John Minoja, Fatuma Gwau Kundya und Pili Mohammed leben in einem abgelegenen Tal im Zentrum Tansanias. Gerade jetzt, kurz nach der Regenzeit, leuchtet es grün. Beim zweiten Blick fällt auf: Es gibt kaum Bäume. Sie wurden abgeholzt, um Kohle fürs Kochen herzustellen. Der Boden ist trocken, Wind trägt die spärliche Erde davon, rasch wird das Land dürr, denn es fehlen Baumkronen, die den Boden vor der sengenden Sonne schützen, und Wurzeln, die die Feuchtigkeit zurückhalten. Zusammen mit den Bauernfamilien und der Partnerorganisation Trees for the Future suchte Helvetas nach langfristigen Lösungen – Waldgärten. Dabei geht es nicht um Gärten in Wäldern, sondern darum, mithilfe von Bäumen den Boden «zu heilen» und wieder fruchtbar zu machen, damit er wieder grünt. John, Fatuma und Pili erzählen von ihren Erfahrungen.
Waldgärten, wo es keine Bäume gibt
Waldgärten haben trotz ihres Namens nichts mit Wäldern zu tun. Die Idee ist, dass Bäume und Landwirtschaft kombiniert werden. Im ersten Jahr werden rasch wachsende Bäume und Sträucher gesetzt. Ihre Blätter nähren den Boden, denn es geht um nachhaltige, biologische Landwirtschaft. Danach kommen Bäume hinzu, die Früchte tragen, sowie Gemüse, damit sich die Familien regelmässig und gesund ernähren, aber auch Geld verdienen können. Ab dem dritten oder vierten Jahr optimieren die Bauernfamilien ihre Gärten, nutzen jedes Stückchen Erde, kombi- nieren Getreide, Gemüse, Futterpflanzen und Sträucher so, dass diese sich gegenseitig nähren und schützen, um den Boden langfristig fruchtbar zu halten. Waldgärten sind die wohl älteste Landnutzungsform der Welt und gelten als eines der widerstandsfähigsten Agrar- ökosysteme. Waldgärten binden CO2 und helfen darum, den Klimawandel zu bremsen.
John Minoja ist Bauer und hat bereits zwei grosse Waldgärten, die er seit fünf Jahren hegt und pflegt.
«Der Vorteil des Waldgartens ist, dass er für viele Jahre bestehen bleibt. Das ist nachhaltig. Er hilft, die Kinder zur Schule zu schicken und unsere Grundbedürfnisse zu decken. Es braucht unbedingt mehr Waldgärten, denn hier ist es schon fast wie in der Wüste. Das Land ist so trocken. Wo es solche Gärten hat, sieht die Natur besser aus. Es hat wieder Bäume, es gibt Gemüse. In meinem Garten wachsen während der Regenzeit Mais und Bohnen. Wir haben Papaya, Cashew- und Mango- bäume. In der Trockenzeit bauen wir Okra, Zwiebeln, Pepe- roni, Amaranth und Karotten an. Und Avocado, mein Lieblingsprodukt. Frucht- und Nutzbäume sind eine zusätzliche Ein- kommensquelle. Wir können immer ernten, nicht nur während der Regenzeit wie früher. Und wir leben gesünder. Aber die Trockenzeit bleibt eine Herausforderung. Es gibt immer mehr Insekten, die unsere Bäume und die Früchte befallen. Ausserdem werden Mais und Bohnen schwach, wenn sie nicht genügend Wasser haben. Das sind die grössten Herausforderungen. Am dringendsten brauchen wir Wasser.»
John Minoja
Fatuma Gwau Kundya ist Bäuerin und hat vor drei Jahren angefangen, ihren Waldgarten anzulegen.
«Ich habe dank meinem Waldgarten jetzt einen natürlichen Zaun aus schnell wachsenden Moringa- und Gliricidiabäumen. Die Blätter, Wurzeln und Samen des Moringa sind gut für die Gesundheit. Gliricidia wächst schnell, verbessert den Boden, gibt gutes Futter für die Tiere, spendet Schatten und auch Feuerholz. Dank der Bäume und Büsche können keine Tiere mehr in den Garten eindringen. Ich kann jetzt das ganze Jahr Gemüse anbauen, von Januar bis Dezember. Und es ist besser als das Gemüse meines Nachbars, denn ich verwende nur biologischen Dünger, den ich selbst herstelle. Früher war ich sehr arm. Mein Leben hat sich mit den Bäumen und dem Garten wirklich verändert. Früher musste ich alles auf dem Markt kaufen. Jetzt ist das nicht mehr nötig. Ich bin sehr stolz auf meinen Waldgarten, weil ich so viel gelernt habe. Ich bringe jetzt meinen Nachbarn bei, was sie tun müssen. Wir brauchen nämlich viel mehr Waldgärten bei uns, denn wir wollen ein grünes Dorf sein. Als ich klein war, gab es hier viele Bäume und viel Regen. Aber die Bäume wurden abgeholzt, um Land zu gewinnen und Kohle zu ma- chen. Jetzt kann der Boden den Regen nicht mehr speichern. Wenn wir mehr Bäume anpflanzen, haben wir mehr Wasser.»
Fatuma Gwau Kundya
Pili Mohammed ist die technische Leiterin für die Waldgärten ihrer Spar- und Kreditgruppe.*
«Wir essen meistens zwei Mal am Tag. Am Morgen Hirse- oder Maisbrei und Erdnüsse oder Tee und Brotfladen. Am Nach- mittag bereite ich Ugali zu, einen Brei aus Maismehl, mit Gemüse und Bohnen. Abends machen wir manchmal einen Eintopf aus Mais, Bohnen und Kokosmilch. Früher pflanzte ich nur Hirse, Mais und Erdnüsse an. Inzwischen kamen Passionsfrüchte, Mango und Papaya hinzu. Es werden noch mehr Bäume wachsen, die Futter, Früchte und Feuerholz liefern und ich werde auch Gemüse anpflanzen können. Wir werden mehr Auswahl haben beim Essen und was zu viel ist, kann ich verkaufen. Der Natur geht es nicht gut. Wir müssen sie wieder stärken für die kommenden Generationen. Wir müssen lernen, dass Bäume auch der nächsten Generation etwas bringen. Wenn du einen Baum fällst, musst du einen neuen setzen. Ich wusste schon immer, dass es wichtig ist, zur Natur Sorge zu tragen. Ich wusste aber nicht wie. Jetzt weiss ich es.»
*Diese Gruppen werden von Helvetas in vielen Projekten angeregt, um finanzielle Sicherheit aufzubauen. Pili gibt ihr Wissen an die Mitglieder ihrer Spargruppe, aber auch an andere Interessierte weiter. Sie hat ihren Waldgarten letztes Jahr in Angriff genommen
Pili Mohammed
Superfood Algen
Dem Klima zuliebe sollten wir mehr Algen essen. Sie sind Superfood, enthalten Vitamine und Mineralstoffe, produzieren Unmengen Sauerstoff und sind Klimaretter – und das nicht nur, weil sie enorme Mengen CO2 absorbieren: Kühe, die mehr Algen und weniger Heu fressen, stossen bis zu 80% weniger klimaschädliches Methan aus.