. Hätte es «Call me today» damals schon gegeben, wäre er vielleicht noch am Leben. Über die von Helvetas unterstützte Hotline erreichen Kyaw Zin und seine psychologisch geschulten Kolleginnen und Kollegen auch Menschen, die in der Coronakrise Schwierigkeiten haben. So etwa arbeitslose Näherinnen oder Migranten ohne Perspektiven. Freiwillige stehen bei «Call me today» Schlange, um auszuhelfen.
Juni: Volle Fahrt voraus
Dass er einmal mit der eigenen Rikscha Passagiere transportieren würde – davon hätte Tewachew Wondimeneh früher nie zu träumen gewagt. Als Ältester von drei Kindern einer armen äthiopischen Bauernfamilie musste er sich schon früh als Tagelöhner verdingen. Das Helvetas-Ausbildungsprogramm für benachteiligte Jugendliche brachte die Wende: Nach dem erfolgreichen Abschluss hat Tewachew eine Festanstellung als Hotelkoch gefunden. In seiner Freizeit fährt er Taxi und spart, um ein Stückchen Land zu kaufen. Tewachew kümmert sich aber nicht nur um seine eigene Zukunft: Mit seinem Einkommen ermöglicht er heute auch die Schulbildung seiner zwei kleinen Schwestern.
Juli: Wunsch für die Zukunft
Stolz präsentiert Maria Daudi einen Teil ihrer Ingwerernte. Die 26-jährige Bäuerin aus Tansania strahlt über das ganze Gesicht, wenn sie von ihrem neuen Business spricht: dem Vertrieb von Ingwerprodukten. Mit Unterstützung von Helvetas konnte Maria einen Kurs über Verpackung und Marketing besuchen. Am 7. Juli präsentiert sie ihre Produkte an der grossen Handelsmesse in der Wirtschaftsmetropole Dar es Salaam. Seither floriert ihr Geschäft. Dabei sind ihr die schwierigen Zeiten noch in frischer Erinnerung: An vielen Tagen reichte Maria und ihrem Mann das Geld nicht einmal, um genügend Essen zu kaufen. Dass sie mit dem Geschäft jetzt sogar ihr eigenes Geld verdient, macht Maria besonders glücklich. An ihre Kindheit in armen Verhältnissen zurückblickend, sagt Maria: «Unser Kind soll es einmal leichter haben.» Ein Wunsch, der seit Kurzem sehr realistisch ist.
August: Kinogenuss unter Bäumen
Fast 3'000 Menschen tauchen an 45 lauschigen Sommerabenden unter freiem Himmel in der West- und Deutschschweiz in fremde Lebenswelten ein: Mal vergnüglich mit der rasanten Komödie «Tel Aviv on Fire» aus Palästina, mal poetisch-mystisch mit dem senegalesischen Auswanderer-Drama «Atlantique». Die Kinoabende unter dem Sternenzelt sind sehr umweltfreundlich: Das «Cinema Sud» von Helvetas findet seit 10 Jahren in zwei Veloanhängern Platz. Tagsüber radeln Freiwillige zum Veranstaltungsort, spannen nachmittags die Leinwand zwischen zwei Bäumen auf und laden abends zum Kinoplausch ein. Die Energie für das besondere Open-Air-Vergnügen kommt dabei aus den mobilen Solarpanels – und natürlich von seinen Besucherinnen und Besuchern.
September: In der Musik versunken
Mercedes und Gabriel tanzen Salsa auf der Veranda ihres Holzhauses in San Francisco de Paula, einem Viertel der kubanischen Hauptstadt Havanna. Ihre Heimat ist die Wiege des Salsa, der heute auf der ganzen Welt getanzt wird. Zeugin dieses spontanen Ausdrucks von Freude, aber auch Sehnsucht im oftmals harten Alltag der Menschen war die aserbaidschanische Fotografin Rena Effendi. Ihr Bild bereichert im September den Panoramakalender von Helvetas. Der Kalender bringt seit bald 50 Jahren mit bewegenden Bildern Lebenswelten näher, die uns wenig bekannt sind – und ist damit ein Ausdruck der Menschlichkeit, die uns über alle Grenzen verbindet.
Oktober: Bildung – für alle!
Der Weltmädchentag erinnert an einen traurigen Fakt: 132 Millionen Mädchen weltweit können nicht zur Schule gehen. Damit steigt für sie die Gefahr, früh verheiratet und Mutter zu werden. Schwangerschaften und Geburten sind für Frauen zwischen 15 und 19 Jahren in Entwicklungsländern die häufigste Todesursache. Der Ausweg? Bildung! Tabu, Neema, Odetha, Mwanahamis und Vumilia (v.l.n.r.) wollen ihr Leben selbstbestimmt leben. Die jungen Frauen aus Tansania sind in der Ausbildung zu Schneiderinnen. Möglich wird das dank der Unterstützung von Spenderinnen und Spendern aus der Schweiz, denn keine der Frauen hat eine weiterführende Schule besucht oder gar erst die Primarschule abschliessen dürfen. Nach dem sechsmonatigen praxisnahen Kurs werden sie gerüstet sein, in diesem gefragten Beruf auf eigenen Beinen zu stehen. Und sie werden als Botschafterinnen einer neuen Generation von Frauen traditionelle Rollenbilder verändern.
November: Bewusstseinswandel
Am 29. November stimmt die Schweiz über die Konzernverantwortungsinitiative ab – und schrammt hauchdünn an einer politischen Sensation vorbei. Zwar gewinnt die Initiative mit 50,7% aller Stimmen das Volksmehr, sie verliert jedoch das Ständemehr um wenige tausend Stimmen. Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung wie im bolivianischen Dorf Churcuita, wo Helena Cordoba (links) und Damiana Apaza an einem vergifteten Fluss leben müssen, bleiben so weiterhin ungestraft. Helvetas bedauert das knappe Abstimmungsergebnis, freut sich aber über die breite Unterstützung bis in die Wirtschaft. Und eines ist klar: Dank der Initiative und dem beispiellosen Engagement von tausenden von Freiwilligen ist das Thema Wirtschaft und Menschenrechte definitiv im Bewusstsein der Schweizer Öffentlichkeit angekommen – und wird von dort so schnell nicht wieder verschwinden.
Dezember: Helden des Alltags
Sie haben keine Superkräfte – und sind doch unsere Heldinnen und Helden: unsere Mitarbeitenden und Partner in den Partnerländern. Viele Monate lang haben sie Unvergleichliches geleistet. Emmanuel Yameogo (links) und Abdoul Konate haben trotz Corona Binnenflüchtlinge betreut, die im Norden von Burkina Faso von bewaffneten Gruppen aus ihren Heimatdörfern vertrieben wurden und deren Notlage durch die Pandemie zusätzlich verschärft wird. Emmanuel und Abdoul unterstützten die Frauen und Männer, damit sie nachhaltig zu sauberem Wasser kommen und die hygienischen Schutzmassnahmen kennen. Gemeinsam erarbeiteten sie längerfristige Perspektiven und halfen in den Aufnahmegemeinden mit, Konflikten vorzubeugen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Die Geschichten, die die beiden Helvetas-Mitarbeiter tagtäglich hörten, sind schwer zu ertragen. Da sind Menschen, die mitansehen mussten, wie ihre Freunde getötet wurden und die selbst um ihr Leben rannten. Ihre Dankbarkeit gibt Emmanuel Kraft. «Nie werde ich die Worte einer alten Frau vergessen, die mir sagte: ‹Gott segne dich, denn du bist trotz allem gekommen, um uns zu helfen.› Das motiviert mich und macht mich stolz.»